An den Grenzen der Fachgebiete
Interdisziplinäre Forschung für nachhaltige Technologien
Dechema-Forschungsinstitut entwickelt übergreifende Lösungskonzepte aus den Themengebieten Chemische Technik, Werkstoffe und Biotechnologie.
Die Stiftung wurde im Jahr 2012 von privaten und industriellen Stiftern gemeinsam mit der Dechema ins Leben gerufen und führt die Expertise des früheren Karl-Winnacker-Instituts der Dechema fort. Kennzeichnend für die Stiftung ist die enge Zusammenarbeit ihrer Wissenschaftler aus den unterschiedlichen Bereichen Werkstoffe und Korrosion, Chemische Technik, Elektrochemie sowie Biotechnologie. Die kurzen internen Wege und die Kontinuität der über viele Jahrzehnte aufgebauten wissenschaftlichen Expertise machen das DFI auch zu einem begehrten Partner in direkten Industriekooperationen. Durch die gelebte Interdisziplinarität werden besonders innovative Lösungskonzepte an den Grenzen der Fachgebiete entwickelt. Das Institut bringt seine international anerkannte Kompetenz in der gesamten Breite von der Grundlagen- bis zur anwendungsnahen Forschung ein, um ressourcenschonende und ökologisch kompatible technologische Lösungen für den industriellen Einsatz zu erarbeiten. Mit diesem Ansatz erfüllt das DFI als Teil des Dechema-Netzwerks eine wichtige Brückenfunktion in der deutschen und internationalen Forschungslandschaft. Im Folgenden wird eine kleine Auswahl aktueller interdisziplinärer Forschungsthemen des Instituts vorgestellt. Eine vollständige Übersicht und Beschreibung aller Projekte sowie zahlreiche weitere Informationen, auch zum umfangreichen Weiterbildungsangebot des Instituts, finden sich auf den Internetseiten www.dechema-dfi.de.
Mikrobielle Elektrosynthesen
Die Mehrzahl technischer organischer Synthesen, wie z. B. die Herstellung von Kunststoffen, Grund- und Feinchemikalien, basiert auf Erdöl als Rohstoff. Um von knapper werdenden Erdölreserven unabhängiger zu werden, werden andere Rohstoffe gesucht. Eine Option ist Kohlendioxid (CO2). Die Erschließung neuer Rohstoffe erfordert die Entwicklung neuer Synthesemethoden. Für CO2 werden entsprechende Reduktions-Verfahren benötigt. So kann CO2 elektrochemisch zu Ameisensäure oder anderen kurzkettigen Verbindungen umgesetzt werden. Das DFI setzt hier an und geht einen Schritt in Richtung der „Biologisierung der Chemie“ weiter: Von einigen Bakterien ist bekannt, dass sie Elektronen von außen aufnehmen und Kohlendioxid zu Methan oder anderen Verbindungen umsetzen. Die Bakterien können Biofilme auf Elektroden bilden, von denen sie die Elektronen erhalten. Dieser Prozess wird als „mikrobielle Elektrosynthese“ bezeichnet. Die Vorteile liegen u. a. in der hohen Effizienz, mit der die Bakterien Elektronen nutzen. Für die interdisziplinäre Entwicklung technischer Systeme bietet das DFI mit seinen Fachbereichen Industrielle Biotechnologie und Elektrochemie eine ideale Basis.
Medizintechnik
Heutzutage werden bevorzugt Titanlegierungen aufgrund ihrer überlegenen Eigenschaften für medizintechnische Anwendungen wie z. B. bei Implantaten eingesetzt. Allerdings verlangt ein Implantat wie eine Hüftendoprothese nach unterschiedlichen Funktionalitäten: Eine hohe Verschleiß- und Korrosionsbeständigkeit ist ebenso wichtig wie eine gute Biokompatibilität und Förderung der Zellproliferation. Um diese Anforderungen zu erfüllen, kann die wenige Nanometer dünne natürliche Passivschicht auf der Werkstoffoberfläche modifiziert werden. Mit technischen Verfahren wie der plasmaelektrolytischen Oxidation kann eine verschleißfeste und harte Beschichtung erzeugt werden. Die Ausbildung einer keramischen Oxidschicht erhöht die Härte und Abriebfestigkeit signifikant. Weiterhin kann Hydroxylapatit, ein Mineral und Biomaterial, welches dem menschlichen Knochen stark ähnelt, auf der Implantatoberfläche erzeugt werden. Dadurch kann ein besseres Anwachsen der Knochenzellen an das Implantat erreicht werden. Die gezielte Oberflächenmodifizierung kann somit dazu beitragen, das Risiko eines frühen Implantatversagens zu reduzieren. An dieser Thematik arbeiten Materialwissenschaftler und Biologen gemeinsam, um die in-house-Synergien des DFI bei der Entwicklung innovativer Materialien voll zu entfalten.
