Farben- und Lackmarkt: Nähe zu den Kunden in Asien ist wesentlicher
Die Nähe zu den Kunden in Asien ist wesentlicher Erfolgsfaktor im Farben- und Lackmarkt der Zukunft
Der Farben- und Lackmarkt steht vor glänzenden Zeiten. Mit 3,5 % Wachstum pro Jahr erscheinen die Aussichten zwar etwas matt, aber bis 2030 bedeutet das eine Verdoppelung des Markts. Dabei müssen sich die Anbieter auf eine völlig neue Marktdynamik gefasst machen. Im Wesentlichen sind es drei Faktoren, die den Wandel treiben: der rasant zunehmende Konsum und die steigende Produktion in Asien, Innovation sowie ein neuer Fokus auf Endverbraucher. Was sollten europäische Unternehmen tun? Genau drei Dringe.
Teilnahme am Wachstum in Asien
Der Farben- und Lackmarkt wächst von 68 Mrd. € im Jahr 2010 auf 134 Mrd. € im Jahr 2030, vor allem durch das Wachstum in Asien. Auf den Kontinent entfallen über 70 % des gesamten Wertwachstums.
Mit einem Anteil von 36 % - der bis 2030 auf über 50 % wachsen dürfte - ist Asien bereits heute der größte Farben- und Lackmarkt der Welt. Mit 7,4 % bzw. 10 % Wachstum dürfte der Löwenanteil davon auf China und Indien entfallen. Die Gründe für dieses Wachstum liegen in den sich verbessernden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Lebensstandards sowie einer sich verbreiternden Produktionsbasis (Abb. 1).
Einige wenige Zahlen und Fakten zeigen ein klares Bild: Der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch liegt heute bei nur 1,4 kg in Indien, bei 6,4 kg in China. Der weltweite Durchschnitt beträgt 11,5 kg. Durch die steigenden verfügbaren Einkommen in der Region wird sich diese Lücke allmählich schließen. Durch wachsendes Wohneigentum steigen sowohl die Ausgaben für direkte Arbeiten am Haus als auch für Industrieanwendungen, z.B. bei der Automobil- und Elektroproduktion. Die großen Lackabnehmer-Branchen, wie die Automobilindustrie und industrielle Holzverarbeitung, werden diesem Nachfragetrend folgen - und sich aus den traditionellen Fertigungszentren in Europa und den USA zurückziehen.
Dank der massiven Industriebasis wird Europa jedoch der zweitgrößte Markt bleiben. Wachstum und Profitabilität werden von technisch anspruchsvolleren Produkten getrieben, die die Kundenbedürfnisse nach kostengünstigen und umweltverträglichen Farben und Lacken befriedigen.
Mut zur Innovation durch Endverbraucher und neue Technologien
Der technische Fortschritt und neue Nachfragemuster werden zu erheblichen Leistungssteigerungen und deutlichen Verbesserungen bei den ästhetischen und umweltschonenden Eigenschaften von Farben und Lacken führen. Die Endverbraucher verlangen immer eindringlicher Verbesserungen in Bereichen wie Effizienz, Funktionalität, Verarbeitung/Entfernung und Nachhaltigkeit. Darüber hinaus beflügelt die spezifische Verbrauchernachfrage in Entwicklungsländern Innovationen, die diese lokalen Bedürfnisse adressieren.
Der technische Fortschritt rollt die ganze Branche auf. Die mechanischen Eigenschaften von Farben und Lacke müssen zunehmend intelligente Funktionalitäten aufweisen, wie Licht- und Wärmeempfindlichkeit, thermochrome Reaktionsfähigkeit und selbstreparierende Fähigkeiten. In diesem Bereich werden westliche Unternehmen auf absehbare Zeit Innovationsführer bleiben. Die Innovationskompetenz bleibt der wichtigste Faktor ihrer Wettbewerbsfähigkeit und die größte Chance auf Zugewinne in den asiatischen Märkten.
Fokus auf Kunden in allen Geschäftsprozessen
Die Farben- und Lackmärkte sind (end-)verbrauchergetrieben und stehen unter steigendem Kostendruck. In den nächsten Jahren müssen sich die Hersteller mit ihren Kunden kurzschließen und mit ihnen zusammen erhebliche F&E-Anstrengungen unternehmen. Die asiatischen Anbieter haben hier einen Heimvorteil, weil sie näher an den Kunden in den wesentlichen Wachstumsmärkten sind (Abb. 2).
Asian Paints, der drittgrößte Farben- und Lackhersteller Asiens, zeigt, wie man die Nähe zum Kunden erfolgreich hebeln kann. Das Unternehmen mit Sitz in Indien hat mit seinen sogenannten „Signature Stores" die gesamte Einzelhandelslandschaft aufgemischt. In den Filialen können sich die Kunden mit interaktiven Elementen über die Möglichkeiten der Farbgestaltung informieren und sich inspirieren lassen. Die Kunden können mit kleinen Farbpaletten Farbkombinationen und Nuancen ausprobieren und sich ihr eigenes Endprodukt in kleinen Mengen mischen. Asian Paints hat diesen kundenzentrierten Ansatz mit einer tiefen Prozess- und Lieferkettenoptimierung verbunden.
Es lohnt sich offenbar, den Kunden derart in den Mittelpunkt zu stellen: Zwischen 2008 und 2012 zählte Asian Paints zu den am schnellsten wachsenden Unternehmen auf dem asiatischen Markt - mit durchschnittlichen jährlichen Wachstumsraten von 23 %.
Westlichen Herstellern fehlt diese Marktnähe teilweise. Deshalb verfolgen sie zunehmend vertikale Integrationsstrategien, mit denen sie dem Margendruck durch hohe und immer volatilere Rohstoffpreise zu entgehen versuchen. So haben einige Chemiekonzerne in jüngster Zeit durch die Übernahme von Rohstofflieferanten ihre Niedrigkostenbasis gefestigt.
Ausblick
Die Farben- und Lackindustrie steht vor tiefgreifenden Veränderungen. Asien wird bis 2030 deutlich mehr als 50 % des Markts für sich beanspruchen und auch in den Wettbewerb mit innovativen Produkten einsteigen. Wenn Europa und Nordamerika auch stagnieren, so bleiben sie doch große bedeutende Märkte mit hohen Gewinnbeiträgen. Um ihre Stellung als führende Hersteller zu halten, müssen sich westliche Unternehmen auf ihre Innovationskraft als wesentlichen Wettbewerbsvorteil konzentrieren. Sie werden aber nicht am Wachstum der aufstrebenden Märkte Asiens teilhaben können, wenn sie nicht auch räumlich näher an sie heranrücken.