Entwicklung therapeutischer Proteine
Roche Diagnostics schafft neue Laborarbeitsplätze und Technikum
Das Werk Penzberg von Roche Diagnostics ist mit rund 350.000 m2 und 4.800 Mitarbeitern eines der größten Biotechzentren in Europa. Innerhalb des Roche-Konzerns ist der Standort in Oberbayern das weltweit führende biotechnologische Forschungs-, Entwicklungs- und Produktionszentrum, an dem beide Bereiche - Pharma und Diagnostics - aktiv sind. Von 2008 bis 2011investierte Roche im Rahmen des Projektes TP-Expand (TP = Therapeutic Proteins) am Standort Penzberg rund 158 Mio. € in den Ausbau der technischen Entwicklung von therapeutischen Proteinen. Innerhalb des Teilprojektes „Gebäude 363" wurde eine Großraumhalle zu einem Laborgebäude umgebaut. Mit dieser komplexen Aufgabenstellung beauftragte die M+W Process Industries als Generalplaner die HWP Planungsgesellschaft in Stuttgart mit der Planung der Architektur, Labor- und Gebäudetechnik.
Im Rahmen des Projektes TP-Expand entstanden im Gebäude 363 etwa 90 Laborarbeitsplätze. Den Grundstein für das ungewöhnliche Planungsprojekt legte eine Machbarkeitsstudie. Hierin wurden die Umnutzungsmöglichkeiten der Halle in Gebäude 363 erarbeitet. Roche Diagnostics entschied sich auf dieser Basis für die Umnutzungsvariante als Großraumlabor mit angeschlossenem Technikum für die technische Entwicklung therapeutischer Proteine. „Aus diesem Beschluss resultierten große architektonische Herausforderungen, verbunden mit einem enormen Bauleitungs- und Koordinierungsaufwand. Trotzdem konnte der Umbau nach nur 16 Monaten Bauzeit vorzeitig abgeschlossen werden", freute sich Urs Erny, Gesamtprojektleiter TP-Expand bei Roche. „Grundlage des Projekterfolges war die sehr gute Zusammenarbeit mit dem Planungsteam und der große persönliche Einsatz aller Beteiligten gewesen", ergänzte sein Kollege Dr. Josef Burg, Leiter Bioprozess Entwicklung & Wirkstoffbereitstellung für klinische Studien.
Von der Halle zum Labor
Ein Projektschwerpunkt bei der baulichen Veränderung bestand in der Veränderung der Geschosse. Mit einer Geschosshöhe von ca. 6,30 m und ohne Stützen geplant, wurden nun auf drei Etagen Großraumlabore geschaffen. Die umgesetzte Speziallösung für die Neugestaltung der Flächen ist ästhetisch elegant gelöst, berücksichtigt die spezifischen Nutzerbedürfnisse und ist an den neuen Funktionen eines Labors für die Biotechnologie ausgerichtet: Um die hohen Räume flächeneffizient zu nutzen, entschied man sich für Zwischenebenen in Form von Galerien. Diese schafften den notwendigen Platz innerhalb des bestehenden Gebäudes. Die auch optisch besonders ansprechenden Galerieebenen, von denen sich die Großraumlabore als Ganzes einsehen lassen, überspannen nur etwa ein Drittel des Raumes und erzeugen so eine luftige, offene Atmosphäre. Unter und auf den Galerien entstanden Lager, Spülküchen, Geräteräume, Kühlräume und nicht ständige Laborarbeitsplätze. Den Hauptteil der jeweiligen Geschosse nehmen die Großraumlabore ein. Labore in dieser Form und Größe wurden erstmals im Werk Penzberg als ganzheitlich erarbeitete Speziallösung realisiert. Auf 900 m2 Nutzfläche pro Geschoss gelang es, hochwertige Laborarbeitsplätze für jeweils rund 30 Labormitarbeiter zu schaffen.
Akustik und Ästhetik
Die Bedenken der Nutzergruppen, aufgrund des Großraumlabors unter einem erhöhten Lärmpegel zu leiden, nahm das Planungsteam von Anfang an ernst und beschäftigte sich intensiv mit der Lösung dieser Herausforderung. Nun schaffen Glastrennwänden zwischen den Auswertungs- und Laborarbeitsplätzen sog. Arbeitssuiten, die eine konzentrierte, stressreduzierte Arbeitsweise erlauben. Eine Arbeitssuite ist für etwa fünf bis sechs Mitarbeitende vorgesehen. In einem modularen Aufbau entstanden in einem regelmäßigen Raster insgesamt sieben solcher Suiten. Neben dieser raumstrukturierenden Innenarchitektur tragen hochwertige schallreduzierende Akustikdecken dazu bei, den Geräuschpegel bestmöglich zu minimieren. Akustik und Ästhetik ergänzen sich zu einer ganzheitlichen Lösung, die sich an den Bedürfnissen der Mitarbeitenden orientiert: Eine LED-Beleuchtung im Deckenbereich erzeugt eine angenehme Atmosphäre. An den Rauminnenwänden überzeugt ein in verschiedenen Blaunuancen gehaltenes Farbkonzept. Eine raumhohe Verglasung bezieht den Ausblick auf die blau gehaltenen Fassaden der angrenzenden Gebäude bewusst in das innenarchitektonische Gestaltungskonzept mit ein. Durch die Orientierung des Farbkonzeptes des Gebäudes 363 am gesamten Gebäudekomplex entsteht aus den verschiedenen Gebäuden eine harmonische Einheit.
