Diversity schafft Innovation
Studie des Center for Talent Innovation belegt Zusammenhang zwischen Diversität und Wachstum
„Innovation, Vielfalt, Marktwachstum" lautet der Titel einer aktuellen Studie der US-amerikanischen Denkfabrik Center for Talent Innovation (CTI). Danach sind Unternehmen, die sowohl die Vielfalt in der Belegschaft als auch die erworbene Diversität, wie z.B. kulturelle Vielseitigkeit, internationale Erfahrung oder Sprachkenntnisse im Management fördern, nachweislich innovativer als Unternehmen mit eher homogenen Belegschaften. Dr. Andrea Gruß sprach darüber mit Sandra Scharf, Senior Vice President beim CTI.
CHEManager: Wer steckt hinter dem Center for Talent Innovation?
S. Scharf: Das Center for Talent Innovation wurde als Non-Profit-Organisation vor zehn Jahren - damals unter dem Namen Center for Work-Life Policy - von Prof. Sylvia Ann Hewlett gegründet. Als Professorin an der Columbia University setzte sie sich u.a. mit der Frage auseinander, warum es so wenige Frauen in Führungspositionen in den USA gibt. Ihr Ziel war es, Daten und Fakten für die Diskussion dieses Themas zusammenzutragen, die oft sehr moralisch geführt wird. Finanziert werden die Forschungen des CTI, die sich heute nicht mehr nur auf Frauen in Führungspositionen beschränken, sondern sich die gesamte Bandbreite des Talents umfassen, über die Mitgliedsunternehmen der sog. Task Force for Talent Innovation. Hierzu zählen mittlerweile über 80 Großunternehmen, von American Express bis hin zur UNO, die zusammen rd. 6 Mio. Beschäftigte in 192 Ländern repräsentieren.
In Ihrer Studie untersuchen Sie den Zusammenhang zwischen Vielfalt im Management und der Innovationskraft eines Unternehmens. Dabei unterscheiden Sie zwei Arten der Diversität.
S. Scharf: Genau. Der Begriff zweidimensionalen Diversität, kurz 2D-Diversität, wurde von CTI geprägt. Wir unterscheiden zwischen angeborener Diversität, der sog. inherent diversity, zu der Merkmale, wie Geschlecht, Rasse, Religion, sozioökonomischer Hintergrund, sexuelle Orientierung, Sprache, Behinderung und Nationalität zählen, und erworbener Diversität bzw. acquired diversity. Hierzu zählen Faktoren, wie kulturelle Vielseitigkeit, Generationenverständnis, Genderbewusstsein, Technikwissen, internationale oder militärische Erfahrung und Sprachkenntnisse - alles Fähigkeiten, die man durch Erfahrung erwerben bzw. erlernen kann. So wird bspw. ein Mann mit fünf Töchtern ein anderes Verständnis für die Probleme junger Frauen in der Arbeitswelt haben als ein Vater von Söhnen.
Wie wurden die Daten erhoben?
S. Scharf: Die Studie „Innovation, Vielfalt, Marktwachstum" basiert neben der Auswertung von 40 Fallstudien globaler Unternehmen auf ausführlichen Interviews mit 160 Führungskräften sowie einer repräsentativen Online-Befragung von 1.800 Personen - ca. 1.000 Männer und 800 Frauen im Alter von 21 bis 62 Jahren - in den USA.
Welche wesentlichen Ergebnisse brachte die Studie?
S. Scharf: In Führungskreisen ist längst unbestritten, dass der Einbezug von Frauen und von Menschen unterschiedlicher Hautfarben und sexueller Orientierungen im Endverbrauchermarkt klare Wettbewerbsvorteile schafft. Unsere Analysen bestätigen dies und zeigen darüber hinaus, dass eine heterogene Belegschaft auch eine starke Quelle der Innovation sein kann: Denn Menschen, die einer Minderheit angehören, haben ein weitaus besseres Gespür für die Bedürfnisse von Verbrauchern oder Kunden dieser Minderheit - und das ist für die Aufdeckung neuer Marktchancen essenziell. Gehören ein oder mehrere Mitglieder eines Teams derselben ethnischen Gruppe, Generation, sexuellen Orientierung und/oder demselben Geschlecht an wie die Zielkunden, besteht eine bis zu 158 % höhere Wahrscheinlichkeit, dass dieses Team die Bedürfnisse der Kunden tatsächlich versteht.
