Anlagenbau & Prozesstechnik

Erfolgreicher gegen gefährliche Keime Schwerpunktthema Krankenhausinfektionen auf dem 15. DIVI-Kongress

29.01.2016 -

Schon seit rund zwei Milliarden Jahren steuern winzig kleine Mikroben das Leben auf unserem Planeten. Auf und in jedem Menschen tummeln sich rund 100 Billionen Bakterien, alleine 4.000 Arten siedeln im Darmtrakt. Viele dieser Keime sind enorm wichtig, sie unterstützen das Immun­system und sorgen für die Aufspaltung von Nahrung. Doch einige wenige Arten können für den Menschen auch zu einer ­Gefahr werden.

Etwa 500.000 Menschen entwickeln hierzulande jedes Jahr eine Krankenhausinfektion. Bei den meisten handelt es sich um Infektionen mit den Erregern der eigenen Bakterienflora. Die Zahl der Erkrankungen durch multiresistente Erreger wird auf 30.000 geschätzt. Vor allem auf Intensivstationen droht dabei Lebensgefahr. „Einen perfekten Schutz gibt es zwar nicht“, sagt Professorin Petra Gastmeier, die das Institut für Hygiene- und Umweltmedizin an der Berliner Charité leitet. „Aber es gibt geeignete Maßnahmen, um die Zahl der Infektionen deutlich zu verringern.“

Nosokomiale Infektionen
Die Gefahr durch Keime oder nosokomiale Infektionen, wie der Fachbegriff heißt, hat in den letzten Jahren zugenommen, weil die wichtigste Waffe gegen die Bakterien, die Antibiotika, immer häufiger keine Wirkung mehr zeigt. Obwohl die Zahlen langsam sinken, handelt es sich in den meisten Fällen immer noch um Infektionen mit dem Methillicin-resistenten Staphylococcus aureus, kurz MRSA genannt. Er kann schwere und sogar tödliche Infektionen verursachen. Sorgen bereiten derzeit aber auch so genannte 4MRGN-Erreger, bei denen die vier wichtigsten Antibiotikaklassen, die normalerweise für ihre Therapie zum Einsatz kommen, nicht mehr wirken. „Sie kommen im östlichen Mittelmeerraum, in Nordafrika und in Südostasien vor“, sagt die Expertin. „Touristen, die diese Länder bereist haben und dort ein Krankenhaus aufsuchen mussten, können diesen Keim ins sich tragen. Wenn diese Patienten in eine Klinik kommen, müssen deshalb alle Vorkehrungen getroffen werden, um eine mögliche Ausbreitung zu verhindern.“
Wichtig ist eine gute Anamnese. Sobald der Verdacht besteht, dass ein Patient den Erreger in sich trägt, muss ein Abstrich für das Labor gemacht werden. Das fordern auch die Leitlinien. „Zudem empfiehlt es sich, Betroffene auf Intensivstationen in einem Einzelzimmer unterzubringen sowie eine Eins-zu-Eins-Pflege zu ermöglichen“, sagt Professor Gastmeier. „Natürlich ist es ein enormer Arbeitsaufwand, wenn sich um jeden Intensivpatienten eine eigene Pflegekraft kümmert. Oft fehlt dafür das Personal. Manchmal ist nur eine Eins-zu-Drei- oder gar Eins-zu-Vier-Pflege möglich und das erhöht natürlich die Gefahr, dass der Erreger sich ausbreitet. Hier gibt es also Handlungsbedarf.“ Darüber hinaus sind konsequent eingehaltene Hygienemaßnahmen von entscheidender Bedeutung. Sowohl das medizinische Personal als auch Besucher müssen sich unbedingt die Hände desinfizieren. Auf 95 % aller Intensivstationen ist das pro­blemlos möglich, weil entsprechende Desinfektionsmittelspender patientennah vorhanden sind.
Mehr als 900 Intensivstationen beteiligen sich am Krankenhaus-Infektions-Surveillance-System (KISS). Die bislang gelieferten Daten zur Epidemiologie haben schon zu weiteren Präventionsmaßnahmen geführt, wie bspw. der täglichen Ganzkörperwaschung mit antiseptischen Substanzen der Intensivpatienten.

Gefährdungsgruppen
Besonders von einer Krankenhausinfektion gefährdet sind z. B. frühgeborene Kinder mit einem Geburtsgewicht unter 1.500 g oder nach 37 vollendeten Schwangerschaftswochen Neugeborene mit Fehlbildungen wie einem komplexen Herzfehler. Das noch unausgereifte Immunsystem der Kleinen kann sich nur schwer gegen die Erreger wehren. Vor allem der Keim Serratia marcesens treibt den Experten seit einiger Zeit Sorgenfalten auf die Stirn. „Eigentlich ist das ein normaler und nicht resistenter Keim, den viele Menschen in sich tragen“, erklärt Professor Christof Dame, der stellvertretender Direktor der Klinik für Neonatologie an der Berliner Charité und als Neonatologe Mitglied der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) ist. „Für Risikopatienten, wie sehr unreife Frühchen oder herzkranke Neugeborene, kann er aber zu einer Gefahr werden. Der Keim kann Blutstrominfektionen, Lungenentzündungen und Entzündungen im Gehirn verursachen.“
Aber auch MRSA und multiresistente gramnegative Bakterien stellen eine große Gefahr dar. Um eine Ausbreitung zu verhindern, empfiehlt die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) deshalb ein so genanntes Aufnahmescreening. „Bei jedem aufgenommen Kind nehmen wir Abstriche vor und lassen sie im Labor analysieren. Das dauert etwa 48 Stunden“, sagt der Experte. „In dringenden Fällen stehen uns auch molekularbiologische Methoden zur Verfügung, die schon nach ein paar Stunden ein Ergebnis liefern. Dann wissen wir zwar noch nicht genau, welches Resistenzmuster vorliegt. Allerdings können wir die Pflege dann anders koordinieren und darauf achten, dass Hochrisikopatienten abgeschirmt werden. In der Fachsprache nennt man das Kohortenpflege.“

Leitlinie für die Geburts­medizin
Bislang fehlt noch eine spezielle Leitlinie für die Geburtsmedizin.
Dazu ein Beispiel: Wenn eine schwangere Frau nach einem vorzeitigen Blasensprung mit hohem Risiko für eine Frühgeburt in die Klinik kommt und deshalb länger mit Antibiotika behandelt wird, besteht ein hohes Risiko für eine Resistenzentwicklung der Bakterien. „In diesem Fall raten wir unseren Geburtsmedizinern zu einem wiederholten Vaginalabstrich bei der schwangeren Patientin“, erläutert Professor Dame. „So können eventuell vorhandene multiresistente Keime frühzeitig entdeckt werden. Wir können dann unsere Antibiotika-Behandlung von vorneherein anpassen und schneller effektiv behandeln. Wünschenswert wäre, dass Vorgehen wie diese zum Standard werden.“

DIVI weltweit einzigartig
Die 1977 gegründete DIVI ist ein weltweit einzigartiger Zusammenschluss von mehr als 2.000 Anästhesisten, Neurologen, Chirurgen, Internisten, Kinder- und Jugendmedizinern sowie Fachkrankenpflegern und entsprechenden Fachgesellschaften: Ihre fächer- und berufsübergreifende Zusammenarbeit und ihr Wissensaustausch machen im Alltag den Erfolg der Intensiv- und Notfallmedizin aus. Insgesamt bündelt die DIVI damit das Engagement von mehr als 30 Fachgesellschaften und persönlichen Mitgliedern.
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