Durchgängige Daten von der Konstruktion bis zum Betrieb
Siemens Industry und Bentley Systems kooperieren bei Engineering-Systemen
Um die Integration von 2D- und 3D-Daten über den gesamten Lebenszyklus des Prozesses zu gewährleisten, kooperieren Bentley Systems und Siemens Industry und arbeiten an einem durchgängigen Datenaustausch zwischen OpenPlant und Comos. CHEManager erkundigte sich bei Anne-Marie Walters, Global Marketing Director bei Bentley Systems Industrial Process & Operations nach Hintergründen und Zielen dieser Zusammenarbeit. Dr. Volker Oestreich stellte die Fragen.
CHEManager: Frau Walters, können Sie bitte in wenigen Worten die Funktionen von Open Plant für die Prozessindustrie zusammenfassen und den strategischen Ansatz erläutern, den Bentley Systems mit diesem Produkt bzw. dieser Lösung verfolgt?
A.-M. Walters: OpenPlant ist ein skalierbares 2D/3D-System für den Entwurf und die Planung von Anlagen. In seiner Version V8i ist es bei Auftragnehmern in den Bereichen Anlagenentwurf, Beschaffung und Bau sowie bei Anlagenbetreibern weit verbreitet. OpenPlant V8i bietet Projektteams eine erweiterte Datenmobilität bei der gewerkeübergreifenden Koordination sowie einen längeren Lebenszyklus der Infrastruktur durch die kombinierte Verwendung von iRING/ISO 15926 sowie i-models - Container für den offenen Austausch von Infrastrukturdaten.
Welche Bedeutung hat die Zusammenarbeit mit Siemens, die Sie bei der Messe Hannover 2013 bekannt gegeben haben und wie ergänzen sich die Softwaretools von Siemens und Bentley?
A.-M. Walters: Beide Unternehmen verfolgen das Ziel einer Steigerung der Interoperabilität zwischen der technischen Planungssoftware Comos von Siemens und dem 2D/3D-System OpenPlant von Bentley für Entwurf und Planung von Anlagen. Comos liefert einzigartige industriespezifische Lösungskonzepte für den gesamten Lebenszyklus der Anlage in einer standardisierten, objektorientierten Datenplattform. Durch den bidirektionalen Datenaustausch von Comos zwischen Grafik und Datenbank werden Inkonsistenzen vermieden und jederzeit eine aktuelle und auf Bestandsdaten basierende Darstellung der Anlage gewährleistet.
Welche Ziele haben Sie sich für die Zusammenarbeit mit Siemens gesteckt und in welchem zeitlichen Rahmen bewegen sich diese?
A.-M. Walters: Wir wollen den Anwendern ein System anbieten, mit dem Erfassung, Austausch und weitere Nutzung von Daten und Informationen über den gesamten Lebenszyklus der Anlage möglich ist, in allen Bereichen von der Konstruktion bis zum Betrieb der Anlage. Neben der kohäsiven Verbindung von Comos und OpenPlant soll diese Kollaboration auch bezwecken, dass die Anwender Zugang zu weiteren Bereichen erhalten, die durch das Bentley-Portfolio unterstützt werden, zum Beispiel Heiz- und Klimaanlagen, Konstruktionssimulation, Cable and Raceway-Management, Fördertechnik, Stahlkonstruktion und Laser-Scanning.
Wir planen, die ersten Prototypen für die Prozessindustrie im Oktober vorstellen zu können. Dann sollen die ersten Pilotprojekte Ende 2013 beginnen, gefolgt von der kommerziellen Bereitstellung der Produkte. Noch können wir nicht sagen, wann genau das sein wird, da sehr viel von der Pilotphase abhängt, die hinsichtlich der Feineinstellung aller Verbindungen und der Optimierung der Arbeitsprozesse äußerst wichtig ist. Wir sind bereits mit den Endbenutzern in Kontakt, um herauszufinden, was diese zur weiteren Verbesserung ihrer Arbeitsabläufe benötigen, und wir wissen aus Erfahrung, dass die Testphase immer verbesserungsfähige Bereiche offenlegt. Und basierend auf unserer erfolgreichen Zusammenarbeit mit der Automobilindustrie bin ich sicher, dass wir relativ schnell ein gutes Produkt anbieten können.
