Energieeffizienz in der Pharmaindustrie
24.03.2020 - Maßnahmen für einen effizienten Energieverbrauch und für die Senkung der Emissionen können zu einer Reduktion von ca. 30 % der Energiekosten führen.
In der Pharmaindustrie spielt die Energieeffizienz eine wichtige Rolle. Über den gesamten Lebenszyklus von Gebäuden und Anlagen betrachtet, lassen sich mit dem Einsatz modernster Gebäudetechnik, verbunden mit einem intelligenten Betrieb hohe Kosten einsparen. Maßnahmen für einen effizienten Energieverbrauch und für die Senkung der Emissionen können zu einer Reduktion von ca. 30 % der Energiekosten führen.
Energieeffizienz entwickelt sich immer mehr zu einer essentiellen Frage in modernen Unternehmen. Und sie prägt das Selbstverständnis der Mitarbeitenden. Auch wenn technische Veränderungen in der Produktion die Grundlage für Energieeffizienzmaßnahmen sind, erstrecken sich die Maßnahmen für ein erfolgreiches Energieeffizienzprogramm über viele Bereiche: Produktionsprozesse, Wertschöpfungskette mit Infrastruktur sowie Unternehmensorganisation. Die grösste Herausforderung ist es, die Luftqualität im Innenbereich zu optimieren und gleichzeitig die Energiekosten und den Filterverbrauch im Bereich Heizung, Lüftung und Klima (HVAC), die etwa 35 % der Energiekosten einer Industrieanlage ausmachen, zu reduzieren. Insgesamt erreicht man allein durch organisatorische Verbesserungen, wie konsequente Wartung oder nächtlicher Standby-Betrieb der Anlagen, Energieeinsparungen von 5 %.
Produktions- und Reinraumtechnische Maßnahmen
In der Produktion kann man durch den Einsatz neuer Energien die Energiebilanz optimieren, z. B. über Kraft-Wärme-Kopplung zur simultanen Erzeugung von Strom und Wärme oder die Nutzung von Abwärme. In den heutigen Produktionsprozessen steckt überdies viel Potenzial, um Abfallstoffe zu reduzieren oder Nachwärme zu eliminieren. Zur Bestimmung der aktuellen Energiesituation und der Ableitung von kurz- mittel und langfristigen Maßnahmen zur Reduzierung des Energieverbrauches dienen Standortanalysen. Dazu gehören die Ermittlung der Verbraucher mit dem größten Energieeinsparpotenzial (z. B. HVAC, Nachtabsenkung im Standby-Betrieb).
Moderne Datenverarbeitungssysteme verknüpfen die Gebäudeautomation und das Monitoring des Reinraums zu einem System. Dabei werden digitalisierte Informationen aus der Haustechnik und Produktionsdaten aufgenommen und in Abhängigkeit voneinander analysiert. Mit Hilfe dieser Datenanalytik kann die Produktion optimiert werden, wie z. B. hinsichtlich des Energieverbrauchs. Systemintegrierte Lösungen ermöglichen ein Zusammenspiel aller reinraumrelevanten Einheiten mit den Anlagen für die Gebäudetechnik. Das steigert die Flexibilität, die Produktivität sowie der Effizienz der Anlagen. Der Anwender kann jederzeit z. B. exakte Informationen darüber abrufen, ob der Differenzdruck zwischen unterschiedlichen Reinraumzonen und dem umgebenden unreinen Bereich im grünen Bereich liegt. Weitere wichtige Parameter sind die relative Feuchte im Reinraum, der Belegungsgrad des Reinraums und die Überschreitung wichtiger Grenzwerte. Die vollständige Verknüpfung von Sensorik mit Messfühlern und Monitoring-System trägt dazu bei, dass nicht nur die Störanfälligkeit im Reinraum sinkt, sondern dass auch die Messergebnisse sicherer werden.
