Anlagenbau & Prozesstechnik

40 Jahre Hygienekontrollen für Krankenhauswäsche

24.10.2017 -

Während einer zweitägigen Fort­bildung zum Thema Küchenhygiene und Hygiene bei raumlufttechnischen Anlagen (RLT-Anlagen) traf ich 1991 auf das eingespielte, professionelle Dozenten-Team, bestehend aus Prof. Steuer und dessen Assistenten Herrn Dr. Junghannß. Es war meine erste Begegnung mit einem veritablen Hygieniker, der außergewöhn­liches didaktisches Talent und ­Charisma besaß und ich ahnte dabei nicht, wie sehr diese Begegnung mein berufliches Leben verändern und prägen würde.

Als gebürtiger Münchner studierte Prof. Dr. med. habil. Walter Steuer auch dort und schloss 1950 sein Medizinstudium mit Promotion sowie Approbation ab. Nach einigen Assistenzjahren und Erfahrungen in einer Praxis für Allgemeinmedizin legte er 1959 die Staatsmedizinische Prüfung in München ab und schaffte somit die Voraussetzungen für seine spätere Laufbahn im Staatsdienst. Zunächst als Medizinalrat in Nürtingen, dann 1963 Amtsarzt in Böblingen und schließlich 1968 als Leiter des Medizinischen Landesuntersuchungsamtes Stuttgart (MLUA).
Den Gipfel der beruflichen Karriere erfuhr Prof. Steuer, als er 1991 nach 23 Jahren im MLUA zum Präsidenten des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg (LGA) ernannt wurde. In den Jahren von 1969 bis 1987 erwarb Prof. Steuer die Lehrberechtigung (Venia Legendi) für Sozialhygiene, wurde Professor an der Universität Tübingen, Facharzt für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie sowie Facharzt für Öffent­liches Gesundheitswesen und Facharzt für Hygiene mit der Zusatzbezeichnung Sozialmedizin.
Ich kenne nur wenige Menschen, die wie Prof. Steuer Beruf, Hobby und Leidenschaft als Ganzes vereinen können, woraus er seine charismatische Überzeugungskraft nimmt. Gleichzeitig regt sein bodenständiger, aber hintergründiger Humor, geprägt von kritischer Vorsicht, zum Nachdenken an. Als ich einmal zu Beginn unserer Zusammenarbeit mit einem Stoß meiner ersten Berichte (Prof. Steuer nannte das Befunde) zur Durchsicht und Unterschrift zu ihm kam, dachte ich, ein Meisterwerk meines wissenschaftlichen Könnens mitgebracht zu haben. Frisch operiert, las er dennoch sorgfältig meine Berichte, schaute sehr ernst drein und runzelte die Stirn.
Er sagte dann mit gebrochener Stimme: „Obacht Herr Mucha, ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten, aber wenn Sie nicht im Gefängnis landen wollen, sollten Sie das vielleicht anders schreiben“. Nachdem ich mich von meiner ersten Bekanntschaft mit dem „medizinischen Konjunktiv“ erholt hatte, begriff ich, dass dies ein Ausdruck der Vorsicht und die Basis aller seiner Befunde war und ist. Gleichzeitig ist sie ein Markenzeichen der Persönlichkeit von Prof. Steuer, keineswegs ein Ausdruck von Ängstlichkeit, vielmehr eine Lebenserfahrung. Diese Art von Vorsicht ist sicherlich im juristischen Sinne wichtig bei Gutachten, doch viel bedeutsamer für ihn ist der Schutz der Reputation, seines Rufes, seiner Persönlichkeit.

Hohenstein und die Hygiene
Hygiene ist das Fundament der Aufbereitung von Textilien, weshalb klare Definitionen, Vorgaben, Richtlinien, Anforderungen an die Qualität und Standardisierung der Abläufe in den Wäschereien geschaffen werden müssen. 1977 / 78 begann die praktische Zusammenarbeit mit dem MLUA, unter der Leitung von Prof. Steuer, und den Hohenstein Instituten, woraufhin am 2. November 1978 das erste Hygienezeugnis erstellt wurde. In den Jahren danach wurden über 300 Wäschereien deutschlandweit einer jährlich wiederkehrenden technischen und hygienischen Inspektion unterzogen. Schließlich beschlossen die Hohenstein Institute 1995 ein eigenes hygienischmikrobiologisches Labor zu gründen: das Institut für Hygiene und Biotechnologie (IHB) – heute das William Küster-Institut für Hygiene, Umwelt & Medizin (WKI), ein Life-Science-Institut mit interdisziplinärer biologischer Ausrichtung.
Es war ein langer Weg von den Hygienekon­trollen bis zum heutigen Hygienestandard:

