Eine Frage der Chemie
Chemielogistik: Kleine Logistikdienstleister haben Potential zu großen Leistungen
Mehr als in vielen anderen Branchen bestehen in der chemische Industrie hohe Anforderungen an Sicherheit, Gesundheit, Umweltschutz und Qualität. Dies gilt nicht nur für die Produktion, sondern auch für die Logistik. Logistikdienstleister müssen diesen Anforderungen bei der Erbringung ihrer Leistungen für die chemische Industrie mit ihren vielen unterschiedlichen Produkten, die von Grundsubstanzen bis hin zu Lebens- und Futtermitteln reichen und auch oftmals gefährliche Güter enthalten können, ebenfalls auf demselben hohen Niveau entsprechen. Dies betrifft nicht nur Transporte, sondern die gesamte Warenmanipulation, also etwa die Ein- und Auslagerung, Kommissionierung, Verpackung oder Verladung bis hin zur Qualitätsprüfung.
Die chemische Industrie benötigt für ihre Rohstoffe und Fertigerzeugnisse oftmals große Logistik-Kapazitäten. Die Transportrelationen erstrecken sich dabei meist auf mehrere Werke und unterschiedliche Länder. Da steigender Kostendruck die chemische Industrie zu höherer Effizienz bei der Transportvergabe sowie zum Einkauf von Transporten zu möglichst geringen Frachtraten treibt, werden die Volumina immer öfter im Rahmen hoch-standardisierter, elektronisch unterstützter Ausschreibungsverfahren vergeben. Die stärkere Bündelung der Volumina erlaubt, einen größeren Preisdruck auf die Logistikdienstleister auszuüben. Zudem streben Verlader mit solchen Ausschreibungspraktiken eine Reduktion der Dienstleisterzahl an, um die Komplexität bei der Dienstleister-Steuerung und damit die Transaktionskosten zu reduzieren. Dabei wird bevorzugt nach Logistikdienstleistern mit großen Flotten gesucht, um die Risiken punktuell knappen Frachtraums zu senken.
Detaillierte Leistungsbeschreibungen legen explizit die Qualitätsmaßstäbe der chemischen Industrie fest und zwar nicht allein für die Transportdurchführung (z.B. bzgl. Equipment, Laufzeiten, Ladungssicherung, Handling), sondern auch für die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften im Hinblick auf Sicherheit, Gesundheit und Umweltschutz sowie den gesamten Auftragsabwicklungsprozess (z.B. Auftragsannahme, Tracking&Tracing, Zeitfensterbuchung) und teilweise sogar für die Nutzung von IT-Systemen oder Internet-Plattformen. Vielfach werden Qualitätsmanagementsysteme vorausgesetzt, die mindestens nach DIN EN ISO 9001 oder SQAS zertifiziert sind. Darüber hinaus sind Logistikdienstleister mit expliziten Anforderungen im Hinblick auf Volumenschwankungen konfrontiert. Sie müssen die Abnahme der Transporte auch bei höheren als der zu erwartenden Volumina gewährleisten, haben allerdings oft keinen Anspruch auf Kompensation, sofern die Transportmenge kleiner ausfällt als erwartet.
Leistungsanforderungen und flexible Prozesse
Die Logistikdienstleister stehen damit generell im Spannungsfeld zwischen erhöhten Leistungsanforderungen und gleichzeitigem Druck auf die Margen. Auf der Angebotsseite lohnt sich ein differenzierter Blick: denn die Anforderungen nach immer höheren Sicherheitsstandards lassen sich im realen Geschäft nicht nur über anonyme elektronische Plattformen abbilden. Während große Dienstleister in der Regel diese Plattformen professionell mit darauf ausgerichteten Experten bedienen, können die kleineren Dienstleister stärker mit den Persönlichkeiten der Geschäftsleitungsmitglieder punkten. Die persönliche Integrität und Flexibilität dienen nicht nur zum Vertrauensaufbau, sondern erlauben auch eine schnelle und effiziente Prozessorganisation. Dies wird häufig bei hochstandardisierten Ausschreibungsplattformen nicht ausreichend gewährleistet.
