Chemielogistiker auf der Suche nach neuen Ideen und Impulsen
Sebastian Brehm, Hoyer, im Interview
Innovative Ansätze und neue digitale Lösungen geben der Chemielogistik Impulse, eingefahrene Routinen zu durchbrechen. Gerade als etabliertes Unternehmen kann man hierbei von jungen Talenten und ihren frischen Ideen lernen und profitieren. Deshalb ist Sebastian Brehm, Head of SHEQ and Innovation, Business Unit Chemilog bei Hoyer als „Scout“ unterwegs. Im Interview mit Sonja Andres von CHEManager erläutert er, was dahinter steckt.
CHEManager: Herr Brehm, innovative Lösungen suchen und damit Branchenstandards setzen, war bislang stets eine Devise bei Hoyer. Können Sie hierzu ein markantes Beispiel aus jüngerer Zeit nennen, von dem auch die Chemiebranche profitiert?
Sebastian Brehm: Mut zum innovativen Denken und zur Veränderung ist bei Hoyer von jeher elementarer Teil der Unternehmensphilosophie. Wir beobachten daher die Entwicklungen auf dem Markt sehr genau und sind offen für neue Wege. So wird beispielsweise die Business Unit Gaslog noch in diesem Jahr Fahrzeuge mit Flüssigerdgasantrieb testen, um unseren CO2-Abdruck zu verringern. Das tiefkalt verflüssigte Erdgas LNG (Anm. d. Red.: Liquified Natural Gas) wird also künftig nicht nur als Produkt transportiert, sondern sorgt auch für den nötigen Antrieb. Für einen schadstoffarmen und lärmreduzierten Verteilerverkehr im städtischen Bereich nutzen wir zunehmend Fahrzeuge mit CNG-Antrieb (Anm. d. Red.: Compressed Natural Gas).
Mitarbeiter- und Kundennähe sind der Ausgangspunkt für viele Innovationen – sei es digital oder analog. Ziel ist es immer, die Wünsche der Kunden noch besser zu erfüllen und Prozesse effizienter, wirtschaftlicher und sicherer zugleich zu gestalten. Ein Beispiel dafür sind unsere elektrisch beheizbaren Intermediate Bulk Container (IBC): Die unternehmenseigene Entwicklung führte durch den Austausch von Know-how zwischen Hoyer und IBC-Produzenten letztlich zu einer branchenweiten Veränderung. Inzwischen können Kunden präzise Temperaturangaben der Heizleiter und des Produkts auslesen.
Was das Equipment anbelangt, hat Hoyer gerade im Containerbereich mit den Flexitanks eine interessante Lösung auf den Markt gebracht. Was sind deren Besonderheiten?
S. Brehm: Die Flexitanks aus linearem Polyethylen niederer Dichte (LLDPE) stellen vor allem eine kostengünstige Alternative zu herkömmlichen Tankcontainern dar. Für die einmalige Benutzung ausgelegt, sind sie einfach in der Handhabung und dennoch ausreichend robust, um auch große Mengen an Flüssigkeiten, wie Lebensmitteilprodukte oder harmlose Chemikalien, aufzunehmen. Hinzu kommt, dass durch den Einsatz von Flexitanks gegenüber IBC oder Fässern signifikante Volumeneinsparungen pro Lieferung möglich sind. Das Material ist übrigens recycelbar.
Auch die Composite Tanks sind eine Lösung gerade für den Chemikalientransport. Wann bietet sich deren Einsatz an mit welchen Vorteilen im Transport?
S. Brehm: Der Composite Tank ist ein weiteres, sehr gutes Beispiel dafür, wie bei uns innovative Produkte entwickelt werden: Gemeinsam mit einem Kunden wurden logistische, technische und sicherheitsbezogene Anforderungen definiert und durchdacht. Herausgekommen ist ein Kunststofftank, der speziell für den Transport von Dispersionen, AdBlue und Weichmachern konzipiert ist und durch sein geringes Gewicht von 2.200 kg bei einem Fassungsvermögen von 31.000 l eine um etwa eine Tonne höhere Ladungskapazität gegenüber herkömmlichen Edelstahlcontainern aufweist. Dadurch werden neben den Transportkosten auch die CO2-Emissionen reduziert.
Das Thema Digitalisierung ist in der Logistik längst angekommen. Was verbirgt sich hinter dem Begriff „Smart Tank“? Welchen Nutzen haben die Kunden aus der chemischen Industrie daraus?
