Anlagenbau: Globaler Kampf um Marktanteile
Umfrage von Management Engineers und VDMA-Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau (AGAB), Interview mit AGAB-Sprecher Helmut Knauthe
Der Wettbewerbsdruck im Großanlagenbau hat in den vergangenen drei Jahren deutlich zugenommen. Zu dieser Einschätzung kommen die Unternehmensberatung Management Engineers und die VDMA-Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau (AGAB) auf der Basis einer Umfrage unter 180 Top-Managern des deutschen und europäischen Großanlagenbaus: 93 % der Befragten sagen, der Konkurrenzdruck habe sich seit 2008 spürbar verschärft (vgl. nebenstehenden Artikel). Die chinesischen Großanlagenbauer sind die derzeit auffälligsten Wettbewerber auf dem Weltmarkt, aber auch südkoreanische Unternehmen machen den deutschen und westeuropäischen Anlagenbauern Konkurrenz. Die beiden asiatischen Nationen zusammen haben ihren Weltmarktanteil seit 2006 von 10 % auf 20 % verdoppelt. Dr. Michael Reubold befragte Helmut Knauthe, Sprecher der VDMA-Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau und Mitglied der Geschäftsführung von Uhde, zu den Konsequenzen dieser Entwicklung.
CHEManager: Herr Knauthe, womit setzen sich die asiatischen Konzerne bei der Projektvergabe für neue Großanlagen durch?
Helmut Knauthe: Die von Management Engineers und der VDMA Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau durchgeführte Befragung zeigt, dass China besonders offensiv im Preiswettbewerb auftritt und sich ausgesprochen risikofreudig im Hinblick auf die Projektplanung und -realisierung zeigt. Weniger auffällig, aber trotzdem überaus erfolgreich, sind die südkoreanischen Anbieter, die derzeit vor allem im Öl- und Gas-Bereich aber auch im Chemieanlagenbau arbeiten. Im Hinblick auf Fortschritte bei Qualitäts- und Termintreue nehmen sie in der Befragung sogar die Spitzenposition ein.
Wie können sich die etablierten Anbieter gegen die neuen Wettbewerber behaupten?
Helmut Knauthe: Ungeachtet der zunehmenden Konkurrenz aus Asien dominiert Westeuropa und hier insbesondere der heimische Großanlagenbau weiterhin in zahlreichen Segmenten das Marktgeschehen. Den Anbietern gelingt dies in erster Linie aufgrund ihrer starken Technologieposition. 83 % der Umfrageteilnehmer beurteilen europäische Anlagenbauer als führenden Innovationstreiber. Aufstrebende Anbieter aus China und Südkorea, aber auch etablierte Unternehmen aus Japan und den USA haben hier deutlich das Nachsehen.
Mit welchen Maßnahmen sichern die deutschen Anlagenbauer ihren Technologievorsprung ab?
Helmut Knauthe: Der deutsche Großanlagenbau zeichnet sich traditionell durch eine starke Technologieorientierung aus. Seine weltweiten Erfolge basieren wesentlich auf der Fähigkeit, Ideen rasch zur Marktreife zu entwickeln und im großtechnischen Maßstab umzusetzen - sei es allein oder mit Partnern aus Industrie und Wissenschaft. Um ihre Spitzenposition zu verteidigen, hat unsere Branche ihre Forschungsaktivitäten in den vergangenen Jahren spürbar ausgeweitet. Mittelfristig ist mit weiter steigenden Innovationsausgaben zu rechnen, ebenso mit einer kontinuierlichen Entwicklung der Kooperationen mit industriellen und wissenschaftlichen Partnern. Derzeit sind rund 3.500 Personen in den Forschungsabteilungen inländischer Großanlagenbauer tätig. Gemessen an der Gesamtzahl der Beschäftigten liegt allein die F&E-Quote bei knapp 6 %.
Welche Rolle spielt IP dabei und wie können innovative Firmen, die ja häufig ihre Technologie an ausländische Firmen lizenzieren, ihr geistiges Eigentum und Know-how gerade in Asien beschützen?
Helmut Knauthe: Der Schutz dieses Wissens hat in einer technologieorientierten Branche wie dem Großanlagenbau natürlich eine hohe Bedeutung. Um Verletzungen geistiger Eigentumsrechte, wie sie in der Vergangenheit vor allem in China immer wieder aufgetreten sind, entgegenzuwirken, ergreift der Großanlagenbau unterschiedliche Maßnahmen. Beispielhaft zu nennen sind die Intensivierung des Know-how-Schutzes, z.B. durch die Nichtherausgabe von Planungsdokumenten oder Quellcodes, die Verstärkung des Patentschutzes sowie Bemühungen zum Schutz vor Zerlegung, Analyse und dem anschließenden Nachbau von Kernkomponenten.
