Forschung & Innovation

CITplus-Profil: Benjamin List

Interview mit dem Chemie-Nobelpreisträger 2021 und Direktor am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung

06.10.2022 - List erhielt 2021 ­gemeinsam mit David W.C. MacMillan, Universität Princeton, den Nobelpreis für Chemie. Sie wurden für die Entwicklung der asymmetrischen Organokatalyse geehrt. Er erhielt bereits zahlreiche Preise und Auszeichnungen, darunter 2003 den Carl-Duisberg-Gedächtnispreis der GDCh und zuletzt den renommierten Herbert C. Brown Award 2022 der American Chemical Society.

Die berufliche Seite

Wer oder was hat Sie geprägt?

Mein Doktorvater Prof. Johann Mulzer ist ein für mich sehr prägender Mensch gewesen. Ich habe mir ein paar Dinge bei ihm abgeschaut, was den Umgang mit den Studenten angeht.  

Was lieben Sie an Ihrem Beruf?

Die Kreativität, die absolute Freiheit unserer Forschung und der hochspannende Austausch mit den internationalen Kolleginnen und Kollegen.

Was war Ihr größter Erfolg?

Mein größter Erfolg war sicherlich der, der zur Verleihung des Chemienobelpreises geführt hat: Die Etablierung der Organokatalyse.

Was war Ihr größter Misserfolg?

Vielleicht als mir im Alter von zwölf Jahren, ich machte in einem Keller gemeinsam mit einem Freund erste chemische Experimente, ein brennendes Streichholz in einen Mörser mit Schwarzpulver fiel…

Was vermissen Sie in Ihrem Beruf?

…ich habe über diese Frage wirklich lange nachgedacht…

Worauf würden Sie gerne verzichten?

Bürokratie.

An welchen Prinzipien orientieren Sie sich?

Enthusiasmus! Das wichtigste bei meiner Arbeit ist die Begeisterung für die Forschung. Enthusiastische Wissenschaftler schaffen Höchstleistungen, ohne dass sie ihre Arbeit anstrengend finden.

Welche Trends fördern Sie? Welche Trends möchten Sie aufhalten?

Ehrlich gesagt bin ich gar kein Freund von Trends. Ich rate meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern stets, ihren eigenen Weg zu gehen und sich nicht zu sehr danach zu richten, was andere gerade tun. Nur so können wir in der Wissenschaft vorankommen, nur so entstehen revolutionäre Gedanken in der Forschung.

Was sind Ihre nächsten Pläne?

Ganz aktuell haben wir einen Advanced Grant des Europäischen Forschungsrats bekommen, den dritten infolge. In diesem Projekt, das von der EU gefördert wird, beschäftigen wir uns damit, wie man mithilfe von Organokatalyse elegante und nachhaltigere Synthesewege von Petrolchemikalien zu Feinchemikalien entwickeln kann. 

 

Die private Seite

Wie würden Ihre Familie/Ihre Freunde Sie charakterisieren?

Das müssen Sie meine Familie fragen! (lacht) Aber wahrscheinlich würden sie sagen, dass ich ein guter Typ bin, der den Kopf vielleicht ab und an ein bisschen in den Wolken hat.

Was treibt Sie an?

Neugier und Leidenschaft sind wichtige Motoren für mich, ob es nun im beruflichen oder im privaten Kontext ist.

Was gibt Ihnen Kunst/Kultur?

Eine Menge! Ich würde mich als einen Menschen bezeichnen, der einen Sinn für Ästhetik hat.

Ihr Verhältnis zum Reisen?

Ich reise ziemlich viel, schon wegen meines Jobs. Wissenschaftliche Konferenzen finden auf dem ganzen Erdball statt. Und ich reise auch gerne – um neue Orte zu erkunden, neue Menschen kennenzulernen, alte Freunde wiederzutreffen oder lieb gewonnene Plätze wieder zu sehen. Ich würde mich als einen kosmopolitischen Menschen beschreiben: Nationalität ist nichts, das für mich eine Rolle spielt.

Womit beschäftigen Sie sich in Ihrer Freizeit?

Ich höre gerne klassische Musik, mache Yoga, besuche Spiele von Eintracht Frankfurt und – ehrlich gesagt – fällt mir eine ganz scharfe Trennung zwischen Beruf und Freizeit schwer. Ich liebe es, mich mit chemischen Formeln zu beschäftigen.

Was lesen Sie gerade? / Ihr Buchtipp:

Ich lese gerade „Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit“ von Mai Thi Nguyen Kim. Die Frau ist eine fantastische Wissenschaftskommunikatorin.

Ihre Lieblingsmusik?

Ich höre sehr gerne klassische Musik, insbesondere Bach, Beet­hoven und Mahler und fast alle Solokonzerte der Romantik.

Was wären Sie auch gern geworden?

Schwierig zu sagen, ich habe mich schon in sehr jungen Jahren für Chemie entschieden.

Was schätzen Sie an Ihren Freunden?

Offenheit, Loyalität, Humor und gute Gespräche.

Was möchten Sie in Ihrem Ruhestand machen?

Das, was ich jetzt auch mache: Chemie, Yoga, Kulinarik und Fußball schauen (lacht).

Biografie von Professor Dr. Benjamin List

Privat:
Geboren: 11. Januar 1968 in Frankfurt am Main
Familie: Urenkel des Nephrologen Franz Volhard, Ururenkel des ­Chemikers Jacob Volhard. Neffe der Nobelpreisträgerin für Physiologie oder Medizin 1995, Christiane Nüsslein-Volhard.
Verheiratet und Vater zweier Söhne.
Hobbies: Chemie, Klassische Musik, Yoga, Kulinarik, Eintracht Frankfurt

Beruflich:
1993: Diplom mit Auszeichnung an der Freien Universität Berlin
1994–1997: PhD-Studium an der J.W. Goethe Universität Frankfurt, summa cum laude (bei J. Mulzer)
1997–1998: Postdoc am The Scripps Research Institute La Jolla, CA, USA
1999–2003: Assistant Professor (Tenure Track) am The Scripps Re­­search­ Institute La Jolla, CA, USA
2003–2005: Gruppenleiter (Tenure Track) am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung, Mülheim an der Ruhr
Seit 2005: Direktor der Abteilung Homogene Katalyse am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung, Mülheim an der Ruhr
Seit 2020: Leiter einer Forschungsgruppe an der Universität
Hokkaido, Japan

Einige Auszeichnungen und Funktionen: Herbert C. Brown Award 2022 for Creative Research in Synthetic Methods, Nobelpreis in Chemie 2021, Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis 2016, Arthur C. Cope Scholar Award 2014, Mukaiyama Award 2013, Otto-Bayer-Preis 2012, Fonds der ­Chemischen Industrie Award 2007, Mitglied der Leopoldina seit 2018, seit 2015 Chef-Herausgeber der Zeitschrift „Synlett“ (Thieme Verlag)

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