S. Brehm: Mit dem Smart Tank sind wir der Nachfrage nach mehr Transparenz in der Lieferkette nachgekommen. Kunden wollen verständlicherweise möglichst genau den Zustand ihrer Ware auf dem Weg von A nach B nachvollziehen können. Doch dafür mussten wir zunächst einen Weg finden, diese Daten zu erfassen und senden zu können. Das ist uns mit der Entwicklung von insgesamt vier Sensorentypen gelungen. Positionsdaten ermöglichen Statusmeldungen für die Supply Chain, der Temperaturfühler steuert das aktive Temperaturmanagement sensibler Produkte. Drucksensoren und Füllstandsmesser erhöhen die Sicherheit zusätzlich.
Die digitale intermodale Lieferkette: Wie wird sie bei Hoyer umgesetzt?
S. Brehm: So vielfältig unser Unternehmen ist, so vielfältig sind auch die Ansätze im Bereich Innovation. Aktuelle Beispiele reichen von der klassischen Equipment-Entwicklung über die interne Weiterbildung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch Schulungsinhalte, die über die Bordcomputer abgerufen werden können, bis hin zur papierlosen Verwaltung von Reinigungsdokumenten. All diese Maßnahmen tragen zur Digitalisierung der intermodalen Lieferkette bei, wovon letztlich natürlich auch die Chemiebranche profitiert.
Herr Brehm, Sie sind für Hoyer als „Scout“ unterwegs. Was ist darunter zu verstehen? Welche Aufgaben nehmen Sie in dieser Funktion wahr?
S. Brehm: Diese Funktion beinhaltet vor allem die Beobachtung aktueller Entwicklungen im Bereich der Digitalisierung. Dabei geht es nicht immer nur um Logistik. Auch eigentlich fachfremde Unternehmen stehen vielleicht gerade vor derselben Herausforderung wie unser Unternehmen oder ein Start-up hat bereits eine Lösung, die auch für uns interessant sein könnte. Hier ist der Austausch wichtig, denn man kann unheimlich viel voneinander lernen. Mein Job ist es dann, mögliche Schnittstellen zu identifizieren, um gemeinsam neue Impulse zu setzen.
Gemeinsam mit der Factory Berlin sind Sie auf der Suche nach neuen Ideen und Talenten. Was suchen Sie hierbei konkret und welche Vorteile haben die jungen Talente durch eine Vernetzung bzw. Kooperation mit Hoyer?
S. Brehm: Wir suchen zum einen ganz konkret nach neuen Impulsen und Synergien zu unserem bestehenden Geschäftsmodell. Der Vorteil für junge Unternehmer besteht dann in der großen Erfahrung, mit der Hoyer sie unterstützen kann sowie der Möglichkeit, eigene Ideen und Projekte in der Realität ausprobieren zu können.
Hinzu kommt, dass eine neue Generation an Arbeitnehmern heranwächst, die völlig andere Vorstellungen von ihrem Arbeitsalltag haben. Das heißt, wir sammeln hier auch Erfahrungen mit neuen Arten des Zusammenarbeitens, um unsere Attraktivität als Arbeitgeber in Zukunft beizubehalten, wenn nicht sogar steigern zu können.
Ein anderer wichtiger Punkt ist, dass in jüngster Vergangenheit disruptive Ideen komplette Branchen auf den Kopf gestellt haben. Auch wenn wir unser Geschäftsmodell derzeit nicht infrage stellen müssen, möchten wir doch auf alle Eventualitäten bestmöglich vorbereitet sein und beugen darum proaktiv vor, indem wir Entwicklungen frühzeitig erkennen, einschätzen und unsere Schlüsse daraus ziehen. Dafür ist die Factory im Herzen der Berliner Start-up-Szene genau der richtige Ort.
Sind bereits erste Projekte angegangen worden und können Sie hierzu schon berichten?
S. Brehm: Noch sind wir in der Startphase, haben aber bereits einige vielversprechende Gespräche geführt und sind der einen oder anderen Sache auf der Spur. Genaueres werden wir zu gegebener Zeit bekanntgeben, wenn sich die Dinge konkretisiert haben.
Wie beurteilen Sie die Zukunft dieses „Talent“-Netzwerks auch im Hinblick auf Ihre Branchenlösungen?
S. Brehm: Wir denken, dass wir mit dieser Herangehensweise einen sehr guten Lösungsansatz für die sich immer schneller entwickelnden Technologien und den damit wachsenden Anforderungen an die internationale Supply Chain gefunden haben. In vielen Branchen ist der Einsatz bestimmter Technologien bereits völlig selbstverständlich, bei anderen Themen sind wir vorn. Das Talent-Netzwerk bietet die Möglichkeit gegenseitig voneinander zu lernen, daran zu wachsen und letztlich auch dazu, neue Branchenlösungen zu entwickeln.