Dienstleistungskomponente beim Geschäft mit Chemikalien
16.11.2010 -
Das Geschäft mit Chemikalien enthält fast immer auch eine Dienstleistungskomponente. Selbst beim Verkauf von Basischemikalien werden einfache Services angeboten, zum Beispiel die Bereitstellung von Sicherheitsdatenblättern und Analysenzertifikaten. Für Spezialchemikalien ist die Bereitstellung produktbegleitender Dienstleistungen von erheblich höherer Bedeutung. Dies ergibt sich daraus, dass Spezialchemikalien per definitionem erklärungsbedürftig sind und im Hinblick auf eine bestimmte Funktion verkauft werden. Somit werden für diese Chemikalien bestimmte Services vom Kunden unbedingt erwartet, aber nicht unbedingt separat bezahlt.
Zur Differenzierung gegenüber der Konkurrenz und zur Umsatzerhöhung sind solche Dienstleistungen jedoch in den entwickelten Chemiemärkten nur bedingt geeignet, weil sie inzwischen mehr oder weniger von allen ernstzunehmenden Anbietern angeboten werden. In weniger entwickelten Märkten, beispielsweise in China, stellen diese Dienstleistungen allerdings derzeit häufig noch ein gewichtiges Differenzierungsmerkmal der globalen Chemieunternehmen gegenüber der lokalen Konkurrenz dar.
Nicht nur Standard-Dienstleistungen
In den entwickelten Märkten müssen daher darüber hinaus gehende Dienstleistungen angeboten werden, wenn die gewünschten Ziele der Umsatzerhöhung (zusätzlichen Serviceeinnahmen), Margenerhöhung (höhere Profitabilität der Services), Differenzierung gegenüber der Konkurrenz sowie Kundenbindung (erschwerte Austauschbarkeit von Services) erreicht werden sollen.
Dafür gibt es eine Reihe von Konzepten, die teilweise mit Anglizismen wie „Value Chain Management“ oder „Life Cycle Management“ beschrieben werden. Im Grunde handelt es sich jedoch einfach immer darum, dass Aufgaben, die klassisch vom Kundenunternehmen selbst zu erbringen sind, auf das zuliefernde Chemieunternehmen übertragen werden.
Beispielhafte Vorreiter
Nicht alle diese erweiterten Dienstleistungen werden tatsächlich schon in größerem Umfang von Chemieunternehmen erbracht. Es gibt aber bereits ein weites Feld für derartige Aktivitäten.
Hier einige Vorreiter:
Air Liquide bietet großen Gaskunden ein Komplettpaket an, das neben Analytik, Lieferung und Training auch die Kontrolle des Gasbestands am Standort des Kunden umfasst. Lonza engagiert sich unter anderem aktiv im Bereich Custom Synthesis. Dies reicht von der Herstellung kleiner Mengen zu Forschungszwecken bis hin zur großtechnischen Herstellung von Pharmawirkstoffen. Daneben werden auch Prozessentwicklung und Upscaling angeboten. Auftragsforschung ist ein weiteres Gebiet, auf dem Unternehmen wie Albemarle ihre Kenntnisse im Bereich der Spezialchemie – zum Beispiel für bestimmte Reaktionstypen – kommerziell nutzen.
Analog dazu bieten Spezialchemieunternehmen wie Ciba spezifische Analytik-Dienstleistungen. Durch die zunehmende Bedeutung der Analytik zum Beispiel im Umweltschutz, aber auch durch die zunehmende Eigenständigkeit der Analytikabteilungen großer Chemieunternehmen wird dieses Angebot weiter wachsen.
Safechem, ein Tochterunternehmen der Dow im Bereich der industriellen Reinigung, geht in einem Pilotprojekt in der österreichischen Automobilindustrie graduell dazu über, statt Reinigungschemikalien einen kompletten Reinigungsservice anzubieten. Dieses auch als Chemical Leasing bezeichnete Geschäftsmodell ist aus Sicht des Umweltschutzes sinnvoll, da das Chemieunternehmen ein Interesse signalisiert, die eingesetzte Chemikalienmenge zu reduzieren.
