Endlich tief durchatmen - High-End Maschinen ermöglichen Massenfertigung eines innovativen Inhalationssystems
19.01.2017 -
Das deutsche Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim setzt bei der Produktion seiner Inhalatoren zur Linderung von Atemwegserkrankungen auf Hochpräzision aus dem Hause GF Machining Solutions. Millionen Patienten weltweit gewinnen dank innovativer Mikrofertigung deutlich an Lebensqualität.
Es passiert meist ganz plötzlich: Die Betroffenen fühlen eine Enge in der Brust, es kommt zu Atemnot, Husten und Kurzatmigkeit. Schätzungen zufolge gibt es weltweit über 500 Mio. Menschen, die unter den chronischen Lungenerkrankungen Asthma und COPD (chronic obstructive pulmonary disease) leiden. Doch fortschrittliche Präparate lindern heutzutage die Beschwerden und verbessern die Lebensqualität. So tragen Asthmatiker und COPD-Patienten ständig ein Inhalierspray bei sich, mit dem sich die Bronchien während eines Anfalls wieder weiten lassen. Luftrettung im Hosentaschenformat.
Pioniere der Pneumologie
Das Familienunternehmen Boehringer Ingelheim leistet auf dem Gebiet der Atemwegserkrankungen seit Jahrzehnten Pionierarbeit. Jüngster Ausdruck dieser Innovationskraft ist der Respimat-Inhalator. Anders als herkömmliche Zerstäuber, die meist mit Treibgas arbeiten, nutzt dieser ein System aus mikrostrukturierten Bauteilen. Die winzigen Komponenten erzeugen eine feine und langsam ausströmende Sprühwolke, wodurch die Wirkstoffe auch in die kleinsten Bronchienäste gelangen. Eine Erfolgsgeschichte: 44 Mio. jährliche Produktionskapazität an Inhalatoren hat das Unternehmen mittlerweile am Standort Dortmund aufgebaut, Tendenz steigend.
Wesentlichen Anteil an der Massenfertigung des Inhalationssystems haben dabei Maschinen des Schweizer Werkzeugmaschinen-Herstellers GF Machining Solutions. Die hochpräzisen Anlagen stehen nicht im Ingelheimer Stammwerk des Pharma-Unternehmens, sondern im Herzen des Ruhrgebiets. Das Werk Boehringer Ingelheim microParts zählt mit rund 700 Beschäftigten zu den größten Arbeitgebern des Technologieparks Dortmund.
Ingenieure im Dienst der Pharmazie
Frank Hütten hat den beeindruckenden Aufstieg des Dortmunder Standorts miterlebt und mitgestaltet. Im Jahr 2001 stieg der Maschinenbauingenieur in das noch junge Unternehmen ein, drei Jahre vor der Übernahme durch Boehringer Ingelheim. Heute ist er Head of Engineering Tooling & Prototyping im Werk Dortmund. „Wir sind der Ingenieurs-Standort im Boehringer-Ingelheim-Unternehmensverband“, sagt Hütten, der die Anschaffung der neuen Maschinen maßgeblich vorangetrieben hat. „Zuvor konnten wir mit externen Zulieferern gerade mal 25 Mio. Inhalatoren im Jahr fertigen, heute können wir fast das Doppelte produzieren.” Hütten erklärt den Grundgedanken des Unternehmens so: „Der Weg von der Vision zur Mission führt uns immer zu einer zentralen Frage: Welche Umsetzungsstrategie verfolgen wir? Wie steigern wir die Effizienz in der Produktion, bei möglichst konstantem Personaleinsatz und ohne kostspielige Ausweitung der Maschinenkapazitäten?“
High-End-Maschinenpark für die Herstellung von Spritzgusswerkzeugen
All diese Fragen konnte der Dortmunder Standort von Boehringer Ingelheim dank neuster Maschinen zufriedenstellend beantworten: „In der Herstellung der Respimat-Spritzgusswerkzeuge kommt jetzt die High-End-Palette unserer Kerntechnologien zum Einsatz: Eine Senkerodiermaschine AgieCharmilles FORM 1000, eine Drahterodiermaschine AgieCharmilles CUT 1000 sowie zwei hochpräzise 5-Achs-Highspeed-Fräsmaschinen vom Typ Mikron HSM 200U LP. Die beiden Fräsmaschinen verfügen zudem über eine ausgeklügelte Automationslösung, die dank eines Palettenwechsler-Systems von System 3R erhebliche Produktivitätssteigerungen ermöglicht“, erklärt GF-Verkaufsingenieur Jörn Köhler. Die Anschaffung dieser Maschinen war selbst für ein Unternehmen der Größe von Boehringer Ingelheim nicht trivial. Doch es war eine lohnende Investition, wie Hütten zu erklären weiß: „Zuvor wurden all die Komponenten für unsere Spritzgusswerkzeuge von Lieferanten gefertigt. Jetzt können wir die entscheidenden Komponenten intern herstellen.