Chemie-Werkfeuerwehren bieten neuen Service
Werksärzte untersuchen künftig öffentliche Gefahrenabwehrkräfte
Mit einem neuen Angebot verstärkt das Transport-Unfall-Informations- und Hilfeleistungssystem (TUIS) der chemischen Industrie seine Unterstützung für Feuerwehren und andere Rettungskräfte: Wer bei einem Transportunfall mit Chemikalien im Einsatz war, kann sich anschließend werksärztlich im Rahmen eines sog. Human-Biomonitorings beraten und gegebenenfalls untersuchen lassen. Dieses Vorhaben stellte Peter Schäfer, Vorsitzender des Arbeitskreises TUIS im Verband der Chemischen Industrie (VCI), auf einer Pressekonferenz beim Kupferproduzenten Aurubis in Hamburg, deren Werkfeuerwehr Teil des TUIS-Netzwerkes ist, vor. Schäfer betonte: „Die öffentlichen Gefahrenabwehrkräfte sollen künftig vom besonderen Know-how unserer Werksärzte profitieren. Damit wollen wir unserer gesellschaftlichen Verantwortung noch stärker als bisher gerecht werden.“ Außerdem erläuterte Schäfer die aktuelle Einsatzstatistik und präsentierte erste Erkenntnisse aus der TUIS-Zukunftsstudie.
In der chemischen Industrie ist es Standard, nach einem Einsatz die beteiligten Werkfeuerwehrleute ärztlich zu beraten. Wenn notwendig, wird ein Human-Biomonitoring (HBM) durchgeführt, in dem mit analytischen Methoden nach chemischen Stoffen im Körper gesucht und ihre Konzentration gemessen wird. Mit Hilfe des HBM lässt sich so feststellen, ob Rettungskräfte Gefahrstoffe durch Einatmen, über die Haut oder nach Verschlucken aufgenommen haben. Mehrere Unternehmen treffen Vorbereitungen, um diesen Service im laufenden Jahr auch öffentlichen Gefahrenabwehrkräften anzubieten. Wenn Mitglieder von Berufs- und Freiwilligen Wehren dieses Angebot nach einem Einsatz nutzen möchten, können sie sich künftig an eine TUIS-Werkfeuerwehr in der Nähe des Einsatzortes wenden. Von dort werden sie zu einem Werksarzt weitergeleitet und entsprechend betreut.
TUIS-Einsätze gehen erneut zurück
Die aktuelle Statistik zeigt, dass die öffentlichen Einsatzkräfte TUIS weniger in Anspruch nehmen: 2016 halfen die Chemie-Werkfeuerwehren in insgesamt 636 Fällen. Ein Jahr zuvor waren es noch 760 Einsätze. Ein differenziertes Bild ergibt die Analyse der drei Hilfeleistungsstufen: Die Zahl der Telefonberatungen lag 2016 mit 554 moderat unter dem Vorjahr mit 634 Beratungen. Sie bleiben damit weiter auf einem recht hohen Stand. Eine Fachberatung am Unfallort fand 2016 in 36 Fällen statt. Dieses Unterstützungsangebot von TUIS ist damit gegenüber dem Vorjahr (2015: 36 Einsätze) stabil geblieben. Der seit etwa zehn Jahren zu beobachtende rückläufige Trend bei der technischen Hilfe am Unfallort setzte sich auch im vergangenen Jahr mit 46 Einsätzen fort. (2015: 90 Einsätze).
Den Rückgang der Einsätze begründete Schäfer damit, dass zum einen die Sicherheit der Transporte weiter gestiegen ist. Zum anderen seien die öffentlichen Gefahrenabwehrkräfte im Vergleich zu früher wesentlich besser ausgerüstet. Sie verfügen mittlerweile über Chemieberater und ABC-Abwehrzüge mit entsprechendem Equipment. Weiter spielten auch die heutigen Informationsmöglichkeiten in der vernetzten Welt eine mögliche Rolle: „Nie war es so einfach, sich Informationen zu beschaffen. Diese Tatsache trägt sicherlich mit zur rückläufigen Nachfrage in der telefonischen Beratung bei“, erläuterte der TUIS-Vorsitzende.
