Große Vielfalt an Anforderungen
Interview mit Uwe Veres-Homm, Fraunhofer-Arbeitsgruppe SCS
CHEManager: Herr Veres-Homm, warum lässt sich die Logistik in der chemischen Industrie nicht einfach an ihren einzelnen Wirtschaftsbereichen (z.B. Chemische Grundstoffe, Chemiefasern, Pflanzenschutz, usw.) festmachen?
Uwe Veres-Homm: Die Logistik verbindet als Querschnittsbranche die verschiedenen Wertschöpfungsstufen miteinander. Gerade diese Dienstleistung wird jedoch statistisch nur indirekt erfasst. Es gibt keine ausgewiesene Zahl, die sich auf branchenspezifischen Transport, Umschlag und Lagerung sowie die damit zusammenhängenden organisatorischen Aufgaben bezieht. Um dennoch eine Marktabschätzung durchzuführen, haben wir in der Studie den einzelnen Marktsegmenten (Petro, Commodities, Spezialitäten, usw.) einen durchschnittlichen Logistikanteil am Umsatz zugeordnet. Dieser Wert schwankt je nach Wertschöpfungsstufe zwischen 4 und 8%, kann aber in Einzelfällen auch über 10% liegen.
Die Chemiebranche - insbesondere unter Einbezug der Petrochemie - ist mit nahezu allen Wirtschaftszweigen sehr stark verflochten. Welche Konsequenzen hat dies für die Chemielogistik?
Uwe Veres-Homm: Logistikdienstleister im Chemieumfeld haben mit einer geradezu unüberschaubaren Vielfalt an Anforderungen und spezifischen Leistungsbündeln umzugehen. Im Gegensatz zu stark standardisierten Logistikbereichen wie etwa den Stückgutnetzwerken gibt es hier kaum einheitliche Prozesse. Schon innerhalb der chemischen Industrie gibt es große Unterschiede bezüglich der Mengenanforderungen, Sicherheitsauflagen und Zeitfenster. Hinzu kommt die Vielzahl an Abnehmerbranchen, wie der Automobil- und Pharmabereich oder die Papierindustrie, die beliefert werden und ebenfalls ein sehr heterogenes Anforderungsspektrum aufweisen.
Was lässt sich zum Outsourcinggrad innerhalb der Chemielogistik sagen?
Uwe Veres-Homm: Gegenüber der gesamtwirtschaftlichen Logistik mit 49% fällt der Outsurcinggrad in der Chemielogistik mit geschätzten 44% geringer aus. Dies deutet auf ein noch überdurchschnittliches Potential zur weiteren Verlagerung von Leistungsbausteinen an spezialisierte Logistikdienstleister hin. Je nach Teilbereich der Logistik gibt es jedoch deutliche Unterschiede, so ist der Stückgutversand auch bei Chemieunternehmen nahezu vollständig outgesourct, während typische Kontraktlogistikaufgaben wie die direkte Produktionsversorgung noch zum überwiegenden Teil durch die Industrie selbst erbracht werden, um eine möglichst hohe Ausfallsicherheit zu gewährleisten.
Weist die chemische Industrie in Bezug auf ihre Warenströme und Transportvolumina Besonderheiten auf?
Uwe Veres-Homm: Interessant sind zunächst natürlich die großen Mengenvolumina, die in diesem Bereich transportiert werden, insbesondere die massengutaffinen Verkehrsträger Schiene und Binnenschiff werden überdurchschnittlich genutzt. Dies gilt aber nur für die internationalen Güterströme, innerhalb Deutschlands bleibt die Straße der wichtigste Verkehrsträger. Hinsichtlich der regionalen Verteilung zeigt sich ein deutlicher Trend zu stärkeren Übersee- und Osteuropaverkehren, während die Mengen in die nach wie vor bedeutendsten westlichen Nachbarländer stagnieren bzw. leicht rückläufig sind. Auffällig ist dabei auch die hohe Importabhängigkeit der deutschen Chemieindustrie von der Versorgung aus den westlichen ARA-Häfen, in alle anderen Himmelsrichtungen überwiegen die Exporte.