Wettbewerbsposition internationaler Chemiestandorte im Vergleich
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Chemieparks und ihre Betreiber stehen vor großen Herausforderungen. Zum einen müssen sie den gestiegenen Anforderungen weltweit agierender Chemieunternehmen gerecht werden, zum anderen sind sie, aufgrund der fortschreitenden Globalisierung, einem intensiveren Wettbewerb um Investoren ausgesetzt.
Eine strategisch klare Positionierung des Chemieparks sowie ein umfangreiches und auf den Kunden ausgerichtetes Serviceangebot sind die Voraussetzung für eine hohe Wettbewerbsfähigkeit. Eine strategische Positionierung anhand von Schlüsselinvestitionskriterien der Investoren sowie operative Exzellenz im Standortbetrieb sind entscheidend. Chemieparkbetreiber sind gefordert einen Wertbeitrag zur Wettbewerbsfähigkeit der Chemieproduzenten zu leisten.
Dabei müssen sie sich in ihrem Standortbetrieb flexibel und kosteneffizient aufstellen. Dieses gilt sowohl für den europäischen Chemiepark mit hohem Integrationsgrad und langer Produktionshistorie, als auch für die am Reißbrett entworfenen Cluster von Chemieproduktionen, wie sie in Südost-Asien, China oder auch insbesondere im Mittleren Osten zu finden sind.
Im unmittelbaren Fokus des Standort-Benchmarking stehen unterschiedliche Möglichkeiten zur Beurteilung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit sowie Steigerung der Attraktivität von Chemieparks. Kontinuierliche Ausrichtung an Schlüsselinvestitionskriterien globaler Chemiekonzerne verschafft Chemieparks entscheidende Wettbewerbsvorteile.
Vier Kernfragen sind zu beantworten:
- Wie können sich Chemieparks im globalen Wettbewerb um zukünftige Investitionen bestmöglich aufstellen?
- Wie kann die Wettbewerbsfähigkeit bestehender Chemiestandorte gezielt gesteigert werden, insbesondere im Rahmen einer internationalen Zusammenarbeit zwecks Generierung übergreifender Synergien?
- Was sind die entscheidenden Wettbewerbsvorteile des betrachteten Chemiestandortes innerhalb der globalen Vergleichsgruppe, welche lassen sich proaktiv entwickeln und welche bestehenden Schwächen des Chemieparks müssen adressiert werden?
- In welcher Form kann die Zufriedenheit von Investoren fortlaufend erfasst werden, um im Rahmen einer kontinuierlichen Standortentwicklung genutzt zu werden?
Erfolgsfaktoren für Chemieparks
Basierend auf definierten Standorterfolgsfaktoren für eine hohe Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität aus Investorensicht lassen sich Chemiestandorte objektiv bewerten. Diese Erfolgsfaktoren lassen sich aus dem Investitionsentscheidungsprozess für neue Produktionsstandorte ableiten und bilden den ersten Teil des Bewertungsrahmens des Standortbenchmarking (vgl. Abbildung 1):
- Wirtschaftliches und administratives Umfeld: Politische und finanzielle Stabilität, Rechtliche Rahmenbedingungen, Genehmigungsverfahren, Korruption, Steuern, Investitionsanreize, Zölle, etc.
- Absatzmarkt: Marktgröße, Wachstum, Marktzugang, etc.
- Beschaffungsmarkt: Rohstoffverfügbarkeit / -kostenlevel, Energiekosten, etc.
- Gesetzgebung zum Schutz des geistigen Eigentums sowie Umwelt, Sicherheit, Gesundheit (USG)
- Arbeitnehmer: Lohnkostenniveau, Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal, Fluktuationsraten, Arbeitsrechts, Produktivität, etc.
- Positionierung, Strategie und Produktionsnetzwerk: Park- und Service Strategie, Verbundstruktur, Stoffstrom- und Infrastrukturintegration, Verfügbarkeit von Rohstoffen und Zwischenprodukten sowie Absatzmöglichkeiten, etc.
- Verfügbarkeit, Qualität und Preis-/Kostenniveaus der angebotenen Energien und Standortdienstleistungen: Strom, Dampf, Abwässer, Logistik, Technik, etc.
- Chemieparkinfrastruktur (Plug-&-Play Prinzip) und logistische Anbindung an lokale sowie globale Kundenmärkte
- Bildungs- und Forschungseinrichtungen
- Investitionskostenlevel im weltweiten Vergleich
- Servicedienstleistungen: Kundenzufriedenheit und -orientierung, Servicequalität, Anbieterstruktur, Qualifikationslevel, etc.
- Projekthandling: Abwicklungszeiten und -kosten, Behördenengineering, etc.
- Reputation und soziales Umfeld des Chemieparks
- Eigentümer- und Organisationsstruktur
Die Wettbewerbsfähigkeits- und Attraktivitätsbewertung erfolgt u.a. über Spinnendiagramme. Sie evaluieren die vordefinierten Standorterfolgsfaktoren und mehr als 80 qualitative und quantitative Benchmarkingkriterien in Bezug zur globalen Vergleichsgruppe (vgl. Abb. 2).
Ganzheitliches Funktionenmodell des Chemieparks
Der zweite Teil des Bewertungsrahmens beinhaltet eine Leistungsbewertung der Standortinfrastruktur und -dienstleistungen hinsichtlich Verfügbarkeit, Qualität, Preis-/Kostenniveau und Effizienz sowie Flexibilität. Hierzu wird ein grundlegendes Chemieparkfunktionsmodell angewandt, welches die gesamte Infrastruktur und Servicelandschaft eines Chemieparks auf Einzelfunktionsebene abbildet (vgl. Abb. 3).