Regionale Entwicklung
Die meisten TUIS-Einsätze gab es in Nordrhein-Westfalen. In und über die Schwerpunktregion der chemischen Industrie in Deutschland laufen auf Schiene, Straße und dem Rhein als Hauptwasserweg sehr viele Chemietransporte. 2016 gab es in NRW 258 Einsätze. Rheinland-Pfalz hat seit Jahren die zweithäufigsten Einsätze; 2016 waren es 184. In Hessen lag die Zahl der TUIS-Einsätze im vergangenen Jahr bei 77. Hier ist also eine Entwicklung gegen den Trend erkennbar. Die Einsatzzahlen sind gestiegen, wenn auch nur gering. Dieses Beispiel zeigt, dass eine Interpretation der Statistik mehr als schwierig ist.
Art der Hilfeleistung
Bei den technischen Hilfeleistungen mussten die TUIS-Werkfeuerwehren bei weit mehr als jedem dritten Einsatz eine Flüssigkeit umpumpen (43%); in 30% der Fälle dichteten sie ein Leck ab. Ein Produkt vom Unfallfahrzeug wurde in 15% aller Einsätze von einem anderen Transporter übernommen. Der Rest (12%) der Einsätze betraf die Entsorgung von Unfall-Ladung.
Mehr als die Hälfte der Einsätze (52%) wurden durch Unfälle verursacht. Zu 24% führte fehlerhafte Ladungssicherung zum Einsatz. Ebenso waren Materialschäden mit 24% der Anlass für die Hilfe.
Deutschland unterhält vielfältige Verkehrswege mit dichtem Verkehr, mit einem hohen Gütertransportaufkommen und Gefahrguttransporten. Darauf sind alle Gefahrenabwehrkräfte eingestellt. Aber rund 1.000 Mal im Jahr brauchen sie fachkundige Hilfe: bei Transportunfällen mit Chemikalien, aber auch bei Produktions- und Lagerunfällen.
Die TUIS-Broschüre skizziert die drei Stufen des Hilfeleistungssystems und die Funktionsweise der Datenbank, aber auch die europa- und deutschlandweite Vernetzung mit Kooperationspartnern. Eine aktuelle Liste der Notrufzentralen und eine Standortkarte zu den Mitgliedsfirmen runden die Darstellung ab. (op)
Vernetzung mit Personal, Technik und Know-how
TUIS leistet seit 1982 bei Transport- und Lagerunfällen mit chemischen Produkten in Deutschland per Telefon oder am Unfallort fachliche Hilfe. Rund um die Uhr, jeden Tag im Jahr. Berufs- und Freiwillige Feuerwehren, Polizei oder andere Katastrophenschutzhelfer sowie die Deutsche Bahn können bei den TUIS-Werkfeuerwehren kostenlos telefonische Beratung (Stufe 1), Fachleute vor Ort (Stufe 2) und technische Hilfe (Stufe 3) anfordern. An TUIS sind rund 130 Chemieunternehmen mit ihren Werkfeuerwehren und Fachleuten beteiligt.
Mit Blick auf die zurückgehenden Einsätze sowie die demografische Entwicklung bei den Werkfeuerwehren und in der öffentlichen Gefahrenabwehr hat der VCI eine „TUIS-Zukunftsstudie“ bei der Bergischen Universität Wuppertal in Auftrag gegeben. Darin wird die Rolle der Chemie-Werkfeuerwehren bis 2030 beleuchtet. Erste Erkenntnisse zeigen: In der Vernetzung der Werkfeuerwehren mit Personal, Technik und Know-how sieht die Studie eine der besonderen Stärken von TUIS. Dabei zeichnen sich auch kleinere Unternehmen durch ein umfangreiches Fachwissen im Umgang mit Spezialchemikalien aus. Sie sind somit im Einsatzfall ebenfalls eine wichtige Informationsquelle für die örtlichen Feuerwehren. Diese Vernetzung sei auch weiter essenziell. Um TUIS fit für die Zukunft zu machen, empfiehlt die Studie zweierlei: Das bestehende Fachwissen der Werkfeuerwehren müsse – im Sinne eines entsprechenden Change-Managements – gesichert werden. So könne man einem Kompetenzverlust methodisch entgegenwirken. Darüber hinaus sollten der bisherige Austausch und die Zusammenarbeit mit den öffentlichen Feuerwehren in einem kooperativ-integrativen Ansatz ausgebaut werden. Die Werkfeuerwehren der Chemie wollen nun mit Hilfe der Studienergebnisse bis Ende 2017 eine Strategie für die künftige Ausrichtung von TUIS ableiten.
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