Betriebsingenieur in einer digitalen Welt
8. Jahrestreffen der Betriebsingenieure zeigt Trends, Konzepte und Praxislösungen
„Trends, Konzepte, Praxislösungen in einer digitalen Welt“ war das Thema des 8. Jahrestreffens der Betriebsingenieure Anfang November in Frankfurt.
„Trends, Konzepte, Praxislösungen in einer digitalen Welt“ ist das Thema der diesjährigen Veranstaltung, die sich den täglichen Herausforderungen des betrieblichen Alltags rund um die Produktionsanlage widmet und dabei den Fokus auch auf den Erfolgsfaktor Mensch richtet, dessen Rolle sich in einer zunehmend digitalen Welt verändert.
Dipl.-Ing. Jens von Erden, Leiter der Instandhaltung am BASF Standort Ludwigshafen und Vorsitzender des VDI-Fachbereichs „Betrieb verfahrenstechnischer Anlagen“ beleuchtet mit der Frage „verändert sich die Maintenance disruptiv?“ die möglichen Konsequenzen der Digitalen Transformation auf das Berufsbild des Betriebsingenieurs. Aus den drei Grundpfeilern des Betriebes prozesstechnischer Anlagen: Wirtschaftlichkeit, „Licence to operate“ und Nachhaltigkeit leiten sich bisher die Grundaufgaben der Betriebsingenieure ab. Diese bleiben durch den technologischen Wandel im Rahmen der Digitalen Transformation weiterhin aktuell. Jedoch unterstützen die neuen digitalen Technologien und Werkzeuge durch ihre zunehmende Praxistauglichkeit den Betriebsingenieur in steigendem Maße bei der Erfüllung seiner Pflichten. „Deshalb sollten wir diesen neuen Möglichkeiten interessiert und offen gegenübertreten und diese wo immer sinnvoll und möglich testen und einsetzen. Dabei muss uns bewusst sein, das verlässliche Erfolgsfaktoren der Vergangenheit zunehmend in Frage gestellt werden und teilweise einem disruptiven Wandel unterworfen sein werden.“, führt Jens von Erden aus.
Zusammen mit Dr. Christian Poppe, Leiter der Instandhaltung Covestro Leverkusen, engagiert er sich daher im VDI-Zertifikatslehrgang „Betriebsingenieure“: „Die ersten Teilnehmer haben den Zertifikatslehrgang erfolgreich absolviert und fühlen sich sehr gut auf die Betreiberverantwortung und die anspruchsvollen Arbeitssituationen vorbereitet. Wir haben einen richtungsweisenden Lehrgang mit elementaren Lehrinhalten etabliert, der inzwischen auch von branchenfernen Unternehmen, z. B. der Energiewirtschaft genutzt wird. Damit garantieren wir, dass der Produktionsstandort Deutschland mit top-ausgebildeten Mitarbeitern im internationalen Vergleich bestehen kann.“
Im Folgenden werden die Schwerpunkte der Vorträge zusammengefasst und Lösungsansätze vorgestellt, um gemeinsam einen Dialog zu diesen aktuellen Thematiken zu beginnen
Digital Maintenance und Digital Production
Markus Ahorner, Ahorner & Partner, Ratingen
Digitalisierung entwickelt sich allmählich vom Schlagwort zur großen Prophezeiung, die uns paradiesische, industrielle Welten verheißt. Doch die Realität sieht anders aus. Auch wenn neue Maschinen überall immer „intelligenter“ zu werden scheinen: Wir haben es mit vielen Altanlagen zu tun, aus denen wir die Optimierungen im Schweiße unseres Angesichts gewinnen müssen. Damit nicht genug: Angeblich liegt gerade die Prozessindustrie in Sachen Digitalisierung weit zurück – und ist von den Pforten des Paradieses weit entfernt. Stimmt das?
Das Gegenteil ist der Fall. Kaum eine Industrie eignet sich so gut für den Einstieg in die Digitalisierung! Gerade in der Prozessindustrie lassen sich kurzfristig enorme Potenziale heben. Schon heute eignet sich die Prozessindustrie kurzfristig für zwei konkrete Digitalisierungsansätze: Smarte Produktion und Smarte Instandhaltung.
