Ökologie trifft Ökonomie
Das Science-to-Business Center Eco² von Evonik in Marl
Evonik bündelt die im Konzern vorhandenen Kompetenzen rund um das Themenfeld Energieeffizienz und Klimaschutz in Form von Geschäftsfeld übergreifenden Entwicklungsprojekten im Science-to-Business (S2B) Center Eco² unter Leitung der strategischen Forschungseinheit Creavis Technologies & Innovation. Rund 50 Mitarbeiter, vom Architekten über den Naturwissenschaftler bis zum Kraftwerksingenieur, arbeiten in interdisziplinären Gruppen direkt im S2B-Center in Marl oder indirekt in den jeweiligen Geschäftsbereichen. Das im Oktober 2008 gegründete S2B-Center Eco² bündelt knapp zwei Dutzend Projekte zu Ressourcenschonung und Klimaschutz. Eines der innovativen Projekte wurde in der 2. Runde des Spitzentechnologiewettbewerbs "Hightech.NRW" prämiert. Dr. Michael Reubold befragte Dr. Stefan Nordhoff, Leiter des Science-to-Business Centers Eco2 zu diesem und weiteren aktuellen Projekterfolgen und den Perspektiven anderer Projekte.
CHEManager: Herr Dr. Nordhoff, Evonik investiert bis 2013 über 50 Mio. € in Eco2, zusätzliche öffentliche Fördermittel erhöhen Ihr Budget zudem. Hat Energieeffizienz also nicht nur in den eigenen Anlagen, sondern insbesondere für zukünftigen Geschäftserfolg eine Bedeutung für den Konzern?
S. Nordhoff: Wir beobachten die durch den Megatrend Ressourceneffizienz in der Zukunft sich verändernden Kundenbedürfnisse sehr aufmerksam und sind davon überzeugt: Wer den Kunden konkrete Energieeffizienzlösungen anbieten kann, wird sich damit deutlich erfolgreicher vom Wettbewerb differenzieren können. Darüber hinaus begreifen wir die aus dem Klimawandel notwendigen Maßnahmen auch als Chance und als Wachstumsfaktor.
An welche denken Sie dabei?
S. Nordhoff: Evonik ist heute schon erfolgreich, wenn es um intelligente Lösungen für Ressourcenschonung und Klimaschutz geht. Wir schaffen Innovationen in den klimarelevanten Sektoren Energiebereitstellung, -speicherung und effiziente Energienutzung. Hierzu gehören u.a. das hocheffiziente Kraftwerk, Leichtlaufreifen und Rohstoffe für die Photovoltaikindustrie.
Mit dem S2B-Center Eco2 gehen wir jetzt noch einen Schritt weiter und nehmen zusätzlich mit dem Thema CO2-Abtrennung und -Nutzung ein bisher nicht konkret adressiertes Feld auf. In enger Zusammenarbeit mit den Geschäftsbereichen und Service-Einheiten des Konzerns forcieren wir Projekte mit hohem CO2-Einsparpotenzial und bringen sie zur Marktreife. Dabei greifen wir auf die Kompetenzen aus unseren drei Geschäftsfeldern Chemie, Energie und Immobilien zurück und können dadurch besonders effizient die ökonomischen Potentiale heben.
Sie haben aus anfänglich rund 230 Projektansätzen knapp 10 % ausgewählt, die Sie nun intensiv bearbeiten. Auf welche konkreten Projekte bzw. Themen konzentrieren Sie sich bei Eco2?
S. Nordhoff: Einen besonderen Fokus haben wir auf mittelfristig ökonomisch attraktive Produkte und Dienstleistungen mit hohem CO2-Einsparpotenzial sowohl für Kunden als auch in unseren eigenen Prozessen gelegt. Dabei sind Life-Cycle-Assessments ein wichtiger Bestandteil der Bewertung aller potentiellen neuen Technologien. Die verschiedenen Projekte kommen aus fünf Themenfeldern.
In der Entwicklungslinie CO2-Abtrennung und -Nutzung beschäftigen wir uns damit, den Abgasen aus Chemie, Biotechnologie aber auch aus Kohle befeuerten Kraftwerken mit maßgeschneiderten Absorbentien einen Teil des CO2 zu entziehen. Dieses soll anschließend als Rohstoff in chemischen Synthesen oder biotechnologischen Prozessen wieder eingesetzt werden.
Im Bereich der Energieerzeugung geht es um innovative Lösungswege zur Energieerzeugung. Diese liegen insbesondere in kleinen dezentralen Einheiten. Die Einsatzgebiete reichen hierbei von einer effizienteren Nutzung bekannter Energiequellen, wie z.B. Biogas, bis zur Erschließung neuer Technologien, wie der regenerativen Gewinnung und effizienten Nutzung von Wasserstoff.
Das Themenfeld Energiespeicherung beschäftigt sich mit intelligenten Speichersystemen. Diese werden benötigt, um die durch die Energiegewinnung aus Sonne und Wind verursachten Netzschwankungen zu stabilisieren und so die Energieerzeugung insgesamt erheblich effizienter zu gestalten. Zusätzlich setzt der Wandel von zentral zu dezentral ausgerichteten Energiesystemen das Vorhandensein von Speichertechnologien voraus, um die Systemstabilität zu gewährleisten.
Im Themenfeld Energieeffizienz beim Kunden wollen wir mit wegweisenden Leichtbaukonzepten, CO2-armen Betonen und neuen Wärmeisolationssystemen die Energieeinsparpotentiale in den Bereichen Mobilität und Gebäudeenergieeffizienz wirtschaftlich zugänglich machen.
