Downstream-Processing: Industrielle chromatographischer Verfahren für die Bioprozesstechnik
20.01.2011 -
Downstream-Processing: Industrielle chromatographischer Verfahren für die Bioprozesstechnik - In vielerlei Hinsicht stellen die vergangenen 30 Jahre einen bedeutenden Wendepunkt in der Biotechnologie-Branche dar. Nach einem Jahrzehnt der Enzymisolierung und -studie machte die biochemische Forschung im Bereich der molekularen Biologie rapide Fortschritte.
Unsere Fähigkeit, Zellmechanismen auf der Ebene ihrer Nukleinsäure zu manipulieren, kam durch die Benutzung von Restriktionsenzymen und vorwiegend von E. coli stammenden Bakteriensystemen sprunghaft voran und fand seinen Höhepunkt in der Anwendung rekombinanter DNA-Technologie zur Erstellung von Proteinen in Bakterien und Hefen. Auch die Entdeckung von Hybridom-Techniken und den ersten rekombinanten monoklonalen Antikörpern, die von Tumorzellen in der Aszitesflüssigkeit von Mäusen produziert wurden, fand in diesem Jahrzehnt statt. Diese beiden Bereiche sollten die Grundlage für alles Nachfolgende bilden. Nach 30 Jahren reiner Forschung über die chemische Zusammensetzung des Lebens, mit der die Stoffwechselwege, hormonelle Mechanismen und der genetische Code erschlossen wurden, verfügte man nun über das Handwerkszeug, welches die Fertigung klinisch nutzvoller Peptide und Proteine auf industrielle Weise ermöglichte. Die Schlüsseltechnologie, die uns dies ermöglichte, war - abgesehen von der Gen- und Zelltechnologie - unsere Fähigkeit, Proteine aufzureinigen.
Up- und Downstream
Chromatographische Techniken zur Isolierung großer biologischer Moleküle, wie Plasmaproteine, Zellenzyme, Hormone und Rezeptoren, wurden zwischen 1960 und 1980 entwickelt und verfeinert. Das Vorhandensein chromatographischer Medien, die auf Polysacchariden wie Zellulose, Dextran (Sephadex) und Agarose (Sepharose) basierten, ermöglichte das Studium molekularer Mechanismen durch Isolierung individueller Komponenten. Diese Anwendungen wurden in Tausenden von biochemischen Veröffentlichungen bekannt gemacht. Die Techniken der Ionenaustauschchromatographie und Gelfiltration (häufig auch als Größenausschlusschromatographie oder Gelpermeationschromatographie bezeichnet) wurden nicht nur für Forschungszwecke benutzt, sondern auch in der Industrie zur Gewinnung von hochreinem Insulin aus Extrakten tierischer Bauchspeicheldrüsen und zur Aufreinigung von wertvollen Proteinen aus menschlichem Plasma eingesetzt. Diese Verfahren gingen in die Branchengeschichte als „Downstream processing" ein und ermöglichten gemeinsam mit den Upstreamtechniken zur Manipulation von Zellen das goldene Zeitalter der biopharmazeutischen Entwicklung.
Genetisch modifiziertes Insulin, Wachstumshormone, gewebespezifischer Plasminogenaktivator, Erythropoietin, Hepatitis-B-Impfstoff und Alpha Interferon wurden mit großem Erfolg eingeführt. Der erste monoklonale Antikörper (Mab) zur klinischen Anwendung wurde 1986 im Markt eingeführt, doch der Erfolg, den wir heute in diesem Bereich beobachten können, wurde durch Fehlschläge in Verbindung mit dem menschlichen Anti-Maus-Antikörper verzögert, bis humanisierte und vollkommen menschliche Mabs produziert werden konnten.
Nichts von all dem wäre ohne die Fortschritte bei den Reinigungstechniken möglich gewesen, die im Verlauf der 1960er, 1970er und 1980er gemacht wurden. Pharmacia Fine Chemicals (das später Amersham und dann GE Healthcare wurde) entwickelte ein umfassendes Produktsortiment für Größenausschluss‑, Ionenaustausch-, hydrophobe Interaktions- und Affinitätschromatographie, einschließlich des ersten Protein A Chromatorgraphiemediums im Jahr 1975. Heute bildet der Protein A Affinitätsschritt das Rückgrat fast aller Downstream-Reinigungsplattformen für Mabs. Des Weiteren wurde in den 1980ern die auf beschichteten Silikapartikeln basierende Reversed-Phase-Chromatographie weiterentwickelt, deren Anwendung sich sowohl bei der präparativen Peptidreinigung als auch bei der Analyse als nützlich erwies. In Zusammenhang mit diesem Jahrzehnt muss man auch die FPLC erwähnen, welche die Proteinreinigung im Labormaßstab revolutionierte und eine schnelle Methodenentwicklung in den Entwicklungslaboratorien der Industrie von Thousand Oaks bis Biberach ermöglichte.
In industrieller Hinsicht wurden die Produkte durch eine Kombination aus orthogonalen Chromatographietechniken gereinigt, wobei typischerweise eine Reihe von Ionenaustauschverfahren mit hydrophober Interaktion oder Affinitätschromatographie kombiniert wurden. Zentrifugation und Filtration wurden zur Klärung auf Konzentration angewendet.
