100 Jahre Ter Hell & Co.: Weichen für Generationenwechsel gestellt
04.12.2012 -
Anlässlich seines 100-jährigen Bestehens herrscht Aufbruchstimmung in der neuen Hamburger Zentrale des 1908 gegründeten Distributions-, Produktions- und Handelsunternehmens Ter Hell & Co. Bereits bis zum Mai des Jahres tätigte das Unternehmen zwei Firmenübernahmen und 2007 wurde das neu errichtete Bürohaus inmitten des alten Stadtkerns der Hansestadt bezogen. Auch für den bevorstehenden Generationenwechsel sind die Weichen bei den Familieninhabern Westphal seit geraumer Zeit gestellt. CHEManager sprach mit dem geschäftsführenden Gesellschafter Klaus-Christian Westphal über die Geschichte und die Perspektiven des Unternehmens.
CHEManager: Herr Westphal, in wenigen Wochen feiern Sie das hundertjährige Bestehen von Ter Hell & Co. Wie begeht man einen solchen Anlass in Hamburg?
Klaus-Christian Westphal: 100 Jahre sind für ein Familienunternehmen, auch in einer Stadt wie Hamburg, etwas Besonderes. Eine Firma, seit 70 Jahren in Familienbesitz, erfolgreich durch alle Wirren des letzten Jahrhunderts einschließlich zweier Weltkriege zu führen ist eine Leistung, auf die wir anlässlich des Jubiläums mit Stolz und Dank an alle Beteiligten zugleich zurückblicken. Ich freue mich auf die Feier am 17. Oktober in der Handelskammer in Hamburg und erwarte zahlreiche Lieferanten und Kunden, die mit uns das Ereignis gebührend feiern werden. Gleichzeitig blicke ich zuversichtlich auf die kommenden Jahre. Es gibt noch viele Möglichkeiten, weiter zu wachsen.
Beispielsweise durch Firmenübernahmen wie den beiden in diesem Jahr. Welche Kriterien legen Sie bei Akquisitionen an?
Klaus-Christian Westphal: Zu Beginn des Jahres haben wir die Simon & Werner GmbH in die Ter Group integriert, im Mai die Firma Bassermann übernommen. Bei Zukäufen müssen die Unternehmen, besonders aber ihr Produktportfolio, zu uns passen. Sowohl bei Simon und Werner, einem Distributeur von Spezialchemikalien, der auf ähnlichen Feldern agiert wie wir, als auch bei Bassermann, einem Spezialisten für technisches Casein, waren diese Voraussetzungen gegeben.
Lassen Sie uns nochmals auf das besondere Firmenjubiläum eingehen. Welche Botschaft an Kunden und Mitarbeiter würden Sie aus diesem Anlass gerne verkünden?
Klaus-Christian Westphal: Die Botschaft lautet: Mit meinem Sohn Christian übernimmt in Kürze die dritte Generation der Familie Westphal das Ruder. Er ist seit gut sechs Jahren mitverantwortlich für das operative Geschäft und aufgrund seiner internationalen Ausbildung – einem MBA-Studium in den USA –, seiner Verhandlungssicherheit in verschiedenen Sprachen und den Erfahrungen, die er in unserem und anderen Unternehmen sammeln konnte, optimal für diese Aufgabe gerüstet. Somit wird er die Geschicke des Unternehmens im Familiensinne weiterführen; der erfolgreiche Fortbestand unserer Geschäftsfelder, egal ob Distribution, Handel oder Produktion, ist gesichert. Wir sind bei Lieferanten und Kunden etabliert. Im Handelsgeschäft werden wir neue Aktivitäten entwickeln. Dieser Bereich ist für Ter Hell ein großes Geschäftsfeld geworden, das mit Sicherheit auch zukünftig wachsen wird.
Können sich dabei nicht Distribution und Handel ins Gehege kommen?
Klaus-Christian Westphal: Eigentlich nicht. Unser Distributionsgeschäft findet in erster Linie innerhalb der EU und mit europäischen Produzenten statt. Dagegen steht uns beim Handel die Welt offen. Dazu gehört auch der Transithandel. Wir steuern dabei die komplette Abwicklung, wenn z. B. Waren aus China in die USA geliefert werden.