Belüftungskonzepte
Die Maßnahmen für eine energieeffiziente Prozessgestaltung im Reinraum basieren auf der jeweiligen Reinraumklasse. Durch die Wahl der Belüftung ist sicherzustellen, dass Verunreinigungen sofort aus der Luft entfernt werden. So kann durch die kontinuierliche Zufuhr gereinigter Luft entweder eine Verdünnung der Konzentration der luftgetragenen Schwebstoffteilchen, im Turbulent Flow, oder deren Verdrängung im Laminar Flow erreicht werden. Neben Reinräumen mit vertikaler Laminarströmung gibt es auch solche mit horizontaler Luftströmung.
Bei der Umsetzung energetischer Prozessoptimierungen im Sinne der Effizienz spielt die Größe des Reinraums eine wichtige Rolle. Großunternehmen erstellen mitunter riesige Reinräume z. B. für die Chipindustrie oder Pharmaindustrie mit bis zu 100.000 m2 Fläche. Gerade in Branchen wie der energieintensiven Pharmaindustrie werden heutzutage allerdings großtechnische Hallenaufbauten in hoher Reinraumklasse immer seltener erstellt, denn sie erfordern im Unterhalt zu viel Energie und sind für viele Produktionsprozesse einfach unrentabel.
Um bei einer Störung oder Wartung der Anlage einen Totalausfall zu vermeiden, müssen umfangreiche Vorkehrungen getroffen werden. Mehrere – einander abdeckende – Systeme müssen für diesen Fall zur Verfügung stehen, ein enormer Aufwand. Deshalb taucht immer öfter die Frage auf, ob solche großtechnischen Anlagen wirklich erforderlich sind. Schließlich geht es nicht darum, ein möglichst großes Volumen Luft umzuwälzen und zu reinigen, sondern lediglich um das Ziel, das Produkt und die Mitarbeiter vor Kontamination zu schützen. Das können auch kleinere Reinraumzonen leisten.
Nur soviel Reinraum wie nötig einplanen
Einer der größten industriellen Energieverbraucher ist die Pharma-Branche, der drittgrößte Industriezweig der Schweiz. Eine Effizienzsteigerung in der Produktion ist einer der Wege, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Bei der Herstellung pharmazeutischer Produkte im Reinraum muss je nach Anforderung die Partikelanzahl und auch die Anzahl der Keime permanent überwacht werden. Andere Anforderungen wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Druck müssen ebenfalls geregelt werden, um die notwendigen Raumbedingungen sicherzustellen. Hierbei werden diverse Verfahren und bauliche Maßnahmen angewendet, welche verhindern, dass unerwünschte Partikel in die Luft gelangen können und dass durch den Prozessablauf im Reinraum entstehende Partikel wieder entfernt werden.
Raum-in-Raum-Konzepte sind nicht nur wirtschaftlicher als Großraum-Lösungen, die hohe Investitions- und Betriebskosten verursachen, sie ermöglichen auch eine Fertigung bei höheren Reinraumklassen. Statt aufwändig in Großräumen für Reinheit zu sorgen, werden durch eine geeignete Unterteilung im Betrieb verschiedene Reinheitszonen eingerichtet. Die höchste Reinheit herrscht demnach nur dort, wo es wirklich darauf ankommt. Durch dieses Raum-in-Raum-Konzept sinken die Kosten erheblich. Eine einfache Lösung stellen Laminar-Flow-Boxen dar. Eine Laminarbox ist ein Arbeitstisch, auf dem Mitarbeiter unter hochreinen Arbeitsverhältnissen beim Arbeiten mit gefährlichen Stoffen geschützt arbeiten können. In der Kabine herrscht ein entweder horizontaler oder vertikaler laminarer Luftstrom, um die nötige Reinheit (i.d.R. Biohazard Klasse II bzw. ISO 5) zu erzielen.
Gebäudetechnik-Optimierung im HVAC-Bereich
Die Maßnahmen zur Einsparung von Energie in Reinräumen erfordern ausgeklügelte Optimierungspläne. Diese Konzepte werden gemäß den Erfordernissen des jeweiligen Reinraums sowie den vorgegebenen Normen und Richtlinien maßgeschneidert. Die dadurch erreichbaren Energiesparmaßnahmen lassen sich für integrierte Produktionsanlagen, bei der Klima- und Lüftungstechnik z. B. durch dezentrale Belüftung oder Umluft-Beimischung umsetzen. Bei der Kälteerzeugung empfiehlt sich ein Umluftkühler zum Abführen der Wärme aus dem Reinraum. Bei diesen Geräten ist oft auch eine Luftentfeuchtungsfunktion für den Reinraum integriert.