Welche Methoden und Möglichkeiten des maschinellen Lernens gibt es, sind erforderlich und wann sind diese sinnvoll einsetzbar? Warum eignen sich Industrieprozesse so hervorragend für die Datenmodellierung? Ist es wirklich möglich, mit einer einzigen Methode der Datenbehandlung auf verschiedenen Wegen zu einer Smarten Fabrik zu gelangen? Und wie überstehen Unternehmen und Mitarbeiter das Fegefeuer aus Business Cases und Pilotierung? Am Beispiel konkreter Use Cases können neuen Geschäftsmodelle und Optimierungspotenziale abgeleitet werden.
Nutzen der Digitalisierung – Beispiele aus dem betrieblichen Alltag
Michael Höchel, BASF, Ludwigshafen
Die Digitale Transformation des BASF-Standorts Ludwigshafen schreitet konsequent voran – die Digitale Anlage spielt dabei eine zentrale Rolle. Hierunter wird ein integriertes Datenmodell verstanden, welches 2D-, 3D- und Betriebsdaten der Anlage in sich vereint und interaktiv verknüpft abrufbar macht. Auf dieser Basis setzen zahlreiche digitale Anwendungen auf, die alle Phasen des Anlagenlebenszyklus unterstützen und effizienter gestalten.
Geeignete Werkzeuge und Methoden, notwendige Strukturen z. B. in der eigenen Organisation oder am Dienstleistermarkt und vor allem auf digitale Methoden aufsetzende Arbeitsprozesse bilden die Grundlage der Digitalisierung, stellen aber gleichzeitig auch eine Herausforderung dar. So ist das Vorhaben in erste Linie ein Change-Projekt und weniger eine IT-Maßnahme – das Implementierungskonzept von Digital Plant zeigt dies sehr deutlich. Ohne konsequente Veränderung der Arbeitsweise bleibt die Digitale Anlage vergleichbar wertlos wie eine lückenhaft gepflegte Papierdokumentation.
Viele praxisnahe Beispiele aus Pilotierung und Rollout erzeugen positive Rückmeldung bei den Anwendern und münden in einem ersten positiven Business Case; so beispielsweise das Redlining direkt im 3D-Modell, die virtuelle Ausplanung von Instandhaltungs- und Turnaround-Maßnahmen und deren digital unterstützte Abwicklung sowie die Online- und vor-Ort-Verfügbarkeit von anlagenspezifischen Detailinformationen. Aspekte der Arbeitssicherheit und Weiterbildung runden das Bild ab. Gleichzeitig schafft die Digitale Anlage die Grundlage für Weiterentwicklungsthemen wie Augmented Reality.
Messtechnik und Vernetzung in der Prozessindustrie – aktuelle Praxisbeispiele und Konzepte
Ralf Willmes, Endress+Hauser Messtechnik, Weil am Rhein
Die vierte industrielle Revolution bietet mit ihren innovativen Konzepten weitreichende Einspar- und Verbesserungspotentiale auch für die Prozessindustrie. Der Kerngedanke ist hierbei, die Maschinen- und Anlagendaten aus dem Produktionsumfeld herauszuholen und mit den Daten und Informationen aus dem restlichen betrieblichen Umfeld zu verknüpfen. Ein übergreifender Datentransfer zwischen Produktions-, Arbeits- und Geschäftsprozessen eines Unternehmens, gepaart mit einem zentralen Daten- und Informationsmanagement in der Unternehmens-Cloud, führt zu einer durchgehenden Verfügbarkeit von Informationen an jedem Ort zu jeder Zeit – der Grundlage für Lösungen und Applikationen zur Effizienzsteigerung, Kostenersparnis und Vereinfachung von Prozessen rund um die Produktion.
Ein gutes Beispiel für solche Applikationen ist die vorausschauende Wartung von Feldgeräten, die hierfür in der Lage sein müssen, eine Selbstdiagnose durchzuführen – bei einem Durchflussmessgerät beispielsweise zur Erkennung der Abnutzung des Messrohres durch Abrasion oder Korrosion. Dieser Diagnosewert wird vom Gerät zyklisch in die Unternehmens-Cloud übertragen. Durch entsprechende Datenanalysen in der Cloud werden Trends festgestellt und durch Extrapolation von Trendkurven können Aussagen zum verbleibenden Abnutzungsvorrat und somit zum optimalen Wartungszeitraum getroffen werden. Dadurch, dass in der Cloud auch die Daten der Produktionsplanung, Lieferzeit von Geräten und Informationen weiterer Arbeits- und Geschäftsprozesse verfügbar sind, kann nicht nur der Wartungseinsatz passgenau geplant, sondern auch für die rechtzeitige Bereitstellung der benötigten Ressourcen gesorgt werden. Schlussendlich bekommt der zuständige Instandhalter eine Meldung über den geplanten Wartungstermin direkt auf sein Smartphone, verbunden mit weiteren Informationen, beispielsweise Handlungsempfehlungen, Dokumente zur Messstelle oder eine Liste mit benötigtem Werkzeug.
