Anlagenbau & Prozesstechnik

Auslegungssache

Scale-up und Engineering von Fermentern

03.04.2017 -

Überblick über Anforderungen an Fermenter, Entwicklungen im Bereich der Rührorgane, Lösungen für sicheren Scale-up und Methoden zur sicheren Auslegung der Apparatetechnik.

Fermentation als Bereich der Biotechnologie befasst sich u. a. mit der Nutzung von Mikro­organismen und Tier- oder Pflanzenzellen zum Aufbau chemischer Verbindungen. In modernen aeroben Fermentationsprozessen gewinnt man Stoffe wie Enzyme, pharmazeutische Wirkstoffe, Aminosäuren oder Vitamine als Stoffwechselprodukte von Mikroorganismen. Viele dieser Herstellungsprozesse verlaufen am effizientesten in gerührten Fermentern.
Die Bedeutung der Fermentation ist ungebrochen und nimmt besonders im Bereich der Herstellung von Monomeren auf Basis nachwachsender Rohstoffe zu. Die Entwicklung neuer Prozesse im Labormaßstab führt zu Anforderungen an einen schnellen und sicheren Scale-up auf den geeigneten Betriebsmaßstab.
Die enge Zusammenarbeit zwischen Prozessentwickler, Lieferant der rührtechnischen Lösung und EPC Contractor auf Basis von Kooperationsvereinbarungen erlaubt eine schnelle und kostengünstige Umsetzung der Labor­ergebnisse in eine funktionsfähige Großanlage.

Verfahrenstechnische Grundlagen
Nach der Entwicklung einer neuen fermentativen Route mit optimierten Mikro­organismen werden typischerweise erste Fermentationen im Labormaßstab in Rührkesseln von ca. 1 – 20 l durchgeführt, die als erste Grundlage für den Scale-up in den Produktionsmaßstab dienen. Die Kenntnis folgender Parameter ist auf Grund biologischer und verfahrenstechnischer Aspekte relevant:

  • Optimale Bedingungen bzgl. Temperatur T, pH, Sauerstoffkonzentration cL und einzuhaltende Grenzwerte der CO2-Konzentration
  • Sättigungskonzentration c*
  • Sauerstoffbedarf OUR (oxygen uptake rate) und CO2-Produktion
  • Informationen zu Holdup und Schaumbildung
  • kLa-Profile (in Abhängigkeit von Rheologie und Antischaummittel)
  • Wärmeentwicklung durch Metabolismus
  • Stoffwerte wie Viskosität η bzw. Rheologie und Flüssigkeitsdichte pL
  • Empfindlichkeit der Organismen gegenüber hydraulischen Kräften durch Rühren oder Begasung

Außerdem sind die Datenmitschriebe von Pilot-Fermentationen, die neben den o. a. Parametern auch Betriebsbedingungen wie Flüssigkeitsvolumen VL, Drehzahlen n, Begasungsraten qN bei Normbedingungen, Kopfdruck phead und Leistungseinträge durch Rührorgane P darstellen, für den Scale-up unabdingbar. Wenn der Leistungseintrag nicht oder nicht mit ausreichender Genauigkeit gemessen werden kann, ist es nötig, ihn über Korrelationen möglichst genau abzuschätzen.
Üblicherweise ist das Ziel eines Scale-up, die Konzentration an Biomasse und/oder die Produktivität, also die Ausbeute je Volumen, konstant zu halten. Um dies zu erreichen, muss sowohl die volumetrische Aufnahme an Sauerstoff durch die Mikroorganismen OUR als auch der volumetrische Sauerstofftransport über die Phasengrenzfläche OTR beim Scale-­up konstant bleiben.
Um über die Maßstäbe weiterhin ähnliche mittlere O2- und CO2-Konzentrationen zu erreichen, wird das Scale-up oftmals bei konstanter volumetrischer Begasungsrate, d.h. vvm = konst., durchgeführt. Für einen Fermenter mit Flachboden, innerem Durchmesser d1 und unbegaster Flüssigkeitshöhe h1 gilt


was in guter Näherung auch für Klöpperböden bei h1 > d1 gilt.
Für den Zusammenhang zwischen vvm und der Gasleerrohrgeschwindigkeit vS,g gilt



wobei der mittlere Druck über



berechnet wird. Hierbei ist pN der Druck unter Normbedingungen und g die Erdbeschleunigung. Da beim Scale-up h1 deutlich stärker ansteigt als pmittel, steigt auch vS,g beim Scale-up mit vvm = konst. deutlich an.
Dies hat positive Auswirkungen auf den Stoffübergangskoeffizienten kLa, der über