Wie genau wird die Schnittstelle zwischen OpenPlant und Comos aussehen?
A.-M. Walters: Durch die Verwendung des ISO 15926-konformen i-model zur Verbindung von OpenPlant und Comos koppeln Bentley und Siemens das 2D-Prozessdesign mit dem 3D-Anlagenaufbaulayout und -design für technische Planung, Beschaffung und Bau.
Der Benutzer freut sich natürlich über die Interoperabilität, jedoch stellt sich die Frage, wie dies praktisch funktioniert - bei der Kollaboration von Bentley Systems und Siemens stehen sich zwei völlig unterschiedliche Firmenphilosophien gegenüber.
A.-M. Walters: Unsere Philosophien sind nicht so verschieden, wie man denken mag. Bentley und Siemens arbeiten bereits seit Jahren auf grundlegender technologischer Ebene zusammen, und vor kurzen hat Bentley das JT-Datenformat von Siemens in MicroStation integriert, das zur Freigabe mechanischer 3D-Daten weit verbreitet ist. Dies ermöglichte auch, dass JT Open MicroStation-Elemente lesen kann, sodass diese beiden Software-Umgebungen noch enger miteinander arbeiten können. Bentley und die Industrie-Automation Sparte von Siemens haben schon im November letzten Jahres eine strategische Zusammenarbeit für die Factory-Automation vereinbart, um die Integration digitaler Produkt- und Fertigungsprozessdesigns mit Datenmodellierung für die Lebenszyklusauslegung von Anlagen zu verbessern, wodurch unsere beiden Unternehmen eine intelligente und nachhaltige Digital Factory-Infrastruktur bereitstellen. Die Ausweitung unserer strategischen Kollaboration konzentriert sich jetzt auf den Bereich der Prozessindustrie mit den Bereichen Chemie, Energie, Pharma sowie Öl und Gas.
Sie wollen die Umsetzung der Interoperabilität im gesamten Prozesslebenszyklus sicherstellen. Wie kann dies mit zwei in der Entwicklung befindlichen Softwaresystemen von zwei verschiedenen Unternehmen und folglich zwei verschiedenen Versionsstufen funktionieren, besonders wenn man berücksichtigt, dass der Lebenszyklus von Prozessanlagen sehr lang ist?
A.-M. Walters: Beide Unternehmen streben eine Interoperabilität durch offene Standards an, in diesem speziellen Fall durch die Nutzung von iRING/ISO 15926 und i-models. Die Verwendung frei zugänglicher offener Standards ermöglicht unseren Entwicklungsteams, sich auf die Verbesserung der Funktionalität und der Arbeitsabläufe zu konzentrieren, anstatt sich Gedanken über das Mapping oder die Handhabung proprietärer Formate machen zu müssen
Wird hierdurch nicht die Flexibilität hinsichtlich der weiteren Entwicklung von OpenPlant eingeschränkt?
A.-M. Walters: Nein, wir entwickeln OpenPlant kontinuierlich weiter, um die wichtigsten Plattformen von Bentley, zum Beispiel i-models, nutzen zu können, wodurch Anwender von zahlreichen Optionen für die Datenmobilität profitieren, vom Entwurf bis zum Bau und zur Übergabe an den Betreiber. Kürzlich haben wir Version Select Series 5 der OpenPlant-Funktionen veröffentlicht und unsere Arbeit gerade erst mit der nächsten Welle größerer Funktionen fortgesetzt.
Wie offen ist OpenPlant für andere Systeme - nicht alle Ihrer Kunden werden Comos verwenden?
A.-M. Walters: Bentley beschäftigt sich mit der Interoperabilität von Software und Systemen und mit der Zusammenarbeit mit weiteren Anbietern, um sicherzustellen, dass die Daten unserer Anwender wiederverwendet und unter verschiedenen Branchen und Projektteilnehmern sowie während des gesamten Lebenszyklus der Infrastruktur ausgetauscht werden können. Wir sind immer offen für eine Zusammenarbeit mit anderen Anbietern, die dieselben Ziele haben und offene Standards wie ISO 15926 unterstützen.