PPG Automotive Coatings betreibt für Kunden aus der Automobilindustrie auf Wunsch komplette Coatingprozesse wie das Management des Paint Mix Rooms, die Inprozess- Qualitätskontrolle und die Materiallogistik. Der Schwefelsäurehersteller Du Pont Clean Technologies bietet an, die anfallende verbrauchte Schwefelsäure direkt am Standort des Kunden zu regenerieren.
So besitzt und betreibt Du Pont am Standort einer Raffinerie in Delaware eine Anlage zur Schwefelsäure-Regenerierung. Dies ermöglicht der Raffinerie nicht nur, den gesamten Problemkomplex an das Unternehmen abzutreten. Durch die enge räumliche Anbindung können auch in der Raffinerie anfallende Säuregase direkt in die Regenerierung einbezogen werden. Die Bayer-Geschäftseinheit Coatings unterstützt unter anderem in China die regionalen Kunden durch Co-Branding und gemeinsame Seminare mit deren Endkunden bei dem Aufbau eigener Marken. Nalco ist schon seit einiger Zeit dazu übergegangen, dem Kunden primär Komplettlösungen zur Wasserbehandlung anzubieten und hat sich so deutlich vom bloßen Hersteller von Wasserchemikalien weiterentwickelt. Die Übernahme von derartigen erweiterten Dienstleistungen läuft nicht immer ohne Widerstände ab. Schließlich macht sich das Kundenunternehmen durch das Outsourcing einer klassischen Unternehmensaufgabe zu einem gewissen Grad vom zuliefernden Chemieunternehmen abhängig. Besonders große Chancen bieten sich daher immer dann, wenn die erbrachten Dienstleistungen entweder nicht zur Kernkompetenz des Kunden gehören, wie beispielsweise bei der Übernahme von Entsorgungs- oder Logistikdienstleistungen, oder aber der Zulieferer aufgrund von Größen- oder Know-how-Effekten einen eindeutigen Vorteil gegenüber dem Kunden hat (z.B. kundenspezifische Chemikaliensynthesen).
Dienstleistungen erfolgreich erbringen
Den Vorteilen der Aufnahme von Dienstleistungen in das Portfolio eines Chemieunternehmens stehen auch Nachteile gegenüber. Das Angebot von Serviceleistungen erfordert ein noch größeres Verständnis der spezifischen Kundenanforderungen als der alleinige Verkauf von Chemikalien. Auch mental bringt die Umstellung vom Produktlieferanten zum Dienstleistungsanbieter Probleme mit sich, insbesondere wenn die Dienstleistungen von vorher weitgehend intern orientierten Einheiten (z.B. Analytik) erbracht werden müssen. Schließlich muss die Bereitschaft vorliegen, längerfristige Kundenbeziehungen auf partnerschaftlicher Basis einzugehen, da Dienstleistungsbeziehungen in der Regel mit einer höheren gegenseitigen Abhängigkeit einhergehen. Risiken ergeben sich auch dann, wenn der Servicegedanke nicht zum Produkt passt. Bei Basischemikalien ist in der Regel keine Bereitschaft der Kunden gegeben, für Dienstleistungen zu zahlen. Sie sollten daher auch nicht angeboten werden. Bei Spezialchemikalien besteht die Gefahr, einzelnen Produkten Eigenschaften zuzuschreiben, die diese nur in beschränktem Maße besitzen und daher nur mit umfangreicher anwendungstechnischer Betreuung tatsächlich erbringen können. Insgesamt bietet sich daher ein pilotartiger allmählicher Einstieg in Dienstleistungen an. Daraus ergeben sich dann für fähige Chemieunternehmen gute Chancen zur Stabilisierung und Erweiterung ihres Geschäfts.
Kontakt:
Dr. Kai Pflug
Stratley
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