korreliert wird. Hierbei sind die Exponenten α und β in der Größenordnung von 0,2 – 0,7.
Mit Hilfe des kLa kann der Sauerstofftransport OTR (oxygen transfer rate) über die Phasengrenzfläche mittels



berechnet werden.
Wenn beim Scale-up neben vvm = konst. auch OTR = konst. gehalten wird, ergibt sich auf Grundlage der Gleichungen ein deutliches Verschieben der Betriebsbedingungen bzgl. P/VL und vS,g. Ein typisches Beispiel hierfür ist inder  Abb. unten dargestellt: während der spezifische Leistungseintrag P/VL mit zunehmendem Maßstab deutlich abnimmt, steigt vS,g deutlich an. In der Abbildung ist auch zu erkennen, dass auf diese Weise der Betriebsbereich mit zunehmendem Maßstab immer weiter auf die Flutgrenze zu wandert (Flutung unterhalb blauer Linie).
Wenn es zum Fluten kommt, kann die eingebrachte Luft vom Primärdispergierer nicht mehr dispergiert werden. Da dies im Bereich des gefluteten Rührorgans zu einem deutlichen Abfall der Phasengrenzfläche a führt, bricht auch der kLa und folglich der OTR massiv ein. Daher muss für den effizienten Betrieb des Fermenters das Fluten der Rührorgane unbedingt vermieden werden. Im Idealfall werden die Luftblasen vollständig im Fermenter verteilt (Zustand oberhalb roter Linie).
Darüber hinaus ist auch der Übergang von homogener zu heterogener Strömung zu berücksichtigen (orange Linie), der bei vS,g ~ 0,05 m/s stattfindet und von der Rheologie und dem Koaleszenzverhalten der Fermentationsbrühe abhängt. Der Übergang von homogener zu heterogener Strömung ist durch ein zunehmendes Auftreten von großen Luftblasen charakterisiert. Die kLa-Messergebnisse zeigen, dass die Korrelation der kLa-Messungen im homogenen Bereich (vS,g < 0,05 m/s) nicht in den heterogenen Bereich (vS,g > 0,05 m/s) extrapoliert werden kann. Die  Abbildung zeigt auch, dass der Rührorgantyp im heterogenen Bereich einen sehr großen Einfluss auf den kLa-Wert haben kann. Das Rührsystem mit Ekato Phasejet / Combijet erzielt hierbei deutlich höhere kLa-Werte als ein herkömmliches Hydrofoil-Rührsystem.
Für den Scale-up eines fermentativen Prozesses muss die kLa-Korrelation daher immer unter Verwendung der realen Fermentationsbrühe und unter ähnlichen hydrodynamischen Bedingungen gewonnen werden.

Scale-up
Das Scale-up aus dem Labor- in den Produktionsmaßstab gibt eine erste Einschätzung der möglichen Betriebsbedingungen und geometrischen Verhältnisse im Produktionsmaßstab. Um Flutung zu vermeiden, muss evtl. von einem geometrisch ähnlichen Scale-up abgewichen werden. Eine Überprüfung der kLa-Korrelation sollte dann in einem geeigneten Pilotmaßstab unter Verwendung des unter Produktionsbedingungen zu erwartenden Betriebsbereichs präzisiert werden. Das Scale-up aus dem Pilotmaßstab kann zu neuen Erkenntnissen führen, woraus sich eine iterative Vorgehensweise ergibt.
Mit zunehmender Fermentergröße kommt es zu immer längeren Mischzeiten und abnehmender Homogenität in Bezug auf Feedkomponenten wie z. B. Nährstoffe. Um zu vermeiden, dass die abnehmende Homogenität zu einer Limitierung der Produktivität führt, muss in ein sicheres Scale-up neben der Optimierung des Rührsystems und der Fermentergeometrie (h1/d1) zur Reduzierung der Mischzeiten auch die Identifizierung geeigneter Unterniveau-Dosierpunkte zur Verbesserung der Homogenität einfließen.
Darüber hinaus wird die verfahrenstechnisch sichere Auslegung durch die wärmetechnische Prüfung und die Berechnung der benötigten Kühlflächen flankiert.
Da die Fermentergeometrie ein wesentlicher Parameter sowohl für die verfahrenstechnische Optimierung als auch zur Reduzierung des Gesamtenergieeintrags aus Rührer- und Kompressorleistung darstellt, sollte die geometrische Detailplanung der Produktionsanlage im Idealfall auch erst nach Abschluss des Scale-­up begonnen werden. Im Idealfall besteht für die verfahrenstechnische und energetische Optimierung ein ausreichender Spielraum bzgl. der Geometrie und Betriebsparameter wie phead, P/VL und vS,g zur Verfügung.