Können deutsche Unternehmen ihren Innovationsvorsprung regelmäßig in Projekte umsetzen?
Helmut Knauthe: Deutsche Industrieanlagenbauer sind führend bei der Konstruktion schadstoffarmer, energieeffizienter Anlagen und können potenziellen Abnehmern modernste Verfahrenslösungen anbieten. Der höhere Anschaffungspreis deutscher Anlagen rechnet sich durch Ersparnisse im Betrieb zumeist schon nach wenigen Jahren. In der Tat honorieren das nicht alle Kunden, doch setzt sich mittlerweile bei vielen Käufern immer stärker eine umfassende Betrachtungsweise durch, die den Energie- und Rohstoffverbrauch einer Anlage über deren gesamte Lebenszeit einschließt. Die anhaltenden Auftragserfolge heimischer Engineering-Firmen in den Industrieländern, aber auch im Nahen und Mittleren Osten belegen diesen Trend eindrucksvoll.
Wie hoch sind die Chancen, dass Unternehmen, die Mitbewerbern für ein Vorhaben in Asien oder Nahost ihre Technologie zur Verfügung stellen, bei Folgeprojekten auch an Bau und Montage beteiligt werden?
Helmut Knauthe: Der Verkauf eines Technologiepaktes oder ein erfolgreiches Basic Engineering sind keine Garantie für die Vergabe von Bau- und der Montageleistungen bei Folgeaufträgen. Bei diesen Leistungen setzen derzeit vor allem koreanische Anbieter Maßstäbe, die hiervon ausgehend auch Marktanteile bei schlüsselfertigen EPC-Projekten gewinnen konnten. Die deutschen Großanlagenbauer reagieren aktiv auf diese Marktveränderung, indem sie Construction-Kompetenzen verstärkt aufbauen. Die größte Herausforderung besteht derzeit in der Rekrutierung und Ausbildung qualifizierten Fachpersonals. Der Großanlagenbau hat vor diesem Hintergrund eigene Personalentwicklungsprogramme aufgelegt sowie Ausbildungsgänge in Kooperation mit Hochschulen gestartet.
Die Wettbewerbsanstrengungen deutscher Anlagenbauer werden durch regulatorische Bestimmungen, wie z.B. die für asiatische und europäische Anbieter unterschiedlichen Bedingungen bei staatlichen Exportkreditgarantien, erschwert. Was erwarten Sie von der Politik, um die Wettbewerbsbedingungen im globalen Kontext anzugleichen?
Helmut Knauthe: Die Wettbewerbsanstrengungen deutscher Anlagenbauer werden in der Tat durch bürokratische Bestimmungen immer wieder erschwert. Beispiele hierfür finden sich sowohl in der bundesdeutschen Steuerpolitik als auch im OECD-Regelwerk für Exportkreditversicherungen. Heimische Anbieter müssen bei ihren Angeboten umfangreiche Vorgaben und Prüferfordernisse erfüllen. Gegenüber Wettbewerbern aus Schwellenländern oder neuen Industrieländern wie China, die davon nicht tangiert sind, wirkt sich das in Einzelfällen so negativ aus, dass der deutsche Großanlagenbau erst gar keine Angebote mehr abgibt.
Ähnliche Auswirkungen haben die 2008 von der OECD beschlossenen "Sustainable Lending"-Prinzipien für Niedriglohnländer. Sie sollen Bemühungen von Weltbank und Internationalem Währungsfonds unterstützen, einen erneuten Schuldenaufbau bereits entschuldeter Länder zu vermeiden. Die an sich sinnvolle Beschränkung der Neukredite ist jedoch nur dann wettbewerbsneutral umzusetzen, wenn die Staatengemeinschaft insgesamt diesen Weg verfolgt. Durch die auf OECD-Anbieter beschränkte Maßnahme ist das aber nicht der Fall. Das Projektgeschäft in den betroffenen Ländern verlagert sich stärker zu Nicht-OECD-Anbietern, insbesondere chinesischen, die mit einer Mischung aus Entwicklungshilfe, Wechselkursstützung, Rohstoffabkommen und auch Exportfinanzierung attraktive Konditionen anbieten.
Zur Herstellung vergleichbarer Wettbewerbsbedingungen ist die Integration der Nicht-OECD-Länder in die OECD-Umweltleitlinien für staatliche Exportkreditgarantien daher eine drängende Gestaltungsaufgabe der Politik.