Da der größte Teil der Lebenszyklus-Kosten eines Gebäudes im Betrieb anfallen, legen die Betreiber großen Wert auf Qualitätslösungen, die es erlauben, den Energieverbrauch ihrer Anlagen deutlich zu senken, Abfälle zu minimieren, die Energieeffizienz zu erhöhen und gleichzeitig den Wert der Gebäude und der Geräte zu erhalten.
Eine luftdichte Umhüllung des Reinraums zur Reinraumfassade hin wird mit besonders hohen bautechnischen und reinraumspezifischen Maßnahmen unter Berücksichtigung aller spezifischen Objekt-, Umgebungs- und Prozessbedingungen erreicht. Selbst bei extremen Witterungsbedingungen und unter speziellen Prozessbedingungen müssen die Reinraumanforderungen gewährleistet sein.
Reinraumfassaden sind i. d. R. als grossflächig verglaste Einheiten angelegt, deren natürlicher Lichteinfall die Beleuchtung einspart. Aber auch gute Sonnenstore müssen als Schutz vor Überwärmung integriert werden.
Anlagen, Geräte und Bauteile dürfen die laminare Luftströmung nur minimal stören. Die im Reinraum eingesetzten Materialien müssen aus abriebfesten Oberflächen bestehen. Alle eingesetzten Bauteile sollten wartungsarm sein.
Nachhaltiges Energie- und CO2-Management
Der Unterhalt von Gebäuden verursacht fast die Hälfte der gesamten CO2-Emissionen in der Schweiz. Die Reduktion von CO2-Emissionen und ein nachhaltiger Umgang mit Energie gehören daher zu den größten Herausforderungen für Pharmaunternehmen. Steigende Energiepreise und strengere Umweltauflagen motivieren die Branche zur energetischen Erneuerung von Gebäuden und Anlagen.
Ein Gebäudeplanungsunternehmen, muss stets neue Lösungen für eine Optimierung des Energiehaushalts und den Ressourcenverbrauch entwickeln. Voraussetzung für einen energieeffizienten Betrieb von Gebäuden ist eine intelligente Steuerung der Gebäudeautomation. Bei steigenden Energiepreisen ergeben sich daraus attraktive Kosteneinsparungen für die Kunden.
Der technische Fortschritt erfordert neue Produktionsbedingungen – auch im Bereich Reinraum. Nur in einem gut konzeptionierten Reinraum gelingt es unter kontrollierten Bedingungen, keim- und partikelfreie Produkte zu produzieren und unnötige Schnittstellen, die häufig Quellen für Fehler sind, zu vermeiden. Gute Reinraumkonzepte garantieren nicht nur den Betrieb unter optimalen Bedingungen, sondern auch solche für den Energiehaushalt und für Investitions- und Betriebskosten.
Insbesondere sollten auch energieeffiziente Beleuchtungssysteme mit in das energetische Gesamtkonzept einbezogen werden. So lassen sich Einsparpotenziale im Bereich von einigen Prozent erzielen. Damit bietet die energetische Optimierung im Reinraum nicht nur Vorteile im Sinne des Umweltschutzes. Vielmehr lässt sich auch ein beachtliches Einsparpotenzial bei den hohen Betriebskosten erreichen.
Reinraumtaugliche Maschinen allein sind nicht ausreichend, um den Produktionsprozess auf den gewünschten Energielevel zu bringen. Dazu ist ein ganzheitlicher Ansatz erforderlich, der Synergien ausschöpft und Gebäudetechnik, Klima und Belüftung, Logistik, Zulieferer und nicht zuletzt das Personal einbezieht.
