Digitalisierung – auch 2018 DAS Zukunftsthema
Wandel in Unternehmen: Von Evolution bis Disruption
In immer kürzerer Schlagzahl wandern neue Trends, Buzz Words und Anglizismen durch die Chemie- und Kunststoffindustrie. Tatsächlich verändert sich das Branchenumfeld in vielen Bereichen rasant. Für Unternehmen und Management stellt sich also die Frage, was wird in 2018 anders und welche Themen erzeugen wirklich kurzfristigen Veränderungsdruck? Welche Trends scheuchen die Player aus ihrer Komfortzone?
Pauschalisieren lässt sich der Einfluss der Digitalisierung auf Unternehmen der Chemie und Kunststoffindustrie nicht. Vielmehr muss der jeweilige Einfluss auf das Kompetenzprofil und das Geschäftsmodell eines Unternehmens bewertet werden:
- Sind vorhandene Ressourcen und Know-how bedroht oder robust gegenüber den Veränderungen?
- Funktioniert das Zusammenspiel aus Leistungsangebot, Zielgruppen und Erlösmodell auch unter neuen Spielregeln der Digitalisierung?
In Abhängigkeit der Antworten ergeben sich vier Arten des Wandels, in die sich die neuen Trends und Themen einordnen lassen. Gerade mit Blick auf das eigene Unternehmen kann das Management so relevante Trends schnell und pragmatisch bewerten und für die Management-Agenda priorisieren.
Evolutionärer Wandel
Produktionsdaten und computergestützte Verarbeitungskapazitäten sind bereits heute im Überfluss vorhanden und werden Zusehens zu einer Ubiquität. Diese Daten auch als Informationen zu nutzen, um Effizienzen in Prozessen zu heben, ist das Tagesgeschäft in Chemie- und Kunststoffunternehmen. Die wesentliche Veränderung ist nun, dass zusätzliche Effizienzhebel erschlossen werden können, die bspw. bisher einzig im Erfahrungswissen eines Maschinenfahrers mit 25 Berufsjahren lagen oder über Versuch und Irrtum mühsam gelernt werden mussten. Relevante Korrelationen für eine automatisierte Steuerung lassen sich heute aber bereits nach wenigen Zyklen aus Prozessdaten herauslesen. Mittlerweile können auch Instrumente und Services für Big Data Analytics beliebig skaliert eingekauft und implementiert werden. Trends wie Predictive Maintenance (vorausschauende Instandhaltung), „Track and Trace“ im Prozess und digitale Prozessplanung sind also die Evolution der plangesteuerten Wartung, des analogen Leitstands und Planung.
Kreativer Wandel
Die Wertschöpfungsketten in der Chemie- und Kunststoffindustrie sind traditionell definiert über die Schnittstellen entlang der vertikalen Integration von Lieferanten, Produzenten und Abnehmern. Die Verknüpfung dieser Schnittstellen ist ebenso traditionell den Marktkräften aus Angebot und Nachfrage überlassen. Das heißt: Jedes Unternehmen plant für sich und antizipiert, was die vor- oder nachgelagerte Stufe macht. Ergebnis sind dann nicht selten Überangebote oder Lieferengpässe und Kosten, die nur schwer über hohe Preise zu decken sind. Neu ist nun, dass man die elektronischen Planungssysteme über Unternehmensgrenzen hinweg vernetzt, um tatsächliche Bedarfs- und Angebotsmengen zu synchronisieren. Leerkapazitäten, Fehlallokationen von Ressourcen und teure Bestände können so minimiert werden und das Kostenniveau bei gleichzeitig besserer Performance entlang der Wertschöpfungskette sinkt. Diese Vernetzung der Supply Chain und kollaborative Planung erfordern die Entwicklung kreativer Kooperationsformen, die sowohl den Kern des eigenen Know-hows geschützt halten, als auch den Nutzen aus der Zusammenarbeit maximieren.
Revolutionärer Wandel
Ein Ergebnis der Digitalisierung im Operationsbereich ist die Kenntnis aus Prozessparametern, wann welche Prozesse mit welchem Material- und Energieeinsatz und welchem Aggregate-Verschleiß gefahren wurden. Ist diese Transparenz gegeben, muss sich jeder Unternehmer fragen, welche Prozessschritte zum eigenen Wertschöpfungskern gehören und welche als aufwandstransparente Vorprozesse ausgelagert und dann idealerweise bedarfsgerecht eingekauft werden können. Umgekehrt liefern die Daten alle notwendigen Informationen, um ein tragfähiges Geschäftsmodell für eine smarte Vermarktung von Anlagenkapazitäten aufzustellen.
