Genügend Personal zu jeder Zeit?
Wie Chemieunternehmen ihren Personalbedarf zuverlässig planen
Nur mit einer auf den Betrieb abgestimmten Planungsgrundlage lässt sich der kurz- bis mittelfristige Personalbedarf eines Chemieunternehmens genau ermitteln. Sie trägt dazu bei, dass Unternehmen in Zeiten der Krise und unsicherer Absatzmengen ihren schwankenden Personalbedarf kompensieren können.
Nur wenige Chemieunternehmen sind in der Lage, ihren tatsächlichen Personalbedarf kurz-, mittel- und langfristig exakt zu bestimmen. Nicht nur in gewerblichen Funktionsbereichen ist diese Schwäche deutlich zu erkennen. Auch in den strategisch relevanten Organisationseinheiten des Vertriebs sowie in der Forschung & Entwicklung sehen sich die Mehrzahl der Personalentscheider intransparenten und sachlich nur schwer zu hinterfragenden Entscheidungsgrundlagen ausgeliefert.
Konnten die meisten Unternehmen diesen Schwachpunkt in der Vergangenheit aufgrund stetigen Wachstums und profitabler Geschäftsmodelle kompensieren, so gewinnt die Frage nach der erforderlichen Personalstärke zunehmend an Bedeutung. Heute gilt es, die Marktveränderungen der vergangenen 12 bis 15 Monate und die daraus entstandene neue Realität der Märkte aufzunehmen und die Organisation des eigenen Unternehmens daran auszurichten. Auch wenn diese Notwendigkeit den meisten Marktteilnehmern bewusst ist, so bleibt der Weg zum Ziel in vielen Fällen ein zeitaufwändiger und teurer „Versuch-und-Irrtum-Prozess".
Gründe für Fehlentscheidungen
Für die Bemessung der erforderlichen Personalressourcen ist es - neben der erforderlichen Transparenz der Abläufe - entscheidend, die Mengen- und Aufwandtreiber in den relevanten Prozessen zu identifizieren. Zudem müssen verdeckte Potenziale aus möglichen Ablaufverbesserungen erkannt werden, denn sonst läuft man Gefahr, den Ist-Zustand aufgrund oberflächlicher Betrachtung als Optimum anzusehen. Ähnlich fatale Folgen zeichnen sich ab, wenn Personalentscheider im Falle einer chemischen Batchproduktion das Produktionsvolumen als Grundlage für die Ableitung des Personalbedarfs verwenden. Nicht die Ausbringungsmenge der Produktion, sondern die Anzahl der produzierten Chargen bestimmen unter Berücksichtigung der Prozessstruktur den Personalbedarf. Eine Koppelung des Personalbedarfs an die falsche Bezugsgröße führt entweder zu einem stetig wachsenden Personalüberschuss oder zu einer unzureichenden Personalbesetzung.
Fehlerhafte Annahmen bei der betriebsnotwendigen Mitarbeiteranzahl können zu überhöhten Herstellkosten oder einer eingeschränkten Flexibilität aufgrund geringer Personalressourcen führen. Beides ist gleichermaßen gefährlich, denn es wirkt sich unmittelbar negativ auf die Entwicklungen der Unternehmensprofitabilität aus.
Bedarfsorientierte Personalplanungsmodelle
Verlässliche Personalplanungsmodelle spiegeln immer die Besonderheiten der betrieblichen Abläufe wider. Für einen chemischen Batchbetrieb gilt es, den Einbindungsgrad des Personals in den einzelnen Phasen des Fertigungsprozesses zu bestimmen. Diese gewonnenen Informationen fließen in ein oder mehrere Standardprozesse und werden zum Aufbau eines realitätsnahen Planungsmodells genutzt.
Hierfür muss zunächst die von einem Funktionsbereich zu erbringenden Leistungen vollständig aufgenommen werden. Neben den auftragsgebundenen direkten Tätigkeiten in Forschung & Entwicklung bedeutet dies beispielsweise, dass auch weitere Tätigkeiten wie Produktionsunterstützung bei Prozessabweichungen, Ursachenforschung bei Kundenreklamationen sowie die Verwaltung von Labormitteln berücksichtigt werden.