Mechanische Aspekte
Bei der Auslegung des Fermenters – bestehend aus Behälter, Rührwerk und Einbauten wie Stromstörer, Wärmetauscher und Begasungsvorrichtung – werden die mechanischen Beanspruchungen häufig unterschätzt. Der Auslegungsdruck der Behälter liegt bei ca. 3 bar. Eine statische Auslegung auf diesen Lastfall erfordert auch unter Berücksichtigung des Rührwerksgewichts nur sehr dünne Wandstärken. Hinzu kommen allerdings dynamische Belastungen, die über die Rührwelle und die Lagerlaterne in den Behälterdeckel übertragen werden. Unzumutbare Schwingungen bis hin zu Anrissen am Rührwerksstutzen können die Folge sein, wenn die dynamischen Lasten nicht ausreichend berücksichtigt werden.
Auch Einbauten wie Wärmetauscher sind wegen der turbulenten Strömung im Behälter davon betroffen. Die spezifische Rührleistung in Fermentern liegt in der Größenordnung von 1 – 8 kW/m3. Neben der dynamischen Druckbelastung auf die Einbauten ist zu berücksichtigen, dass Wirbelablösungen die Wärmetauscherrohre in ihrer Eigenfrequenz anregen können. Resonanzschwingungen sind die Folge, Schäden treten meist schon nach kurzer Zeit auf. Die Folgekosten betreffen nicht nur Reparaturen und Umbauten; Produktverlust und Produktionsausfallkosten können diese noch bei Weitem übertreffen. Auch der Behälter mit seiner Tragkonstruktion ist ein schwingfähiges System, das in seiner Eigenfrequenz angeregt werden kann.
Um dem vorzubeugen, sollte eine Schwingungsanalyse bzw. FEM-Berechnung durchgeführt werden, um die Eigenfrequenzen von Behälter und Rührwerk zu bestimmen und gegebenenfalls durch geeignete Maßnahmen zu beeinflussen und so einen resonanzsicheren Betrieb zu gewährleisten.
Die Überprüfung auf etwaige Resonanzprobleme bei einem Rohrbündelwärmetauscher ist in der Abb. gezeigt. Hier konnten mithilfe der FEM-Berechnung deutliche Schwachstellen an dem vorhandenen Wärmetauscher mit unzulässig hoher Verformung aufgezeigt werden, die sich in der Folge durch einfache konstruktive Änderungen beseitigen ließen.
Das Rührsystem aus Phasejet und Combijet hat nicht nur prozesstechnische Vorteile. Die hydraulischen Radialkräfte sind geringer als bei Scheibenrührern und infolge des niedrigeren Leistungsbeiwerts wird die gleiche Wellenleistung mit höherer Drehzahl, also geringeren Drehmomenten, übertragen. Beide Aspekte führen zu Kostenvorteilen, da die Welle, die Gleitringdichtung und das Getriebe günstiger dimensioniert werden können.
Durch einen iterativen Auslegungsprozess erfolgt die verfahrenstechnische Auslegung des Fermenters unter Berücksichtigung von Anregefrequenzen durch das Rührwerk und Eigenfrequenzen des Apparates im Conceptual und Basic Design. Hierdurch gewinnt das Engineering Zeit in der Detaillierungsphase und es wird eine kostengünstige und betriebssichere Ausführung gewährleistet.
Unterstützt wird die mechanische Auslegung der Komponenten durch einen regen Austausch zwischen dem Lieferant der rührtechnischen Lösung und dem Apparatehersteller. Somit können die vielfältigen Erfahrungen in der Auslegung der Fermentationsreaktoren gewinnbringend in die Konstruktion der Apparate eingebracht werden.

Fazit
Der beschriebene Auslegungsprozess bedarf eines intensiven Austauschs von Informationen und Knowhow zwischen allen Beteiligten bereits mit dem Start des Projektes. Vermehrt werden Vereinbarungen zur Kooperation zwischen dem Verfahrensgeber, der Engineeringfirma und dem Anbieter der rührtechnischen Lösung in einer frühen Projektphase und für die Umsetzung auf die Betriebsgröße getroffen. Kooperationen bieten Planungssicherheit für alle Parteien und erlauben damit die Offenlegung der notwendigen Parameter und Design-Regeln sowie die Aktivierung der notwendigen personellen Kapazitäten. Im Ergebnis wird die Auslegung der Betriebsanlage deutlich schneller und mit weniger Aufwand erreicht.
 

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