Organisatorische Optimierung
Die Umplanungs- und Umbaumaßnahme veranlasste auch zu organisatorischen Optimierungen: Das Unternehmen ergriff die Chance, die Penzberger und die ausgelagerten Münchner Entwicklungseinheiten am Standort Penzberg zu bündeln. Neben den 90 Laborarbeitsplätzen in den Großraumlaboren wurden zusätzlich 45 Büroarbeitsplätze im sog. Kopfbau des Biologics IV bezogen. Mit der Zusammenführung der Mitarbeitenden, die bisher auf verschiedene Gebäude verteilt waren, legte Roche Diagnostics die Grundlage für einen schnellen kommunikativen Austausch und arbeitsgruppenübergreifende, interdisziplinäre Teamarbeit in der technischen Entwicklung.
Die International Society for Pharmaceutical Engineering (ISPE) gab Anfang des Jahres bekannt, dass das Gesamtprojekt TP-Expand mit dem diesjährigen „Facility of the Year Award" in der Kategorie „Operational Excellence" ausgezeichnet wird.
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Mit aller Expertise
Von der Produktionshalle zum modernen Großraumlabor - ein außergewöhnliches Projekt und eine echte Herausforderung. CHEManager fragte nach bei Dr. Barbara Höhne-Zell, Projektleiterin Labortechnikplanung, und Architekt Benjamin Ebbecke, Projektleiter Architektur und Generalplanung der HWP Planungsgesellschaft.
CHEManager: Frau Dr. Höhne-Zell, was war die besondere Herausforderung bei diesem Projekt aus Sicht der Labortechnik?
Dr. Barbara Höhne-Zell: Die Herausforderung für uns Labortechnikplaner bestand darin, dass wir einen völlig ungewöhnlichen Ausgangspunkt für unsere Planung hatten. Dadurch, dass das Gebäude 363 für eine andere Nutzung ausgelegt war, hatte es komplett andere Merkmale als ein typisches Laborgebäude. Hohe Geschosse, ein stützenfreier Raum, große Installationsschächte, großzügige Technikflächen im Untergeschoß und eine Lüftungszentrale auf dem Dach verlangten uns bei unserer Machbarkeitsstudie und der nachfolgenden Umplanung in ein sinnvolles Laborgebäude unsere planerische Expertise ab. Unsere Aufgabe bestand darin, zusammen mit unseren Kollegen aus der Architektur und den gesamten Haustechnikgewerken funktional gangbare und gleichzeitig für die Nutzer akzeptable Lösungsansätze zu entwickeln.
Herr Ebbecke, welche Vorgaben mussten Sie als projektleitender Architekt und als Generalplaner beachten?
Benjamin Ebbecke: Funktional bestand die Vorgabe darin, dass alle vier wichtigen Technologiebereiche in diesem Gebäude untergebracht werden sollten, also Labornutzung für Entwicklungseinheiten des Downstream Processing, Upstream Processing und der Analytik und der Betrieb eines Aufreinigungstechnikums. Außerdem sollte ein Großraumlabor entwickelt werden, welches die Akzeptanz der Nutzer erhält, gleichzeitig architektonisch, ästhetisch ansprechend ist und somit kreativen und produktiven Raum schafft. An dieser Stelle war es bei der Planung von Vorteil, in unserem interdisziplinären Team mit unseren hausinternen Labortechnikplanern nach einer ganzheitlichen Individuallösung suchen zu können.
Wie begegneten Sie diesen Befürchtungen der Nutzer?
Benjamin Ebbecke: Akzeptanz für ein neues Arbeits- und Organisationskonzept ist nur zu erreichen, indem man die Nutzergruppen aktiv in die Ausarbeitung einbezieht. Nur so findet Identifikation und Mitdenken statt. Die Nutzer hatten zuvor in konventionellen Labors gearbeitet - die Idee des Großraumlabors weckte daher zunächst nachvollziehbarerweise Vorbehalte vor der Veränderung. Diesen Vorbehalten begegneten wir konsequent mit sehr intensiven Nutzergesprächen, bei denen wir mit allen Nutzergruppen ausführlich die spezifischen Bedürfnisse erhoben. Dadurch konnten wir über den Projektverlauf eine hohe Zustimmung zu unserer Lösung erzeugen.
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