Chemieparkmanager Currenta zeigt wie man Standorte in Zeiten von Corona betreibt
Gesundheit schützen, ohne (zu viele) Hindernisse aufzubauen
Currenta betreibt mit dem Chempark eines der größten Chemieareale Europas mit Standorten in Leverkusen, Dormagen und Krefeld-Uerdingen. Die Corona-Pandemie bedeutet für den Chemieparkmanager gleich doppelte Verantwortung: geht es doch nicht allein darum, die eigene Leistungsfähigkeit zu erhalten, sondern die Gesundheit der Mitarbeiter in den rund 70 hier angesiedelten Unternehmen zu schützen und so die Produktion aufrechtzuhalten.
„Unsere großen Partnerunternehmen sind durchweg Global Player, sodass die epidemische Entwicklung in den asiatischen Ländern seit Jahresbeginn konzentriert beobachtet wurde“, berichtet Chempark-Leiter Lars Friedrich. „Informationen über verschärfte Hygienemaßnahmen wurden deshalb schon sehr früh kommuniziert und die ärztliche Abteilung war bereits sensibilisiert, als Ende Februar ein erster Covid-19-Verdachtsfall bei uns auftrat.“
Rahmenplan gibt Pandemie-Organisation vor
Auch wenn der erste Infektionsverdacht nicht bestätigt wurde, schaltete der Chemieparkbetreiber Ende Februar organisatorisch in den Pandemiemodus. Seither wird in kompakten virtuellen Krisenstabssitzungen regelmäßig die Lageentwicklung bewertet. Maßnahmen werden in ausgelagerten Arbeitsgruppen vorbereitet und im Krisenstab beschlossen. So können die Zeitfenster für die virtuelle Zusammenkunft des Gremiums, das grundsätzlich in gleicher personeller Besetzung arbeitet, verlässlich gehalten werden. Unter der Moderation des Krisenmanagers setzt sich der Krisenstab zusammen aus dem Chemparkleiter, dem Pandemiekoordinator sowie den Leitern von Brandschutz, Werkschutz, Gesundheitsschutz, Personal, Genehmigung, Umweltüberwachung, Krisenkommunikation und dem Betriebsrat.
Nach dem Zusammentreffen des Krisenstabs werden sämtliche Unternehmen per Video Call informiert. Pandemiekoordinator Oliver Krause dazu: „Obwohl das spezielle Coronaszenario so im existierenden Pandemieplan nicht beschrieben war, hatten wir damit doch einen organisatorischen Rahmen mit allgemeinen Maßnahmen, Aufgaben und Zuständigkeiten. Dies alles aus dem Stegreif abrufen zu können ist essentiell, um schnellstmöglich Lösungen für die pandemiespezifischen Probleme zu entwickeln.“
Screening nach unerkannt Infizierten
Nachdem Mitte März die Anzahl der Neuinfektionen bundesweit massiv anstieg, war eines der drängendsten Probleme, den Zutritt unerkannt Infizierter zu verhindern. Fiebermessungen – bewährt an den Flughäfen der asiatischen Metropolen – schienen eine gute Lösung. Doch schnell stellte sich heraus, dass medizinische Messungen zwar hochgenau, aber angesichts der Mitarbeiterzahl viel zu zeitaufwändig wären. Selbst extensive Homeoffice-Nutzung reduziert an einem Produktionsstandort wie einem Chemiepark die Anzahl der Vor-Ort-Anwesenden nur eingeschränkt. „Zigtausende Mitarbeiter von ansässigen Unternehmen und Fremdfirmen an zig Fußgängerzugängen und Werkszufahrten lückenlos jeden Tag zu kontrollieren, hätte schlicht und einfach den Zugangsinfarkt bedeutet“, erklärt Joachim Beyer, Leiter des Werkschutzes. „Zumal wir die Anzahl der Zugänge auf ein kontrollierbares Maß reduzieren mussten, was die Rückstaugefahr noch verstärkt.“