Ansatz zum Standortbenchmarking
Insbesondere für Chemieparkbetreiber ist ein detailliertes Wissen über die erfolgsrelevanten Faktoren und „Best Practices" entscheidend, um langfristig erfolgreich am Markt zu bestehen. Die strukturierte Erfassung und gezielte Bereitstellung von Informationen zu den Erfolgsfaktoren und Standortdienstleistungen im Vergleich mit ausgewählten Benchmarks und Best Practices internationaler Chemiestandorte ist integraler Bestandteil einer Wettbewerbsanalyse. Ziel ist es, das Chemieparkmanagement auf zukünftige strategische Investitionsentscheidungen optimal vorzubereiten und zudem auch über nicht unmittelbar beeinflussbare Erfolgsfaktoren detailliertes Wissen zu besitzen. Es gilt, mit dem bestehenden Stärken und Schwächen Profils und unter Berücksichtigung des Standortbetreibermodells, Strategien und operative Maßnahmen zu entwickeln sowie Zukunftschancen und Herausforderungen im Marktumfeld zu nutzen und zu meistern.
Handlungsfelder und Mehrwert des Standortbenchmarking
Es lassen sich vier unterschiedliche Handlungsfelder definieren, wobei jedes einzelne einen Mehrwert zu einer optimalen Aufstellung und Entwicklung des Chemiestandortes leistet.
1. Vermarktung und Kommunikationsstrategie des Chemieparks
Die Inhalte der erstellten Wettbewerbsbeurteilung leisten einen wichtigen Beitrag zur weiteren Vermarktung des Chemieparks. Das Wissen über die eigenen Wettbewerbsvorteile und Stärken im internationalen Vergleich sowie die Kenntnis über sich ständig weiterentwickelnder Anforderungen der Chemieunternehmen ermöglichen eine gezielte Ansprache von Investoren sowie eine überzeugende Darstellung der Vorteilhaftigkeit des jeweiligen Chemieparks im Rahmen der Investorengespräche.
2. "Best in Class"-Analyse
Der Vergleich mit den global führenden Chemieparks bildet die eigene Wettbewerbssituation objektiv und detailliert ab. Eine umfangreiche Standortbenchmarking Datenbank weltweit führender Chemieparks stellt Best Practices, Benchmarks und Rollenmodelle bereit. Eine strategische Positionierung gegenüber konkurrierenden Chemieparks, insbesondere in den Wachstumsregionen ergänzt um Kostenstrukturanalysen für Chemieunternehmen bei Investition und Betrieb von Anlagen, wird ermöglicht.
3. „Investor Confidence" Studie
Die Analyse der Investorenanforderungen und Zufriedenheit mit den Investitions- und Produktionsbedingungen auf dem Chemiepark ermöglicht gezieltere Investitionsprogramme für den Standort. Die Wettbewerbsfähigkeit wird nachhaltig gesichert. Des Weiteren wird ein Kommunikationskanal geschaffen, indem ein kontinuierlicher Austausch zwischen dem Chemieparkmanagement und den Investoren bzw. Anrainern etabliert wird. Sich verändernde Kundenanforderungen werden somit zeitnah erkannt und können effektiv und effizient adressiert werden.
4. Entwicklungskonzept und internationale Kooperationen
Die Identifikation von Entwicklungspotenzialen und Verbesserungsmöglichkeiten anhand definierter Schlüsselinvestitionskriterien, u.a. Vermarktungsaktivitäten, Verbundstruktur, Verfügbarkeit von Servicedienstleistungen, Infrastruktursynergien sowie der logistischen Anbindung zu lokalen und globalen Absatzmärkten, ermöglicht eine gezielte Entwicklung des Chemieparks. Eine nachhaltige Sicherung der Standortwettbewerbsfähigkeit wird unterstützt. Dabei erfolgt die Betrachtung über die eigentlichen Chemieparkgrenzen hinaus. Hier spielen regionale sowie internationale Verbunde und Kooperationen eine entscheidende Rolle. Ziel ist es, Synergien und positive Impulse hinsichtlich der Steigerung der Attraktivität für Investoren zu generieren. Abgeleitete Handlungsempfehlungen und Maßnahmen ergeben den zukünftigen Aktionsplan.
Der Vergleich des eigenen Chemieparks mit Best Practices und Benchmarks der weltweit führenden Chemieparks, u.a. in Europa, USA, China, Südostasien und im Mittleren Osten, schafft einen über die Betrachtung des einzelnen Chemieparks hinausgehenden hohen Mehrwert und eröffnet Wege zu einer gezielten und nachhaltigen Standortentwicklung.
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Diese Beitragsserie basiert auf einer durch das Beratungsunternehmen ScopeinManagement Consultants durchgeführten Benchmarking Studie zur Wettbewerbsfähigkeit internationaler Chemieparks.
Der erste Beitrag konzentriert sich auf die Vorgehensweise und Methodik des Standortbenchmarking.
Der zweite Beitrag präsentiert Ergebnisse und Erfahrungen analysierter Chemieparks in Europa, Nord-/ Südamerika, Südost-Asien, China und dem Mittleren Osten.
Des Weiteren werden im abschließenden dritten Beitrag (ab 14. November 2012) unterschiedliche Erfahrungen und Möglichkeiten zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und Steigerung der Attraktivität von Chemieparks mit Schwerpunkt auf den europäischen Standorten im internationalen Vergleich dargelegt.
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