Im Themenfeld Energieeffizienz in Evonik-Prozessen geht es um die Steigerung der Energieeffizienz unserer eigenen Prozesse sowohl im Bereich der Chemie als auch der Energie. Derzeit verfügen Kohlekraftwerke im weltweiten Schnitt über einen Wirkungsgrad von 30 %. Zur Verbesserung entwickeln wir eine Technologie für eine Kohleverstromung, deren Wirkungsgrad bei über 50 % liegt.
Eines der Projekte aus der Entwicklungslinie CO2-Abtrennung und Nutzung wurde beim Spitzentechnologiewettbewerb "Hightech.NRW" prämiert. Welches Ziel verfolgen Sie hier und mit welchen Lösungswegen befassen Sie sich?
S. Nordhoff: Das prämierte Verbundvorhaben mit dem Titel H2ECO2 beschäftigt sich mit der stofflichen Nutzung von CO2 und der regenerativen Erzeugung von Wasserstoff. Gemeinsam mit Wissenschaftlern der RWTH Aachen, der TU Dortmund und der Ruhruniversität Bochum erforschen und entwickeln wir innovative Verfahren zur Nutzung von CO2 als Rohstoff der chemischen Produktion durch einen systematischen Ansatz. Wir werden ökologisch und ökonomisch vorteilhafte Prozessalternativen erschließen, die im Vergleich zu bestehenden Prozessen eine CO2-Minderung erzielen und die Nutzung von CO2 als C1-Baustein für die Synthese von Produkten mit hoher Wertschöpfung, wie z.B. Polymere und Spezialchemikalien, eröffnen. Als hochenergetischer Reaktionspartner für CO2 wird dabei u.a. Wasserstoff zum Einsatz kommen. Solche Prozesse können nur nachhaltig ablaufen, wenn Wasserstoff auf regenerativem Weg erzeugt wird. Deshalb beschäftigt sich ein Teilprojekt mit der photokatalytischen Erzeugung von Wasserstoff aus Wasser.
Sie treiben die Entwicklung eines Lithiumionen-Elektrizitäts-Speichersystems voran. Mit welchem Ziel?
S. Nordhoff: Gemeinsam mit den Partnern Evonik Power Saar, Li-Tec Battery, Digatron Industrie-Elektronik sowie der Universität Münster, dem EWE-Forschungszentrum für Energietechnologie (Next Energy) und dem HTW-Institut Power Engineering Saar haben wir das Forschungsprojekt LESSY vor knapp 14 Monaten gestartet.
Dieses im Rahmen der Forschungsinitiative LIB 2015 vom BMBF geförderte und auf drei Jahre angelegte Forschungsprojekt hat das Ziel, die technisch-wirtschaftliche Machbarkeit von Lithium-Ionen-Batterie-(LIB)-Speichern für stationäre Anwendungen zu untersuchen und im Prototypmaßstab, d.h. mit Leistungen in der Höhe von +/- 1 MW und Energiemengen von 700 kWh, zu demonstrieren.
Die Entwicklungen fokussieren zunächst auf den Anwendungsbereich der Netzstabilisierung und hier konkret auf die Bereitstellung von Primärregelenergie.
Wesentliche Herausforderungen des Projektes resultieren aus der Größenordnung des Speichers. Die Anforderungen hinsichtlich Sicherheit, Batteriemanagement, Netzanbindung, Energiemengen und Leistungen gehen deutlich über den Stand der Technik bei LIB-Speichern hinaus. Die Projektergebnisse wollen wir gezielt nutzen, um in begleitenden Studien weitere Anwendungsgebiete von großskaligen LIB-Speichern zu prüfen.
Viele Projekte bearbeiten Sie in Kooperationen mit Hochschulen und Forschungsinstituten. Wie wichtig sind solche Partnerschaften für Sie?
S. Nordhoff: Diese Partnerschaften sind für uns von großer Bedeutung, da wir so auch alle für unsere Projekte wichtigen Kompetenzen abdecken können, die wir nicht im eigenen Hause haben. Die Kooperationen mit Hochschulen und Forschungsinstituten als gleichberechtigte integrierte Partner sind daher für uns extrem wichtig. So vertiefen wir unser Wissen in der Grundlagenforschung. Bei der Entwicklung von Produkten arbeiten wir von Anfang an mit den potentiellen Kunden zusammen, um ihre Anforderungen besser verstehen zu können und eine adäquate Problemlösung zu finden. Die S2B-Center bieten den idealen Rahmen für die Zusammenarbeit zwischen internen und externen, auch industriellen, Partnern. Dadurch können wir die Zeitspanne von der Erfindung bis zur Marktreife erheblich reduzieren.
In Deutschland werden Klimaschutz, Energieeffizienz und Ressourcenschonung bereits seit langem groß geschrieben. Denken Sie, dass die deutschen Unternehmen im weltweiten Wettbewerb mit Lösungen zum Klimaschutz einen Innovationsvorsprung haben?
S. Nordhoff: Durch die besonders stringenten klimapolitischen Ziele in Deutschland werden energieeffiziente Technologien gefordert und gefördert. Dadurch sind deutsche Unternehmen für den Wettbewerb um energieeffiziente Technologien grundsätzlich gut gerüstet. Wenn man allerdings einen genaueren Blick z.B. auf die Photovoltaik-Industrie wirft, wird deutlich, dass andere Länder, wie z.B. China, in der Lage sind, sehr schnell einen technologischen Rückstand aufzuholen. Aufgrund ihrer günstigen Kostenstrukturen haben Unternehmen aus diesen Ländern erhebliche Wettbewerbsvorteile und können daher große Marktanteile erobern.