Redox-Flow-Batterien
Die Fachbereiche der Technischen Chemie und Elektrochemie arbeiten bei der Entwicklung und Optimierung von Redox-Flow-Batterien eng zusammen. Die Redox-Flow-Technologie ist besonders geeignet, um erneuerbare Energien aus z. B. Windkraft- und Solaranlagen kostengünstig und effizient zu speichern. Dazu werden am DFI neue Elektrodenmaterialien und -geometrien sowie Elektrolyte erforscht und entwickelt. Es wurde ein Teststand aufgebaut, mit dem der Ladezustand während des Betriebs der Batterie online und zuverlässig ermittelt werden kann. An diesem Teststand werden u. a. neuartige Elektroden mit tubulärer Struktur und biobasierte Elektrolyte sowie verschiedene Membranmaterialien getestet und optimiert. Darüber hinaus wird ein völlig neuer Ansatz zur Realisierung einer direkt mit Sonnenlicht ladbaren Redox-Flow-Einheit erforscht, die kein Solar-Modul mehr benötigt.
Power-to-X
Mit Power-to-X-Technologien wird Strom aus erneuerbaren Quellen elektrochemisch in stoffliche Ressourcen gespeichert und in Endprodukte wie Brenn- und Treibstoffe, z. B. künstlichen Diesel, umgewandelt. Dafür bedarf es innovativer Lösungen, die zu ökologisch und ökonomisch vorteilhaften sowie gesellschaftlich akzeptierten Prozessen führen sollen.. Das DFI ist am Forschungscluster FC-A3 des BMBF-Kopernikus-Forschungsverbundes beteiligt, in dem Wasser und Kohlendioxid mittels Hochtemperatur-Elektrolyse zu Wasserstoff und Kohlenmonoxid (Syngas) umgesetzt werden. Eine der Aufgaben besteht darin, Materialien zu entwickeln, die eine Kohlenstoffabscheidung aus der Gasphase (Boudouard-Reaktion) unterbinden. Dieses Thema wird am DFI in enger Zusammenarbeit der Bereiche Technische Chemie und Hochtemperaturwerkstoffe bearbeitet.
Solartürme
Die Fachbereiche Hochtemperaturwerkstoffe und Elektrochemie kooperieren beim Thema Hochtemperatursalzschmelzen. Anwendungen dafür finden sich u. a. in neuartigen Kraftwerken, die auf der Konzentration von Solarenergie auf „heiße“ Turmflächen beruhen. Gegenüber konventionellen Kraftwerken haben Sonnenwärmekraftwerke den Vorteil, praktisch CO2-neutral Energie zu produzieren.
Um auch nachts Energie produzieren zu können, kommen Salzschmelzen zum Einsatz. Diese Salze erfüllen zwei Funktionen: Zum einen stellen sie das Wärmeübertragungsmedium dar, zum anderen wird tagsüber die Wärme in den Nitratsalzen gespeichert und nachts abgegeben. Die Werkstoffe der Solarüberhitzer müssen dabei bis zu 600 °C langzeitstabil bleiben und außerdem hohe Absorptionseigenschaften auf der Außenseite aufweisen. Auf der Innenseite stellen die Salze extreme Herausforderungen an die korrosive Beständigkeit. Gleichzeitig macht erst die Energiespeicherkapazität der Salze diese Technologie wesentlich profitabler.
Am DFI werden sowohl für die Außenseite als auch für die Innenseite neuartige Beschichtungen entwickelt. Interdisziplinär werden zudem breit die Korrosionsmechanismen näher untersucht, denn sie weisen Anteile klassischer Hochtemperaturkorrosion ebenso wie elektrochemischer Prozesse in der flüssigen Salzschmelze auf.