Gibt es in der chemischen Industrie einen ähnlichen Trend wie auf dem Kunststoffsektor, dass große Produzenten die Geschäfte mit kleineren und mittleren Abnehmern vermehrt an Dienstleister wie Ter Hell abgeben?
Klaus-Christian Westphal: Ein unbedingtes Ja. Diese Tendenz beschleunigt sich sogar. Große Lieferanten wollen und können den mit der Betreuung kleinerer Verbraucher verbundenen Aufwand nicht mehr erbringen. Das ist unsere Chance, die wir gern nutzen. Es gibt die Faustregel: Große Produzenten decken in der Regel mit 20 % der Kunden 80 % des Marktes ab, wohingegen der Dienstleister mit 80 % der Kleinkunden etwa 20 % des Marktes erreicht. Diese Durchdringung des Marktes ist die Domäne der Distributeure. Mit eigener Lagerhaltung, umfassender Organisation und individuellem Service sind wir als Partner für die Industrie im In- und Ausland sehr erfolgreich.
Wodurch heben Sie sich vom Wettbewerb ab?
Klaus-Christian Westphal: Dem organischen Wachstum wird auch in Zukunft unser Hauptaugenmerk gelten. Gleichzeitig sind wir bestrebt, unser Portfolio noch stärker an den Kundenbedürfnissen auszurichten. Im besten Falle soll ein Bestellanruf des Kunden bei einem unserer Unternehmen genügen, um einen Großteil seines Bedarfs zu decken. Das werden wir mit einer paneuropäischen Organisation umsetzen, die gestützt auf eine von unserer eigenen IT-Tochter entwickelten CRM-Software schneller und effektiver als viele Wettbewerber agiert. Außerdem werden wir noch bestehende Lücken in unserem europäischen Vertriebsnetz schließen.
An welche Bereiche denken Sie, beim Vervollständigen Ihres Portfolios?
Klaus-Christian Westphal: Es wäre vermessen, einen riesigen Bauchladen vor uns her zu tragen und zu meinen, damit könnten wir jede Marktanforderung bedienen! Unsere europäischen Aktivitäten bei Distribution und Handel sind innerhalb der Gruppe in sieben industriebezogene Geschäftsbereiche unterteilt: Lacke und Farben, Klebstoffe, Kunststoffe, Lebensmittel, Kosmetik und Haushalt, GFK und Spezialchemie. In diesen Segmenten versuchen wir, den Bedarf der Kunden möglichst komplett mit Rohstoffen zu bedienen. Daneben bleiben wir weltweit in den beiden Produktbereichen Naturwachs und Balsamharz aktiv.
Wie sehen Sie den Konzentrationsprozess in der Chemie- und Kunststoffbranche?
Klaus-Christian Westphal: Dieser Trend scheint unumkehrbar. In Westeuropa sind die Karten weitgehend neu verteilt. Andere, teilweise marktfremde Player haben das Spielfeld betreten, z. B. Venture-Capital-Firmen oder Unternehmen aus den erdölexportierenden Staaten.
Bergen solche Tendenzen nicht auch eine große Gefahr für Ihr Geschäft?
Klaus-Christian Westphal: Ganz sicher! Wenn sich zwei Prinzipale zusammenschließen und wir mit einem zusammengearbeitet haben, besteht immer die Gefahr, dass einer der beiden Distributionspartner ausscheidet. Allerdings sind wir bislang weitgehend von solchen Verlusten verschont geblieben, weil wir sehr gute Beziehungen zu unseren Lieferanten pflegen, besten Service bieten, zu vernünftigen Konditionen arbeiten und in unserem Geschäft eine überzeugende Marktdurchdringung gewährleisten.
Auch im Distributions- und Handelssektor ist in den letzten Jahren eine Konzentration zu beobachten. Wo steht Ter Hell in diesem Prozess?