  • 1953 – Erste Satzung der Gütegemeinschaft Sachgemäße Wäschepflege e.V. und Einführung des Gütezeichen RAL GZ 992/1 mit Waschgangkontrollstreifen
  • 1964 – Fachvereinigung der Verwaltungsleiter Deutscher Krankenhausanstalten gründet den Fachausschuss für Fragen der Kranken­hauswäscherei und der textilen Versorgung im Krankenhaus
  • 1968 – Bioindikatoren zur Prüfung der Wirksamkeit desinfizierender Waschverfahren werden neben den eingeführt erprobten Waschgangkontrollstreifen eingeführt
  • 1971 – Hohenstein hat sich zur wichtigsten Prüfstelle für Krankenhaustextilien entwickelt
  • 1972 – erste Fortbildungsprogramm für Wäschereileiter und Textileinkäufer werden beschlossen
  • 1974 – Fachausschuss Wäscherei und die Technische Akademie Hohenstein geben die „Richtlinien für die Bearbeitung von Kranken­hauswäsche“ heraus
  • 1975 – erster Lehrgang „Wäschereihygiene“
  • 1977 – Hohenstein Institute beschließt in Zusammenarbeit mit dem MLUA Baden-Württemberg ein Hygienezeugnis für ­Wäschereien zu erstellen
  • 1978 – Im Hohensteiner Report 28 wird die „Richtlinien für die Ausschreibung Wasch-, Waschhilfs- und Wäschedesinfektionsmitteln für Krankenhauswäschereien“ publiziert und parallel in die Unfallverhütungsvorschrift „Gesundheitsdienst“ der Krankenhauswäschereien einbezogen
  • 1986 – RAL GZ 992/2 für Krankenhaus­wäsche wird deutschlandweit eingeführt und das Hygienezeugnis unter dem Siegel des RAL vergeben
  • 1995 – Gründung des Institut für Hygiene und Biotechnologie

Dank für ein Lebenswerk
Der Reputation von Prof. Steuer als Hygieniker mit höchster gesellschaftlicher Anerkennung ist es zu verdanken, dass wir heute über das weltweit in der Hygiene modernste Wäscheaufbereitungssysteme verfügen. Das Gütezeichen RAL 992 hat im Bereich des Gesundheitswesens nach wie vor ein Qualitätsmanagementsystem mit Alleinstellungsmerkmal. Die Besonderheit: die konkrete Vorgabe von mikrobiologischen Grenz-, Richt- und Orientierungswerten für das Hygienezeugnis, das auch international eingesetzt wird. Prof. Steuer brachte nach Hohenstein auch das Fachwissen in Krankenhaus-, Wasser- und Lebensmittelhygiene sowie Lufthygiene ein. Unvergessen bleiben seine individuellen und charismatischen Präsentationen an den Gütezeichentagungen, die humorvoll, aber auch immer mit einen Blick in die Zukunft gerichtet waren. Oft warnte er vergebens vor der demografischen Entwicklung und der mangelhaften Vorsorge im Alten- und Pflegebereich und heute weiß unsere Gesellschaft nicht, wie sie den wachsenden Anforderungen dieser Entwicklung gerecht werden soll. Die Einführung der RAL GZ 992/4 für Alten- und Pflegeheimwäsche stellt einen Meilenstein in dieser Entwicklung dar.
Nach zehn Jahren gemeinsamer Arbeit mit Herrn Prof. Steuer schätze ich ihn als hoch engagierten Vertreter der Sozialhygiene, Lehrer, leitenden Mitarbeiter, Teilnehmer in der Trinkwasserkommission sowie dem Vorläufer der KRINKO (Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention) und in vielen anderen Fachgesellschaften, Gremien sowie Arbeitskreisen. Das Bundesverdienstkreuz am Bande und das erster Klasse belegen die Anerkennung in der Gesellschaft und Politik.
Der Eindruck als Privatperson hat mir einen hochsensiblen Menschen näher gebracht, der mit seinem gesamten Wesen kompromisslos seine Berufung als Mediziner und Hygieniker verstand. Menschen mit Profil, Charisma und Authentizität bleiben immer umstritten, denn sie stehen im Fokus der Kritik. Unumstritten und nachhaltig war und ist das Wirken von
Prof. Steuer, wie Hygiene in der Praxis und nicht am Schreibtisch allein umgesetzt wird. Seinem idealistischen Einsatz verdanken die Hohenstein Institute die Etablierung der Textilhygiene und deren Fortbestand in der heutigen Form.

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