Wenngleich der Einfluss auf heutige Geschäftsmodelle von Unternehmen revolutionär sein kann, sind es naheliegende Ansätze nicht. Sicher sieht es kein Kunststoffverarbeiter als seine Kernkompetenz an, Umlaufmaterial mit eigenem Anlagenequipment zu rezyklieren. Wieso nicht Kapazitäten bedarfsgesteuert zukaufen, um den Wertstoff im Unternehmen verlustfrei zu nutzen? Endet das Serviceportfolio von Chemieparks zwingend bei Infrastruktur-, Logistik- und Planungsdienstleistungen? Welche peripheren Prozesse, Vor- oder Hilfsprodukte können variabel und bedarfsgerecht zur Verfügung gestellt werden?
Gerade in der anlagen- und investitionsintensiven Chemie-und Kunststoffindustrie werden funktionierende Lösungen zur Senkung und Variabilisierung von Kosten sicher nicht lange auf Abnehmer warten müssen. Bisher steht neben der Verfügbarkeit solcher Lösungen aber auch noch der Kontrollbedarf vieler Unternehmen über die eigene Prozesskette entgegen. Schließlich wäre es der GAU, wenn Störungen in der eigenen Fertigung, durch nicht verfügbare Kapazitäten zugekaufter Vorstufen hervorgerufen werden. Diese Angst muss man allerdings auch schon heute haben. Das Stichwort ist hier, mit einer immer weiter gefassten Begriffsauslegung, „Force Majeure“. Dass diese Probleme mit einer digitalen, prädiktiven und automatisierten Steuerung von Bedarfen dann neu wären, muss man somit nicht fürchten. Mal schauen, wann also das nächste Unternehmen ruft: „Viva la Revolución!“
Disruptiver Wandel
Die digitale Durchdringung der Produktion bis in einzelne Aggregate und Prozessparameter einerseits und die Vernetzung von Unternehmen entlang und innerhalb der Wertschöpfungskette andererseits, sind für kreative Geister nicht das Ende der Digitalisierung. Es ist vielmehr schon naheliegend, die Frage zu stellen, wieso nicht direkt integrierte Fertigungszellen vernetzt und in einen modularisierten Wertschöpfungsverbund gebracht werden. Weiter gedacht, erfolgt die Steuerung dann notwendigerweise in digitalen Netzwerken, mit Unterstützung künstlicher Intelligenz (KI) und Angebot und Nachfrage treffen auf digitalen Plattformen zusammen.
Ein möglicher Einwand: In einer werkzeugbasierten Fertigung oder seriellen Prozessproduktion ist es schwer bis unmöglich, einzelne Aggregate in anderen Kombinationen kurzfristig zu verknüpfen. Wer diesen Trend aber mit dieser Begründung abtut, negiert andere Entwicklungen, wie bspw. die additive Fertigung. Diese bringt aktuell in vielen Bereichen der Kunststoffindustrie ehemals eherne Gesetze ins Wanken. Disruptionen und „kreative Zerstörung“ werden aber nicht von denen gemacht, die am Status Quo als unumstößlich festhalten.
Aus Daten müssen Informationen werden
Bis die aufgezeigten Trends der Digitalisierung tatsächlich zum Alltag in der Chemie- und Kunststoffindustrie zählen, wird gewiss noch viel Zeit vergehen. Sicher ist auch, dass evolutionäre und kreative Veränderungen schneller in der Breite der Branche ankommen werden, als Revolutionen und Disruptionen. Allen Trends gemein ist allerdings die Voraussetzung: Aus Daten müssen Informationen werden.
Dazu müssen Daten aktuell, teilweise in Echtzeit verfügbar sein. Cloud-Lösungen sind dazu bereits heute Standard.
Es braucht Instrumente und Algorithmen zur Erfassung und Auswertung von Big Data. Was vor drei bis fünf Jahren noch Start-ups waren, sind heute etablierte Serviceanbieter mit einem reifen Leistungsportfolio.
Zuletzt ist eine umfassende Datendurchgängigkeit in Wertschöpfungsketten über Standards und Schnittstellen nötig. Bei der aktuellen Dynamik in diesem Umfeld dürfte es eher eine Frage von ein bis zwei, als von drei bis fünf Jahren, bis hier tragfähige Lösungen in den Unternehmen ankommen. Es sich in der Komfortzone gemütlich machen? Für keinen Player eine Option in 2018.
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