Strategie & Management

Cross Border Innovation statt Open Innovation

Cross Border Innovation statt Open Innovation

13.04.2015 -

Strategische Kooperationen und Allianzen werden für große Konzerne und für Mittelständler zunehmend wichtiger, da diese nicht alle Innovationsbereiche selbst abdecken können. Eine intensive branchenübergreifende Vernetzung, eine offene Innovationskultur im Unternehmen und Kooperationen mit Start-ups beschleunigen den Innovationsprozess. Dr. Andrea Gruß sprach darüber mit Dr. Michael Brandkamp, Geschäftsführer des High-Tech Gründerfonds (HTGF).

CHEManager: Der High-Tech Gründerfonds fördert Cross Border Innovation. Was verbirgt sich hinter diesem Begriff?

Dr. M. Brandkamp: Innovation hat unmittelbar mit dem Überschreiten von Grenzen zu tun. Wenn Sie etwas Neues versuchen und einen Innovationsprozess starten, müssen Sie Grenzen ganz unterschiedlicher Art überschreiten. Das können zum einen nationale Grenzen sein, denn Innovation ist in der Regel global. Es können kulturelle Grenzen sein, deren Überschreitung Toleranz und Respekt erfordert. Sie zu überwinden kann zu neuen Erkenntnissen führen, wenn wir die Andersartigkeit als Bereicherung empfinden.

Es können aber auch Grenzen zwischen Technologiefeldern sein. Denn viele Innovationen entstehen gerade zwischen Technologiefeldern. Ein klassisches Beispiel ist die Bionik, die Phänomene aus der Biologie in technische Innovationen überführt. Genauso, wie wir von der Natur lernen können, können wir auch von Prozessen, Innovationen und Produktideen anderer Branchen lernen. Deshalb laden wir zu unseren Konferenzen auch Start-ups, mittelständische Unternehmen und große Konzerne aus verschiedenen Technologiefeldern ein.

Und nicht zuletzt erfordern viele Innovationsprozesse auch Grenzen zwischen Unternehmen, insbesondere kleinen und großen Unternehmen, zu überwinden. Das war ein zentrales Thema der High-Tech-Partnering Konferenz 2015. Wir haben daher den Begriff "Cross Border Innovation" ganz bewusst als Motto der Konferenz gewählt, um die Vielschichtigkeit des Innovationsprozesses über unterschiedliche Grenzen zu adressieren.

Viele Unternehmen betreiben bereits Open Innovation, das heißt sie haben den Innovationsprozess über die Unternehmensgrenze geöffnet und entwickeln Neues gemeinsam mit Kunden, Partner oder anderen Unternehmen. Worauf führen Sie diese Entwicklung zurück? Was unterscheidet Open Innovation von Cross Border Innovation?

Dr. M. Brandkamp: Das Miteinander von Unternehmen und Partnern im Innovationsprozess hat an Bedeutung gewonnen, weil das Tempo der Innovationsdruck immer größer wird. Unternehmen schaffen es nicht mehr, Innovationen in der notwendigen Geschwindigkeit hervor- und voranzubringen, ohne dass sie über den eigenen Tellerrand hinaus schauen. Deshalb hat Open Innovation im Vergleich zur klassischen Closed Innovation - einem nach innen gerichteten Innovationsprozess - an Bedeutung gewonnen.

Andererseits beobachten wir auch, dass der Begriff Open Innovation Widerstand auslöst. Welches Unternehmen teilt schon gerne seine Betriebsgeheimnisse oder seine F&E-Ergebnisse, mit einem Wettbewerber?

Doch Unternehmensgrenzen zu überschreiten und zusammenzuarbeiten, muss nicht unbedingt bedeuten, dass die Partner auch alle Erkenntnisse teilen. Mit dem Begriff Cross Border Innovation umgehen wir diese Diskussionen und setzen den Fokus auf die Überwindung von Grenzen. Denn bei der Zusammenarbeit mit Partnern geht es nicht darum, das eigene Know-how zu transferieren, sondern über Grenzen hinwegzuschauen und voneinander zu lernen.

Was können Gründer und Mittelständler voneinander lernen?

Dr. M. Brandkamp: Erfolgreiche, mittelständische Unternehmen gehen ihren Weg. Ihre Stärke ist Innovation. Viele deutsche Mittelständler sind Weltmarktführer auf ihrem Geschäftsgebiet, sogenannte Hidden Champions, weil sie ihre Technologie und ihr Geschäft konsequent weiterentwickeln.