Die Lösung fand der Werkschutz in einem Screening, das Fieberverdachtsfälle quasi zeitverlustfrei aus dem Strom der Temperaturunauffälligen herausfiltert. Dabei wird mit Hilfe von thermografischen Kameras aus wenigen Metern Distanz die Oberflächentemperatur der Haut im Gesicht gemessen. Das funktioniert datenschutzkonform und an den stark frequentierten Zugängen sogar mit automatisierter Auswertung. Vor dem Hintergrund vieler anderer Messungen unter gleichen Bedingungen ergibt sich so ein klarer Anhaltspunkt, bei wem eine Nachmessung sinnvoll ist. Denn: Eine erhöhte Körpertemperatur führt auch zu höheren Temperaturen an der Hautoberfläche. „Wir müssen ja nur Abweichungen feststellen, die signifikant über dem Durchschnitt liegen und nicht die Kerntemperatur des Körpers bestimmen“, erläutert Beyer das Prinzip. „Für die Entscheidung ‚Einlass gewähren oder nachkontrollieren, um dann zu entscheiden‘, reicht das völlig aus.“
Schlüsselfunktionen besonders schützen
Im Zweifelsfall werden medizinische Fiebermessungen dann durch Mitarbeiter der werksärztlichen Abteilung durchgeführt. Diese unterstützen die Bewältigung der pandemischen Situation zudem durch Antikörperbestimmungen zum Nachweis der Immunität bei Genesenen und durch Tests zum Virusnachweis. So kann innerhalb von rund sechs Stunden verlässlich bestimmt werden, ob eine Infektion mit SARS-CoV2 gegeben ist oder nicht. „Das Verfahren funktioniert auch bei völliger Symptomfreiheit“, betont Harald Bischof, Leiter des Gesundheitsschutzes des Standortbetreibers. „Die ärztliche Abteilung bietet die Möglichkeit, um für Mitarbeiter in besonderen Schlüsselfunktionen eine Corona-Infektion auszuschließen und so das Risiko einer Einschleppung in besonders sensible Bereiche zu minimieren.“
Das Serviceunternehmen bietet eine ganze Reihe sensibler Leistungen, die von kritischer Bedeutung für die Partner vor Ort sind: die Versorgung mit Strom, Dampf und Kälte etwa oder die Entsorgungsleistungen. Der zweifelsohne sensibelste Bereich ist jedoch die Werkfeuerwehr. Deren Einsatzfähigkeit ist in einem Chemiepark, in dem zahlreiche Betriebe der Störfallverordnung unterliegen, notwendige Bedingung der Produktionsgenehmigung. Ein pandemiebedingter Ausfall von Werkfeuerwehrleuten könnte also – im Worst-Case-Szenario – zum Produktionsstillstand eines gesamten Standorts führen. Daher befindet sich die Werkfeuerwehr seit Anfang März im kontinuierlichen Pandemie-Einsatz-Modus. Um alle notwendigen Maßnahmen standortübergreifend zu koordinieren, tagt der Einsatzleitungsstab der Werkfeuerwehr per Videokonferenz in regelmäßigen Abständen.
Jede Unterbesetzung einer Schicht ist behördlich meldepflichtig. „Anders als ein Produktionsbetrieb darf die Werkfeuerwehr aufgrund der gesetzlichen Vorgabe fehlende eigene Kräfte nicht durch Mitarbeiter externer Dienstleister ersetzen“, gibt Stephan Hummel, Leiter Brandschutz, zu bedenken. „Deshalb haben wir aus Gründen der Infektionsprävention unsere Schichten und taktischen Einheiten vorsorglich voneinander getrennt.“ Das Prinzip hat sich bewährt und wird mittlerweile in allen Leistungsfeldern, in denen weiterhin Schichtdienst erforderlich ist, als Teil eines umfassenden Schutzkonzepts angewandt. Bei Schichtübergaben haben die einzelnen Schichten keinen direkten Kontakt zueinander; in vielen Bereichen wurde die Schichtdauer auf bis zu 12 Stunden erhöht, um Fluktuationen zu minimieren.
Schnelle Kommunikation
Last but not least ist eine der Sondersituation angepasste Kommunikation Teil des Gesamtpakets an Corona-Maßnahmen. Ziel: produktivitätszehrende Informationsmängel, Zweifel und Spekulationen minimieren. So hat der Dienstleister für die eigenen Mitarbeiter innerhalb weniger Tage eine Handy-App realisiert, die über Push-Infos Lageupdates verteilt und über einen permanent erweiterten Frage-und-Antwort-Bereich verfügt. Detaillierte Informationen über veränderte Zugangsprozesse zum Werksgelände für Chemieparkmitarbeiter, Besucher und Fremdfirmen finden sich laufend aktualisiert und für alle einsehbar im Internet. (op)