Interessant ist, dass dieser Effekt bereits erzielt wird, wenn nur ein Teammitglied der Zielgruppe der Endkonsumenten angehört. Jedoch sind marktfähige Ideen keine Innovation solange sie nicht entwickelt und in den Markt eingeführt werden. Dazu brauchen Ideen die Unterstützung von Kernentscheidungsträgern im Unternehmen - und hier kommt die oben erwähnte, erworbene Diversität ins Spiel: Führungskräfte mit einem hohen Maß an erworbener Diversität sind eher fähig ein integratives Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem es mehr Ideen tatsächlich bis in den Markt schaffen.
Führen die erhöhten Marktchancen auch zu mehr Wachstum?
S. Scharf: Ja, die Analysen der Studie belegen eine deutliche Korrelation zwischen Diversität und Innovationskraft und damit auch dem Wachstum eines Unternehmens im Markt. Unternehmen, die sowohl die angeborene Diversität in der Belegschaft als auch einen hohen Grad erworbener Diversität, die zu integrative Verhaltensweisen im Management führt, nachweisen können, sind innovativer: Mitarbeiter solcher Unternehmen geben 70 % häufiger an, ihre Firma habe in den vergangenen zwölf Monaten einen neuen Markt erschlossen - verglichen mit Mitarbeitern aus relativ homogenen Belegschaften. Zudem ist der Anteil der Befragten, die antworteten, dass ihr Unternehmen im selben Zeitraum seinen Marktanteil vergrößert, um 45 % höher.
Das heißt, erst Vielfalt kombiniert mit guter Führungen zahlt sich aus?
S. Scharf: Der Effekt ist in der Tat am größten, wenn beides zusammen kommt. Wir haben herausgefunden, dass ohne integrative Führung 56 % aller Ideen, die marktfähig wären, und insbesondere solche von diversen Mitarbeitern, auf dem Tisch des Vorgesetzten liegenbleiben, z.B. weil dieser das Potenzial nicht erkennt. Führungskräfte müssen die Unterschiede innerhalb ihrer Teams würdigen und mit Störungen konstruktiv umgehen. So entstehen Ideen, die das Potenzial haben, neue Märkte zu eröffnen. Erst die integrative Führung setzt das Innovationspotenzial einer heterogenen Belegschaft frei und schafft damit wesentliche Voraussetzungen für Marktanteilszuwächse und die Erschließung neuer Märkte. Zudem bewirken Führungskräfte, die eine offene Kultur und Meinungsvielfalt fördern, Effizienzsteigerungen und Kostensenkungen und leisten damit einen weiteren Beitrag zur Wirtschaftlichkeit des Unternehmens.
Welcher Zusammenhang besteht zwischen integrativer Führung und erworbener Diversität?
S. Scharf: Unsere Analysen haben gezeigt, dass Führungskräfte, die über die eingangs genannten Merkmale erworbener Diversitäten verfügen, weitaus stärker zu integrativem Verhalten neigen. Sie stellen häufiger sicher, dass die Meinung eines jeden gehört wird, sie schaffen ein risikoarmes Umfeld für neuartige Ideen, sie delegieren mehr Entscheidungen an Teammitglieder, nehmen mehr Ratschläge an und setzen häufiger Feedback um, zudem geben sie selbst häufiger handlungsorientiertes Feedback sowie die Anerkennung für gemeinsame Erfolge an das Team weiter - sechs typische Verhaltensweisen, die eine Kultur des offenen Austauschs fördern.
Diese integrative Führung setzt Innovationskräfte frei, denn sie nutzt das ganze Spektrum an Erkenntnissen, Sichtweisen und Methoden, die viele unterschiedliche Menschen in die Problemlösung einbringen. Schon auf Teamebene ist eine solche Art der Führung wichtig - an der Unternehmensspitze aber hat sie durchschlagende Wirkung, denn die Verhaltensweisen des Topmanagements pflanzen sich in der Organisation fort und prägen die Unternehmenskultur.
Wie können Unternehmen das Potenzial der zweidimensionalen Diversität heben?
S. Scharf: Die genannten innovationsfördernden Verhaltensweisen sollten im Kompetenzmodell eines Unternehmens verankert werden und in die Evaluation von Führungskräften eingehen. Zudem gibt es in jedem Unternehmen bereits Führungskräfte, die die Kultur des offenen Austauschs fördern. Diese gilt es z. B. über Mitarbeiterbefragungen zu identifizieren, ihre konkreten Verhaltensweisen festzuhalten und auszubreiten und in ihrer Vorbildfunktion zu stärken. Denn der zentrale Motor für Innovation ist eine Vielfalt geprägte Belegschaft, deren Führungspersönlichkeiten Unterschiede würdigen, die Meinung eines jeden wertschätzen und Störungen nicht unterdrücken, sondern konstruktiv bewältigen.
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