“ Rund ein Jahr nach der Inbetriebnahme der neuen Anlagen überzeugen die Ergebnisse bereits auf ganzer Linie: „Wir tauschen die entscheidenden Kernsätze der Spritzgusswerkzeuge in der Regel nach 170.000 Schuss aus, um stets den sehr hohen Qualitätsansprüchen zu genügen. Heißt im Umkehrschluss: Wir benötigen beim aktuellen Produktionsvolumen von 44 Mio. Inhalatoren rund 260 Kernsätze im Jahr. 5.500 konturgebende Bauteile fertigen wir jetzt pro Jahr – und das in zuvor unerreichter Qualität und Kosteneffizienz. Auch unsere Liefertreue erreicht jetzt mit 94,4 % Rekordwerte“, erklärt Hütten. Insourcing statt Outsourcing – so heißt die erfolgreiche Devise bei Boehringer Ingelheim microParts. „Der schnelle Return-on-Invest hat uns selbst überrascht, zumal wir mit relativ hohen internen Stundensätzen kalkulieren“, so der Bereichsleiter.
Partnerschaftliche Zusammenarbeit und Prozessberatung
Hütten lobt auch den Anschaffungsprozess: „Vor der Investitionsentscheidung haben wir GF Bauteile vorgegeben und dann in der Schorndorfer Deutschland-Zentrale von GF Tests gefahren, und zwar mit unseren eigenen Mitarbeitern und Programmen. So konnten wir gemeinsam mit den Experten von GF ein effizientes und präzises Vorrichtungs- und Automatisierungskonzept ausarbeiten, das wir letztendlich als Komplettsystem bestellt haben. Die Entwicklung erfolgte Hand-in-Hand.“
Köhler ergänzt: „Zuvor konnte der Kunde nur ein Teil je Maschine fertigen, jetzt kann das Team um Frank Hütten mit einer acht-beziehungsweise 16-fachen Aufspannung arbeiten. Das führt zu einer signifikanten Produktivitätssteigerung.“ Dank der Automation sind die Maschinen zudem quasi im Dauereinsatz: „Wir nutzen die beiden Tag-Schichten, um die Maschinen zu rüsten. Über die 24 Stunden laufen sie produktiv 12 bis 16 Stunden. Das ist ein echter Wettbewerbsvorteil“, so der Ingenieur.
Kompakte und präzise Bearbeitungszentren
GF Machining Solutions konnte zudem mit zwei wichtigen Vorteilen punkten. Zum einen war die Kompaktheit der Maschinen ausschlaggebend, da im Zuge des rasanten Ausbaus der Respimat-Produktion in den letzten Jahren auch der Platz im Dortmunder Werk von Boehringer Ingelheim immer knapper geworden ist. „Die Maschinen von GF bieten große Bauräume bei geringen Aufstellmaßen“, lobt Hütten. Zum anderen war die hohe Präzision der Geräte entscheidend. „Unsere Mikro-Spritzgusswerkzeuge müssen mit dem thermoplastischen Kunststoff PEEK (Polyetheretherketon) zurechtkommen. Bei einer Einspritztemperatur von weit über 300 °C ist PEEK dann flüssig wie Wasser, deshalb müssen die Werkzeuge absolut dicht sein. Wir können uns also nur Toleranzen von unter 3 µm erlauben“, führt Hütten aus. Mit seinen stahlähnlichen Eigenschaften sorgt der Werkstoff PEEK dafür, dass die Zentralbaugruppe Respimat beim Aufbau des Zerstäubungsdrucks nicht reißt. Das flüssige Medikament wird über eine Feder bei rund 250 bar Druck durch eine winzig kleine Düse gepresst. Dabei entsteht eine feine Sprühwolke aus rund 230 Mio. Tröpfchen in Mikrometergröße, die auch die letzten Winkel der Atemwege erreicht. Und so sorgen die High-End-Maschinen von GF Machining Solutions dafür, dass Menschen auf der ganzen Welt wieder tief durchatmen können.
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