Endlich Bewegung, wenn man wollen würde!
Kolumne Perspektivenwechsel von Prof. Carsten Suntrop
Der Markt der Standortbetreiber ist zu einem großen Teil räumlich sehr begrenzt, Lieferanten-/ Kundenbeziehungen sind wenig volatil und die Wettbewerbsdynamik ist nicht zu hoch. Dies hat sehr positive Auswirkungen für die Kunden an den deutschen und europäischen Chemiestandorten.
Die Gestaltung der Preise kann langfristig stabil erfolgen und der Betreiber des Chemiestandortes kann sich auf die Reduktion des Risikos im Rahmen der Produktion von chemischen Stoffen konzentrieren. Andererseits existiert natürlich die Gefahr, dass Situationen ohne erhöhten Wettbewerbsdruck im Chemiestandortmarkt keine Anreize zur Weiterentwicklung besitzen. Hier gilt, je höher die äußere und innere Komplexität in einer Organisation, desto höher müssen und werden die Fähigkeiten der Organisation sein, um diese Komplexität zu bewältigen. Und jede Führungskraft, die bereits versucht hat, in einem stabilen, ertragreichen Umfeld ohne Bedrohungsszenarien die eigene Organisation dynamisch weiter zu entwickeln, kennt das Phänomen der Verharrung und Widerstandsfähigkeiten seiner exzellenten Mitarbeiter. Da jedoch auch der Großteil der Eigentümer der deutschen Chemiestandorte das Geschäft nicht als Kerngeschäft in ein überproportionales Wachstum führen wollen, ist auch von der internen Seite der Chemiestandortbetreiber keine große Dynamik zu erwarten bzw. war nicht zu erwarten.
Jetzt gibt es endlich wieder strukturelle Bewegung im europäischen Chemiemarkt. Die Ausgründung von großen Spezial- und Basischemiegesellschaften ist angekündigt und an anderer Stelle entstehen neue eigenständige Gesellschaften, auch für die Standortservices. Dies darf den Kritikern des wettbewerbsgeringen Marktsegmentes Chemiestandorte Mut machen, dass neue Ideen zur strategischen Weiterentwicklung des Chemiestandortmarktes auch in die Überlegung von Ausgründungen und Neustrukturierungen einfließen. Man könnte eine Perspektive einnehmen, wo beispielsweise Standortgesellschaften unternehmensübergreifend zusammengeführt werden und aus Größenvorteilen mit mehr als 20-30 deutschen Chemiestandorten in einer Gesellschaft europäische einzigartige Wettbewerbsvorteile erzielen.
Diese Vorteile kommen dann natürlich den Kunden an den Chemiestandorten zu gute. Es könnten aus dieser Zusammenführung sicherlich auch riesige Lerneffekte im Umgang mit hochkomplexen Standortdienstleistungen entstehen oder einfach nur eine bessere Auslastung von existierender Infrastruktur. Diese Bewegung würde neue Anreize zur Erzielung einer höheren Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu anderen internationalen Chemie-Clustern ermöglichen. Eine andere Perspektive zu diesen heterogenen Geschäftsmodellen ist die Zusammenführung von funktionalen Leistungsbereichen wie Technik, Entsorgung oder Logistik. Diese könnten dann sogar mit starken Wettbewerbspartnern ihre Kernkompetenz in eine europäische oder internationale Top Player-Rolle überführen. Hochattraktive Perspektiven für die Chemiestandortbetreiber.