Steigende Anforderungen führten zu einer Weiterentwicklung der Downstream-Technologien. Höhere Durchflussraten wurden ebenso benötigt wie chemische Stabilität, insbesondere zur Durchführung der stark bevorzugten Reinigungsverfahren mit Natronlauge. Dies führte dazu, dass Sepharose Fast Flow zum Branchenstandard für Downstream-Reinigung wurde.
Was in den 1990ern folgte, war die allmähliche Verlagerung der Downstream-Reinigungsprobleme aus dem Bereich der Biochemie in den des Ingenieurwesens. Damit soll nicht gesagt werden, dass die Biochemie unwichtig wurde, sondern lediglich, dass die Vorgänge standardisiert wurden und die Anwendung von ingenieurtechnischen Prinzipien gestatteten. Das Reinigungsproblem verlagerte sich gewissermaßen von der Nadel, die im Heuhaufen gesucht wird, zu einem Haufen Nadeln, die von etwas Heu, mit dem sie bedeckt waren, befreit wurden. Der Grund hierfür waren Verbesserungen im Bereich der Expression, der Zelllinien und des Upstream-Produktions-Know-hows. Die Prozessentwicklung wurde rationalisiert und im Hinblick auf die Abtrennung spezifischer Unreinheiten systematisch optimiert. Biopharmazeutische Produkte wurden gereinigt, nicht chromatographiert. Kontrollsysteme wurden verbessert, Gerätespezifikationen wurden standardisiert und Plattformtechnologien entwickelt, die sich generischen Fragestellungen widmen. Hierzu gehört die Entfernung von Viren, Identifikation und Entfernung von Wirtszellproteinen (HCPs), Entfernung von Endotoxinen und die Beseitigung von Verunreinigungen, die möglicherweise während des Prozesses eingeführt wurden.
Gegenwart und Zukunft
In der Branche herrscht weiterhin Aubruchstimmung. Je mehr wir die molekularen Mechanismen der Physiologie und der Krankheiten verstehen, desto mehr können wir intervenieren und Krankheiten verhüten. Der Ansatz mit monoklonalen Antikörpern, der die körpereigene Abwehr nachahmt, hält noch viele erfolgreiche Therapien bereit. Sowohl das Up- als auch das Downstream-Processing hat sich bei allen Mab-Produzenten zu einer fortschrittlichen Biotechnologie entwickelt und die Lieferanten müssen sich anstrengen, um damit Schritt zu halten. Zellbasierte Produktionsmethoden werden der Impfstoffproduktion neue Impulse geben. SiRNAs könnten neue Perspektiven zur Behandlung von Krankheiten eröffnen und der therapeutische Einsatz von Stammzellen wird früher oder später revolutionäre Heilverfahren erschließen.
Im Bereich des Bioprocessing sehen wir einige Trends, die wir im Auge behalten sollten. Der Markt wird sich in zwei Bereichen entwickeln - groß angelegte ökonomische Produktion von Blockbuster und kleine, flexible Technologien für schnelles Experimentieren und effiziente Herstellung kleiner Mengen für Tests, klinische Studien und kleine Patientenpopulationen. Einweglösungen sind en vogue, aber das relevante Merkmal ist ready-to-process, d.h. direkt einsatzbereit. Diese Einsatzbereitschaft erlaubt die in einem modernen Betrieb erforderliche Agilität der Produktion. Up- und Downstream-Prozesse werden stärker integriert und industrieller, anstatt wie bisher separate Stufen mit komplexen Schnittstellen zu sein. Kontinuierliche Verbesserungen in der Chromatographie (Kapazität, Durchsatz und Qualität) und der Filtration werden durch zahlreiche Verbesserungen der Benutzerfreundlichkeit und Effizienz ergänzt. Die eingesetzte Hardware wird stärker automatisiert sein und mehr Feedback und In-Process-Analytik benutzen. Analytik stellt jedoch weiterhin einen Engpass dar und dieser Bereich bedarf einiger innovativer Ansätze, um die effektive Anwendung von In-Process-Kontrollen zu ermöglichen. Zu guter Letzt stehen externe Dienstleistungen wie Instandhaltung, Prozessentwicklung, Validierung, rationalisierte Ansätze und Schulung zur Verfügung, um die Betriebseffizienz- und qualität weiter zu verbessern und zu erweitern.
Die Globalisierung der Bio-prozess-Industrie lässt sich z.B. an folgenden Entwicklungen ersehen: 1. Der Bau von modernen Betriebsanlagen in Singapur, China, Indien und vielen anderen Ländern. 2. Das Versprechen, sich auf Krankheiten zu konzentrieren, denen Menschen nicht nur in den Industrieländern, sondern auch in den Entwicklungsländern in großer Zahl zum Opfer fallen. Der industrielle Fortschritt bedeutet aber nicht nur Globalisierung, sondern auch effektivere Produktionsverfahren und hoch effiziente sowie kostengünstige Pharmazeutika, z.B. Biosimilars, die darüber hinaus noch ein Höchstmaß an Sicherheit bieten werden.