Die Liste möglicher Fehlerquellen im Reinraum ist lang. Sie kosten Energie und müssen daher komplett abgearbeitet werden, um ein optimales Ergebnis zu erzielen. Viele Anstrengungen werden zunichte gemacht, wenn die Produktionsanlagen optimal eingefahren werden, gleichzeitig aber Mitarbeiterschulungen wegrationalisiert werden. Denn der schlechteste Parameter in der Produktionskette bestimmt das Ergebnis.
Planung ist alles
Bei der Planung eines Projekts unter reinraumtechnischen Bedingungen ist eine kompromisslose Produktanalyse unter Berücksichtigung der einschlägigen Richtlinien und Verordnungen notwendig. Ausreichend Zeit für die Vorbereitung ist einzuplanen. Es gibt keinen standardisierten Reinraum und eine ungenügende Planung rächt sich bald einmal. Wichtig ist dabei, die beste Kombination aus Aufwand und Nutzen zu finden.
Eine gewissenhafte qualitätsbezogene Inbetriebnahme und Abnahme in Verbindung mit einer Messung des Differenzdrucks der einzelnen Räume und einer Überprüfung der Lüftungsanlagezahlt sich rasch wieder aus.
An der Planung sind mehrere Experten zu beteiligen: Neben Vertretern des Verarbeiters gehören Reinraumexperten, Fachleute für die Montage und den Betrieb und der Materialversorgung dazu.
Durch den Gesetzgeber sind streng definierte Energieeffizienzstandards vorgegeben. Die europäische Energieeffizienzrichtlinie muss in allen EU-Ländern nach DIN EN ISO 50001 umgesetzt werden. Das Regelwerk ISO 14644 umfasst die Planung und den Betrieb wie auch die Kontrolle der Reinräume, Reinraumbereiche und Reinraumtechnik sowie von Prozessen, die im unmittelbaren Zusammenhang damit stehen. Das Regelwerk VDI 2083 ist das Ergebnis der Richtlinienarbeit des Vereins Deutscher Ingenieure. Die VDI-Richtlinien beschreiben sehr detailliert den aktuellen Stand der Technik. Ziel dieser Normen ist es, Unternehmen beim Aufbau von Systemen und Prozessen zur Verbesserung ihrer Energieeffizienz zu unterstützen und die Allgemeinheit und die Umwelt zu entlasten.
Energiesparmaßnahmen dürfen niemals die GxP Bestimmungen verletzen. GxP liefert dabei die Grenzwerte, innerhalb derer die Prozessvariablen frei gewählt werden können. Der Prozessrahmen sollte dabei immer etwas enger gewählt werden als die GxP-Werte, damit der GxP-Rahmen nicht überschritten wird. Besonders in der Pharmaindustrie sind die einzuhaltenden Normen vordringlich zu beachten. Eine umfangreiche Dokumentierung der Planung und der Ausführung erleichtert spätere Eingriffe in die Anlagen und deren Funktionsabläufe.
Energieffizienzmaßnahmen
Darüber hinaus ist ein interdisziplinärer Ansatz für Reinräume unerlässlich, um eine Reduktion des Energieaufwandes im Betrieb zu erreichen, was meist gleichzeitig zu einer Reduktion von Betriebskosten für Energiebereitstellung führt. Im Reinraum hängt eins mit dem anderen zusammen, die einzelnen reinraumtechnischen Teilbereiche sind eng miteinander verknüpft. Daher bleiben nachträgliche Korrekturen, die an einer Stelle vorgenommen werden, nicht ohne Folgen für die anderen Systeme.
Energieeinsparpotenziale im Reinraumbereich sind hoch, insbesondere bei HVAC-Anlagen. Die Einsparpotenziale können realisiert werden, wenn Planung, Ausführung, Inbetriebnahme und Betrieb aufeinander abgestimmt sind.
Energieeffizienz ist dauerhaft nur dann gewährleistet, wenn ein kontinuierliches Energie-Controlling der Anlagen stattfindet und nach der Beseitigung ineffizienter Betriebsweisen die Energiesparerfolge überprüft werden. Das Ignorieren der Probleme bei einem fehlerhaften Filtermanagement z. B. kann dramatische Auswirkungen auf die Luftqualität im Innenbereich, auf Energiekosten, auf Arbeitskosten und die Klimakontrolle