Neben der Bemessung von Zeitaufwänden und Einbindungsintensitäten muss auch ein verlässliches Mengengerüst festgelegt werden. Den Ausgangspunkt sollten hierbei immer aktuelle Werte bilden, um den Status quo abzubilden und entsprechend bewerten zu können. Der zukünftige Bedarf wird auf Basis von Planmengen ermittelt. Diese sind besonders sorgfältig zu bestimmen, denn Ungenauigkeiten oder Fehler in der Absatzplanung nehmen unmittelbaren Einfluss auf den abzuleitenden Personalbedarf der betrieblichen Bereiche, z.B. der Produktion oder Logistik. Es empfiehlt sich daher alternative Szenarien zu betrachten: Wie wirken sich Veränderungen der Wachstumsannahmen oder Veränderungen im Produktmix auf den tatsächlichen Personalbedarf in der Produktion oder den Logistikbereichen aus?
Von der Theorie zum Betrieb
Wie detailliert und realitätsnah Modelle auch immer aufgebaut sind - es bleibt im Regelfall eine Abweichung zwischen Theorie und Praxis. Dieses Bewusstsein darf bei allen Bestrebungen nach standardisierten Modellen nicht verloren gehen. Die theoretischen Ergebnisse der Bedarfsermittlung sind mit den Anforderungen des Betriebsalltags in Einklang zu bringen. Dabei sind neben räumlichen Bedingungen, wie der infrastrukturellen Anordnung von Produktionsanlagen, auch personelle Aspekte, wie der Qualifikations- und Schulungsgrad von Mitarbeitern, einzubeziehen, ebenso wie sicherheitstechnische Aspekte - dies gilt insbesondere für die chemische Industrie.
Auch die Schichtabdeckung nimmt bei einem Mehrschichtbetrieb einen hohen Stellenwert bei der Ermittlung des Personalbedarfs ein. Denn dieser zeigt eine starke Abhängigkeit von der Schichtstruktur sowie möglichen Schichtmodellen. Gelingt es, unter Optimierungsgesichtspunkten ganze Schichten mit einer geringeren Personalbesetzung auszustatten, so kann sich in Verbindung mit dem passenden Schichtmodell ein deutlicher Herstellkostenvorteil ergeben.
Der rechnerisch ermittelte Personalbedarf liegt nur in den seltensten Fällen in Einklang mit der vorhandenen Personalstruktur. Es sind daher Maßnahmen zur Rekrutierung oder Reduktion des Personals einzuleiten.
Glücklich schätzen können sich Unternehmen, die ein ausreichendes Wachstum generieren, um personelle Überkapazitäten im Zeitverlauf zu kompensieren. Leider ist dies aktuell nur in den wenigsten Fällen zu erwarten. Denn die Mehrzahl der Chemieunternehmen erwartet, erst in zwei bis drei Jahren wieder ein Geschäftsniveau wie vor der Finanzkrise zu erzielen. Vor diesem Hintergrund gilt es, Aktionen auf zwei Ebenen abzuwägen: Erstens müssen verträgliche Wege für unausweichliche Anpassungsmaßnahmen gefunden werden und zweitens muss sichergestellt werden, dass erforderliche Qualifikationen und kritisches Know-how im Unternehmen verbleiben.
In welcher Form auch immer eine Personalanpassung beschlossen wird, im Vorfeld sind die direkt betroffenen Führungskräfte, wie Abteilungsleiter oder Meister, in den Entscheidungsprozess einzubinden und von der Realisierbarkeit der Maßnahmen zu überzeugen. Gleiches gilt für die Arbeitnehmervertreter. Je frühzeitiger sachlich und offen über Notwendigkeiten sowie über Bedenken und Risiken kommuniziert wird, desto bedachter werden Beschlüsse gefasst.
Wenn alle sachlichen Zweifel geklärt sind, müssen die Maßnahmen methodisch einwandfrei umgesetzt und mit aller Konsequenz durch das Management unterstützt werden. Fehler in der Umsetzungsmethodik führen zu Zweifeln an der Gesamtkonzeption und können den Erfolg der Maßnahme gefährden.
Personalplanungsmodell als langfristige Planungshilfe
Ein Personalplanungsmodell, das einmal in aller Gründlichkeit erstellt wurde, kann langfristig eingesetzt werden. Veränderungen im Unternehmen in Hinblick auf Prozessstrukturen, Automatisierungen, Anlagenstrukturen etc. können in bestehende Modelle eingepflegt werden. Wichtig ist dabei, das Planungsmodell regelmäßig zu überprüfen und ursprüngliche Planungsgrößen mit den tatsächlichen Werten am Ende einer Planungsperiode abzugleichen. So wird ein möglicher Anpassungsbedarf schnell ersichtlich. Damit erhalten Entscheider ein hoch zuverlässiges Werkzeug für die Ableitung des erforderlichen Personalbedarfs an die Hand, das nicht nur auf Abteilungs- oder Bereichsebene, sondern im gesamten Unternehmen zum Einsatz kommen kann.