Die Erwartung von großen Verladern, dass ein Dienstleister umfassende Aufträge mit einer eigenen Flotte abdecken kann, muss nicht zwingend zum Nachteil der kleinen Dienstleister ausgelegt werden. Denn diese verfügen oftmals über flexibel skalierbare Netzwerke von Subunternehmern, die der Geschäftsführung persönlich bekannt sind und deren Qualitätsvorgaben einhalten können. Die Flexibilität der Tourenplanung bei den großen Logistikdienstleisten im Hinblick auf kurzfristigen zusätzlichen Kapazitätsbedarf eines Kunden ist oft begrenzt, da vielfach aufgrund der Hub-and-Spoke-Strukturen feste Verladepläne existieren. Zudem ist für die Disposition häufig die jeweilige Länderniederlassung zuständig, die aus ihrem Blickwinkel über Touren- und Fahrzeugeinsatzplanung entscheidet.
Bei den großen Logistikdienstleistern können außerdem die internen Entscheidungswege und die externen Reaktionszeiten vergleichsweise lang sein, denn in die Informationsketten und die Kommunikation von derjenigen Business Unit des Dienstleisters, die den Auftrag entgegennimmt, bis hin zu den einzelnen Niederlassungen, die den Transport letztlich ausführen, sind häufig viele Personen eingebunden. Der eigene Fuhrpark bildet einen großen Fixkostenblock und kann nicht beliebig schnell ausgeweitet werden. Insofern können bei steigender Nachfrage nach Frachtraum, insbesondere im Hinblick auf die häufig stark unterschiedlichen Anforderungen der chemischen Industrie an das Equipment und die Transportabwicklung, vielfach nicht sofort alle beauftragten Mengen durch die großen Dienstleister mit der eigenen Flotte abgefahren werden.
Kleine Spezialisten können punkten
Wenn „die Chemie zwischen Auftraggebern und kleinen Logistikdienstleistern stimmt", können „Die Kleinen" hier punkten: Denn durch kurze Entscheidungswege, einen direkten Draht zu den persönlichen Ansprechpartnern in der Disposition und viel persönliches Engagement kann für den Kunden vieles möglich gemacht werden, wie das Beispiel der internationalen Spedition Heinrich Maters zeigt. Dieser Anbieter hat sich auf den Transport chemischer Güter spezialisiert und arbeitet mit vielen langjährigen zuverlässigen Partnern zusammen, die allesamt Spezialisten für bestimmte Länder, Regionen, Güterarten oder Fahrzeugtypen sind. Die Ergänzung der eigenen Flotte um freien Laderaum für Teil- und Komplettladungen erfolgt nach Bedarf.
Beispielsweise werden in Nordfrankreich zwei französische, ebenfalls mittelständische Partnerunternehmen eingesetzt, die sich auf Direkttransporte chemischer Produkte von und in diese Region konzentrieren, dadurch auch kurzfristig über Kapazitäten verfügen, entsprechende Rückladungsoptionen haben und sich an den relevanten Be- und Entladestellen auskennen. Kurze Kommunikationswege erlauben eine schnelle Reaktionsfähigkeit. So kann den Leistungsanforderungen der Kunden der chemischen Industrie z.B. im Hinblick auf kurze Laufzeiten und kurzfristige Veränderungen der Transportvolumina, aber auch im Hinblick auf Sonderfahrten und die Bereitstellung von Frachtraum „same day" in hohem Maß entsprochen werden. Über die Partner wird schnell das jeweils am nächsten bei der Ladestelle verfügbare, zum jeweiligen Auftrag passende Fahrzeug bereitgestellt. Der Kunde wird über den Auftragsstatus und den Prozessablauf jederzeit persönlich informiert.
Die Verteilung der Güter über Hubs wird in der Regel vermieden, es sei denn, der Kunde wünscht dies, z.B. aus preislichen Gründen. Denn das Prinzip der Direktverladung reduziert das Risiko von Schäden beim Umladen und verkürzt außerdem die Laufzeiten. Um den Anforderungen der Verlader nach Sicherheit, Gesundheit, Umweltschutz und Qualität zu entsprechen, hat das Unternehmen Heinrich Maters sein Qualitätsmanagementsystem nach DIN EN ISO 9001:2008 und SQAS zertifizieren lassen. 2013 wurde erstmals auch der Bereich GMP im Assessment berücksichtigt, um noch besser der Produktvielfalt der Chemie begegnen zu können. Im Zuge des QM-Systems wurde auch ein eigenes Evaluierungssystem für die Partner entwickelt, die meisten der Partner sind ohnehin ebenfalls zertifizierte Unternehmen.
Der direkte Draht zum kleinen Dienstleister mit Spezialisierung auf bestimmte Regionen, eine „gute Chemie" in der Geschäftsbeziehung und die kurzen Kommunikationswege können in Zeiten zunehmender Laderaumverknappung ein Plus sein, um die logistischen Leistungsanforderungen der chemischen Industrie zu erfüllen.