Möglichkeiten des Laserscannings in Bestandsanlagen – vom Analogen zum Digitalen – Praxisbeispiele
Pascal Morovic, Bilfinger Peters Engineering, Ludwigshafen & Martin Karch, Bilfinger Peters Engineering, Ludwigshafen
Mit dem Laserscanning hat sich ein modernes Aufnahmeverfahren in der Anlagendokumentation und Anlagenplanung etabliert. Das Aufmaß erfolgt in kürzester Zeit, mit hoher Genauigkeit und in einem Detailierungsgrad, der bisher durch die konventionelle Vermessung so nicht gegeben war. Die Kosten für den Laserscan richten sich nach Komplexität und Größe des zu erfassenden Bereiches und sind zumeist nach einer gemeinsamen Begehung abzuschätzen. Das Laserscanning ist mit den Jahren immer effizienter geworden, so dass dieses Verfahren inzwischen schon bei kleinen Umbaumaßnahmen im Anlagenbestand erfolgreich angewendet wird.
Das Ergebnis eines jeden Laserscans ist neben den 360°-Panoramaansichten zunächst eine Punktwolke mit bis zu mehreren Milliarden Einzelpunkten. Jeder Punkt verfügt über eine 3D-Koordinate und weitere optionale Informationen wie die Reflektionsstärke oder den gemappten Farbwert, womit ein fotorealistisches Farbbild erzeugt werden kann.
Die Möglichkeiten der Auswertung sind vielfältig. So konnten in den letzten 15 Jahren angepasst an die Kundenbedürfnisse die verschiedensten Anwendungsmöglichkeiten ausgearbeitet werden. Je nach Wunsch kann z. B. die Planung eines Umbaus einer Altanlage direkt in 3D in der Punktwolke erfolgen oder ein As-Built 3D-Modelle erzeugt werden. Die Aufnahme vereinfacht unter anderem das Planen in schwer zugänglichen Bereichen wie z. B. bei Kontamination oder in Reinsträumen.
Der Nutzen eines Scans reicht von der vereinfachten Dokumentation, über den 3D-Druck eines vereinfachten 3D-Modells, bis hin zu einer örtlich ungebundenen Planung in komplexen Bestandsanlagen.
Gleitringdichtungen als Vehikel zur Arbeitsersparnis in der mechanischen Instandhaltung
Patrick Essig, Depac Anstalt, Eschen/Liechtenstein
Bei allem Fortschritt und technischen Neuerungen beim Betrieb von rotierenden Aggregaten, wie z. B. Pumpen und Rührwerken, stehen Verfügbarkeit und Wirtschaftlichkeit immer an oberster Stelle. Nicht betriebsfähige Anlagen binden sowohl monetäres, als auch betriebliches Kapital in Form von Manpower und Maschinen. Die Vielfalt der über die Jahre in unserer Branche eingesetzten Abdichtungssysteme macht es sehr schwierig, eine Transparenz herzustellen. Die Erfahrungen zeigen jedoch, dass eine Vielzahl von Anlagenausfällen mit den Dichtungssystemen selbst oder deren Peripherie in direktem Zusammenhang stehen.
Ein Großteil dieser Ausfälle beruht auf alt-gedienten Konstruktionsprinzipien, die ihren Zenit schon lange überschritten haben, aber aufgrund ihres breiten – ja fast standardisierten – Einsatzes in allen Bereichen als selbstverständlich anerkannt sind. Fortschritt ist, wenn diese Anlagenausfälle mit neuen Konstruktionsprinzipien und anderen Herangehensweisen minimiert und die Standzeiten der Aggregate maßgeblich verlängert werden können.