Klaus-Christian Westphal: Wir sehen uns, basierend auf unserer Beweglichkeit, als Spezialisten. Das Distributionsgeschäft besteht in erster Linie daraus, von einem Lieferanten größere Mengen eines bestimmten Stoffs fürs eigene Lager zu kaufen, um die aufgebrochene Partie portioniert an kleinere und mittelgroße Abnehmer weiterzugeben. Wir arbeiten bei den Erzeugern in der Regel mit festen Verträgen. Sie halten unter anderem fest, für welche Regionen wir verantwortlich zeichnen, welche Dienstleistung wir zu erbringen haben. Ein Geschäft auf Gegenseitigkeit also. Wir haben im Wettbewerb mit anderen Unternehmen den europäischen Markt fest im Blick. Hier gilt es, die eigene Position zu festigen und Vertriebswege auszubauen. Da wir mit namhaften Produzenten nicht nur hervorragende Beziehungen, sondern auch feste Verträge haben, sind wir sehr gut aufgestellt. Hinzu kommen – gerade in unserem Jubiläumsjahr – etliche Zusagen und Absichtserklärungen, mit Ter Hell weitere Gebiete zu erschließen. Da gehen wir gemeinsam Schritt für Schritt voran.
Sie haben sich für die Zukunft ehrgeizige Ziele gesteckt. Ter Hell soll weiter jährlich um 5 bis 10 % wachsen und mittelfristig zu einem der Top Player in Europa aufsteigen.
Klaus-Christian Westphal: Unser Anspruch ist ambitioniert. Aber wer sich keine Ziele setzt, kann auch nichts erreichen. Dabei sind wir realistisch genug, uns nicht etwa am Marktführer in der Chemiedistribution zu messen. Wir müssen uns aber bei einem Jahresumsatz von mehr als 350 Mio. € nicht verstecken.
Was halten Sie angesichts Ihrer weltumspannenden Aktivitäten von den Debatten um das Für und Wider der Globalisierung?
Klaus-Christian Westphal: Mit Fug und Recht lässt sich sagen, dass wir schon lange global unterwegs sind. Ter Hell hat immer international gedacht, daher sehen wir die Diskussionen recht entspannt. Wir haben bereits vor dem Zweiten Weltkrieg und noch intensiver danach etwa in Brasilien oder auch in China eingekauft und mit diesen Ländern Handelsbeziehungen unthalten. Bereits 1984 haben wir eine Firma in Hongkong gegründet und von dort unsere Geschäftsbeziehungen nach China ausgebaut. Heute erweist sich diese Entscheidung als strategischer Wettbewerbsvorteil. Inzwischen sind wir in China mit mehreren eigenen Unternehmen vertreten. Ähnlich ist es in den USA, wo wir ebenfalls mit einer Tochtergesellschaft im Distributionsgeschäft erfolgreich sind. Aber unsere Ressourcen sind natürlich begrenzt. Wir können nicht überall in gleichem Maße aktiv sein. Und augenzwinkernd sage ich: Die kommende Generation soll auch ihre Chancen haben!
Wie sieht Ihr Geschäft in China konkret aus?
Klaus-Christian Westphal: Wir sind in China insgesamt mit sechs Unternehmungen tätig. Vor gut einem Jahr haben wir dort ein weiteres Unternehmen gegründet, die Ter Engineering Plastic Trading (Suzhou) Ltd. Unser jüngster, ganz aktueller Coup ist die Vereinbarung mit dem chinesischen Distributionsunternehmen NCM, eine gemeinsame Compoundieranlage für Kunststoffe in China zu bauen. NCM hat 25 Büros im Land und vertreibt als Distributeur nicht nur Kunststoffe, sondern auch Spezialchemikalien namhafter Hersteller. Die Übereinkunft ist somit für den Ausbau des Vertriebsnetzes der gesamten Ter Group von strategischer Bedeutung.
Welche Vorteile soll Ihnen die Allianz eröffnen?
Klaus-Christian Westphal: Das Joint Venture ermöglicht uns einkaufs- und verkaufsseitig ein noch stärkeres Engagement in China. In erster Linie wollen wir neue Kunden in China gewinnen und mit so genannten Taylormade-Rohstoffen bedienen. Gleichzeitig geht es darum, bei den günstigeren Produktionskosten dort, preiswerte Kunststoffe aus Fernost in Europa anzubieten. Für unseren chinesischen Partner und uns ist klar: Wir brauchen sie und sie brauchen uns. Sie kennen Land und Leute, haben die erforderlichen Kontakte. Wir steuern maßgeschneiderte Werkstoffe und Verfahrens-Know-how bei. Gleiches gilt für den Chemiesektor.
Kontakt:
Tel.: 040/300501-8020
westphal@terhell.com