Funktionelle Kohlenhydrate für die Lebens- und Futtermittelindustrie
Interview mit Timo Koch, Geschäftsführer des Start-ups Savanna Ingredients
Savanna Ingredients ist ein Start-up, das 2017 aus dem Innovation Center des Zuckerherstellers Pfeifer & Langen ausgegründet worden ist. Das Unternehmen entwickelt aus regional angebauten Zuckerrüben funktionelle Kohlenhydrate, insbesondere Zucker. Die Zielmärkte sind primär der Lebens- und Futtermittelbereich. CHEManager befragte Timo Johannes Koch, Geschäftsführer von Savanna Ingredients, zu den ersten Produkten, die das Unternehmen entwickelt hat. Die Fragen stellte Birgit Megges.
CHEManager: Herr Koch, welche konkreten Gründe sprachen für die Ausgründung als Start-up?
Timo J. Koch: Pfeifer & Langen ist ein Unternehmen, das schon immer eng mit dem Thema Innovation verknüpft war und ist. In der Savanna Ingredients sind unsere Aktivitäten bei funktionellen Kohlenhydraten sachlich gebündelt.
Welche Möglichkeiten der Finanzierung nutzen Sie als junges Unternehmen?
T. J. Koch: Als Tochter von Pfeifer & Langen werden wir natürlich auch finanziell unterstützt. Im Rahmen unseres Projektes „Healthy Sugars“ werden wir zudem aus Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, kurz BMEL, gefördert. „Healthy Sugars“ beschäftigt sich mit der Frage nach akzeptanzfähigen Konzepten, die auf die nationale Reduktionsstrategie Fett, Salz und Zucker einzahlen.
Sie sind auf Kooperation mit Forschungsinstituten und der Industrie angewiesen. Wer sind Ihre Partner?
T. J. Koch: Wir arbeiten sowohl bilateral als auch in öffentlich geförderten Kooperationsprojekten mit Partnern aus beiden Bereichen – mit Unternehmen der Lebensmittelindustrie und der akademischen Forschung. Im Bereich Verfahrenstechnik gibt es aktuell gute Kooperationen mit der Aachener Verfahrenstechnik der RWTH. Wichtig sind uns aber auch Projekte im Kontext der Entwicklung von Anwendungen mit unseren Produkten. Diese finden sowohl mit Instituten aus dem Bereich Lebensmitteltechnologie, wie dem Lehrstuhl für Getränketechnologie der Hochschule Ostwestfalen-Lippe, der Zentralfachschule der deutschen Süßwarenwirtschaft aber auch mit ausgewählten Industriepartnern statt.
Wie würden Sie das Kerngebiet beschreiben, auf das Sie sich spezialisiert haben?
T. J. Koch: Die Savanna beschäftigt sich mit funktionellen Kohlenhydraten, die vorzugsweise aus dem heimischen Rohstoff, der Zuckerrübe hergestellt werden. Unsere Kernkompetenz liegt dabei sowohl in der Herstellung von neuen Zuckern, aber insbesondere auch in der Demonstration der Applikation dieser Ingredients in den Endanwendungen. Wir bieten den Kunden ein Full-Service-Paket.
Eine Entwicklung, die Sie schon relativ weit vorangetrieben haben, ist die Herstellung von Allulose, einem nahezu kalorienfreien Zucker. Was hat es damit auf sich?
T. J. Koch: Die Allulose ist ein Zucker, der in der Natur vorkommt. Man findet ihn unter anderem in Feigen und Rosinen. Geringe Mengen nimmt jeder von uns täglich auf. Allulose ist ein Einfachzucker, wie die Fruktose. Als Epimer der Fruktose verhält er sich lebensmitteltechnologisch wie ein echter Zucker. Er süßt, er bräunt, macht haltbar, verstärkt Aromen, gibt Mundgefühl und Textur. Aufgrund ihrer chemischen und physikalischen Eigenschaften kann Allulose als Sirup und in kristalliner Form vielseitig in Lebensmitteln und Getränken eingesetzt werden. Während ein Gramm klassischer Zucker 4 kcal enthält, hat Allulose nur 0,2 kcal pro Gramm bei einer Süßkraft von 70%. Der Unterschied liegt in der Verstoffwechselung. Wir können Allulose energetisch nicht nutzen. Damit hat der Allulosezucker nahezu keine Kalorien.
Welche Mengen können Sie derzeit davon herstellen? Ist Allulose absehbar für eine Produktion in großen Mengen geeignet?
T. J. Koch: Die Skalierung unserer Technologie in den Produktionsmaßstab ist eine der Aufgaben des Projekts „Healthy Sugars“. Heute stellen wir Allulose bereits in kleinen Mengen im Labor und Technikum her. Diese werden für die Entwicklung von Anwendungen eingesetzt. Derzeit wird parallel zur Prozessentwicklung eine Demonstrationsanlage mit industrieller Kapazität gebaut. Diese wird das Verfahren dann umsetzen.
Sie erwähnten bereits, dass Allulose einen Kaloriengehalt von 0,2 kcal pro Gramm hat. Sie hoffen nun, dass die europäische Zulassungsbehörde den neuen Zucker als „kalorienfrei“ in Analogie zu alkoholfreien Bieren, die einen minimalen Rest-Alkohol-Wert behalten, anerkennt. Wie ist der aktuelle Stand für die Zulassung?
T. J. Koch: Allulose wurde grundsätzlich in anderen Märkten, wie Japan, Südkorea und den USA bereits zugelassen und in Verkehr gebracht. In Europa benötigt die Allulose, wie alle neuen Zutaten, die Novel-Food-Zulassung. Grundsätzlich führen wir alle erforderlichen Studien nach den Standards der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA unter eigener Regie erneut durch. Diese Arbeiten sind bereits im vollen Gange, so dass wir beabsichtigen, zeitnah einzureichen.
Ein weiteres Ihrer Produkte ist die Cellobiose, eine Art Laktose-freie Laktose. Wie weit ist Savanna hier mit den Entwicklungen?
T. J. Koch: Cellobiose ist der Grundbaustein der Cellulose und ebenfalls ein natürlicher Zucker. Das Verfahren zur Herstellung von Cellobiose konnte bereits in den industriellen Maßstab skaliert werden. Aktuell produzieren wir Cellobiose in unserer Pilotproduktionsanlage. Cellobiose hat Potenzial, und zwar sowohl im Feed- aber auch im Food-Bereich.
In zahlreichen Studien konnten wir zeigen, das Cellobiose präbiotisch wirkt. In Deutschland ist sie bereits als Einzelfuttermittel zugelassen.
In Lebensmitteln sind die Möglichkeiten vielfältig. Grundsätzlich ist die Cellobiose der Laktose sehr ähnlich und eignet sich hervorragend für laktosefreie Produkte, die aber auf die technologischen Eigenschaften der Laktose angewiesen sind. Überrascht waren wir von den Eigenschaften bei der Verkapselung empfindlicher Aromen und Öle oder auch der guten Tablettierbarkeit.