Wenn es jedoch darum geht, neue, unkonventionelle Wege zu gehen oder ein neues Geschäftsfeld aufzusetzen, ist der typische Mittelständler meist zurückhaltend. Hier kann die Zusammenarbeit mit einem Start-up hilfreich sein. Denn erfolgreiche Gründer gehen per se neue Wege. Sie sind bereit, höhere Risiken einzugehen und werden von chancenorientierten Investoren unterstützt. All das beschleunigt die Entwicklung disruptiver Innovationen, die bestehende Technologien, Produkte oder Dienstleistung möglicherweise vollständig verdrängen. Bei der Markteinführung kann das Start-up wiederum vom etablierten Marktzugang des Mittelständlers profitieren. Wir sehen daher ein großes Innovationspotenzial in der verstärkten Zusammenarbeit zwischen Gründern und Mittelstand, insbesondere in der Chemie- und Pharmabranche.

Wie trägt der HTGF dazu bei, dieses Potenzial zu heben?

Dr. M. Brandkamp: Wir laden gezielt mittelständische Unternehmen aus diesen Branchen ein, um mit uns über Innovation zu reden und den Dialog mit Start-ups zu suchen. Durch den Blick über den Tellerrand können neue Ideen oder Partnerschaften entstehen. Haben sich zwei potenzielle Partner gefunden, unterstützen wir diese bei der Gestaltung einer professionellen Arbeitsteilung und der Ausarbeitung von Verträgen und schaffen so die Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.

Können Sie uns ein Beispiel für eine erfolgreiche Zusammenarbeit nennen?

Dr. M. Brandkamp: Ein gutes Beispiel ist die gemeinsame Wirkstoffentwicklung von Dr. Falk Pharma und Zedira, einem Unternehmen aus dem HTGF-Portfolio. Dabei hat das Darmstädter Biotech-Unternehmen einen Wirkstoffkandidaten für die Therapie von Zöliakie, einer chronischen Entzündung des Dünndarms, entwickelt. Dr. Falk Pharma übernimmt die klinische Prüfung des Wirkstoffs und den späteren Vertrieb des Medikaments. Der Mittelständler erhält exklusiv die Lizenz für Europa, Zedira die weltweiten Rechte und darüber hinaus Meilensteinzahlungen. Eine Win-win-Situation für beide Partner.

Eine solche Entwicklungskooperation ist nur ein Modell für eine mögliche Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Start-ups, darüber hinaus werden Kunden-Lieferanten-Beziehungen praktiziert oder auch oftmals Investments in der Seed-Finanzierungsrunde oder in späteren Phasen getätigt. Allein in unserem Portfolio haben wir bisher 200 Transaktionen zwischen Start-ups und etablierten Unternehmen in Höhe von insgesamt 300 Mio. EUR gezählt. An 25 Exits des HTGFs waren große bzw. mittelständische Unternehmen beteiligt.

Sie arbeiten mit vielen mittelständischen Unternehmen zusammen. Wie bewerten Sie deren Innovationskraft?

Dr. M. Brandkamp: Die Innovationskraft ist gut. Aber es gibt  noch viel ungenutztes Potenzial. Bei mittelständischen Unternehmen - genauso wie auch in großen Konzernen - bleiben Ideen und Innovationen oft brach liegen, weil es an finanziellen, personellen oder anderen Ressourcen für deren Umsetzung mangelt. Wir würden uns freuen, wenn auch diese Innovationen unternehmerisch umgesetzt werden könnten - zum Beispiel in einem eigenständigen Spin-off, dessen Management ein Mitarbeiter des Unternehmens übernimmt.

Welchen Nutzen hat das mittelständische Unternehmen davon?

Dr. M. Brandkamp: Das Unternehmen kann von seiner Beteiligung am Spin-off profitieren, ohne in die Entwicklung der Innovationen investieren zu müssen. Gerade Spin-offs aus der Industrie sind oft sehr erfolgreich, weil sie über eine gute Patentsituation verfügen und von erfahrenen Managern geleitet werden, die den Markt für ihre Idee sehr gut einschätzen können. Deshalb begrüßen wir Spin-offs aus der Industrie und unterstützen mittelständische Unternehmen bei deren Ausgründung.

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