Als einfaches Beispiel kann das Einlaufen der Dichtung auf Wellen und Wellenschonern dienen – allseits bekannt und oft als gegeben akzeptiert. Bei vielen Ausfällen – insbesondere von Pumpen – lassen sich unterhalb der Sekundärdichtelemente Riefen an den Anlagenteilen, zu denen abgedichtet wurde, erkennen. Durch diese Riefen wurden dann Aggregatsbauteile – wie zum Beispiel Wellen oder Wellenschonhülsen – zerstört. Und in den meisten Fällen sind diese Teile teurer als die Dichtung selbst.
Nach zielorientierter Betrachtung und mithilfe durchdachter Dichtungskonstruktionen können Reparaturen an rotierenden Aggregaten langfristig bis über fünfzig Prozent reduziert werden. Somit werden Ersatzteile und Arbeitszeit eingespart und Anlagenstillstände im Zusammenhang mit Dichtungsschäden vermieden.
Keep the water out – Vermeidung von Korrosion unter Isolierungen
Christos Christoglou, Covestro Deutschland AG, Dormagen
Vor der Energiekrise in den 1970er Jahren wurden thermisch beanspruchte Komponenten nur sporadisch isoliert, da die Energiekosten gering waren. Mit der Ölkrise änderte sich die Situation schlagartig. Gleichzeitig wurden neue Prozessverfahren entwickelt, die zyklische Temperaturen erforderten. Korrosion unter Isolierungen (CUI- corrosion under insulation) trat von diesem Zeitpunkt an häufiger auf.
CUI ist kein neues Phänomen, jedoch beschäftigt es die chemische Industrie in letzter Zeit – auch vor dem Hintergrund älter werdender Bestandsanlagen – vermehrt auch auf globaler Ebene. Wenn Feuchte in oder unter die Dämmung gerät, kann es zur Korrosion unter Isolierung kommen. Diese Korrosion kann in Kombination mit den herrschenden Bedingungen an der Metalloberfläche zu chlorinduzierter Spannungsrisskorrosion (SpRk) oder lokalem bzw. auch flächigem Abtrag führen. Eine Vielfalt an Faktoren beeinflussen die Gefahr der Korrosion unter Isolierungen, dazu gehören unnötige Isolierungen, Ausführung der Montage, Qualität des Korrosionsschutzes, Konzepte für Rohrhalterungen, Optimierung von Einbaulagen verschiedener Komponenten, Sensibilisierung der Mitarbeiter, Inspektionen und weitere Einflüsse.
Auch der beste Korrosionsschutz bestehend aus Anstrich bzw. Beschichtung oder teurere metallische Materialien können angegriffen werden. Zielführend ist das Vermeiden des Feuchteeintritts, dazu müssen die verschiedenen Einflussfaktoren analysiert werden sowie geeignete Maßnahmen oder deren Kombinationen umgesetzt werden.
Multikopter-Inspektionen – Intelligenter und effizienter Einsatz aus der Luft
Christoph Röhrig, UniPer Technologies, Gelsenkirchen
Multikopter spielen eine weiter stark wachsende Rolle in der Zustandsbewertung und Inspektion von Anlagenteilen. Insbesondere in schwer zugänglichen Bereichen können sie durch kurzfristig zu realisierenden Einsatz Effizienzvorteile im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren zur Geltung bringen. Neben Kosteneinsparungen liegt ein Hauptaugenmerk auf der Arbeitssicherheit durch Reduktion von Höhenarbeiten. Multikopter sind universell einsetzbar und durch Verwendung unterschiedlicher Sensoriken an die jeweilige Aufgabenstellung adaptierbar. Häufig werden hochauflösende Kamerasysteme zur Foto- oder Videodatenaufzeichnung verwendet, es sind aber auch Messequipments wie z. B. Infrarotkameras etabliert.
Grundsätzlich gehören zur Bilddatenerfassung die technische Analyse und der fachspezifische Befund des Bildmaterials. Daraus können Handlungsoptionen abgeleitet und entsprechend ihrer Dringlichkeit terminiert werden. Die gewerbliche Nutzung von Multikoptern unterliegt in Deutschland diversen rechtlichen Rahmenbedingungen, ebenso die Anforderungen an den Piloten, der diese Geräte steuert und handhaben soll. Die neue Richtlinie VDI 2879 Instandhaltung; Inspektion von Anlagen und Gebäuden mit UAV (Flug-Drohne) gibt dazu wichtige Hilfestellungen.
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Verein Deutscher Ingenieure e.V. (VDI)
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