Die pharmazeutische Lieferkette stärken
12.09.2018 -
Die FDA und die zuständigen Behörden in Europa haben in den letzten zehn Jahren neue und detaillierte Anforderungen zur Qualifikation und Überwachung für Arzneimittel- und Medizinhersteller festgelegt. Die Anforderungen an ein Qualitätssystem zum Finden, Auswählen und Bestätigen qualifizierter Lieferanten aller Materialien, die bei der Herstellung dieser Produkte verwendet werden, sind durch die Gute Herstellungspraxis (GMP), durch verschiedene internationale, gesetzliche Anforderungen und durch international anerkannte Normen geregelt. Obwohl die Anforderungen gemäß Guter Herstellungspraxis klar definiert sind, kann der Inhalt je nach Land und Region abweichen. Diese Anforderungen haben jedoch alle dasselbe Ziel: Die Bereitstellung sicherer, reiner und effektiver Produkte, die kontrolliert hergestellt und vertrieben werden. Diese Anforderungen sollen Todesfälle, schwere Erkrankungen, unerwünschte Ereignisse sowie Produktrückrufe aufgrund von Mängeln in der Herstellung und im Vertrieb verhindern.
Die Zunahme der Vorschriften und Anforderungen kann teilweise darauf zurückgeführt werden, dass es Mängel bei der Herstellung und dem Vertrieb gab, wobei die Unternehmen die entsprechende Gute Herstellungspraxis nicht eingehalten hatten. Einige dieser Mängel hatten sehr schwere oder gar tödliche Folgen. Einige dieser schwerwiegenderen Fälle im Laufe der letzten zehn Jahre waren:
- Mehrere Fälle von Glyzerin-Kontamination durch Diethylenglykol, die zu zahlreichen Todesfällen führten und fehlenden Kontrollen in den zugehörige Lieferketten zugeschrieben wurden
- 2008: Heparin-Kontamination, da übersulfatiertes Chondroitinsulfat als Ausgangsmaterial verwendet wurde
- 2012: Verwendung von Natriumnitrat, das für Sorbitol gehalten wurde, was zu Todesfällen führte, die der Materialverfälschung zugeschrieben wurde
Diese unglücklichen Ereignisse ergaben die Notwendigkeit für solide dokumentierte Anforderungen und Richtlinien für die Qualität der Lieferanten und Sicherheit in der gesamten Lieferkette für die Arzneimittelherstellung, einschließlich Rohstoffen (Wirk- und Hilfsstoffe) und kritischer Komponenten im Sinne der Arzneimittelhersteller. Die FDA und die zuständigen Behörden in Europa haben klare Vorschriften für Produkte für Fertigarzneimittel (Eudralex in der EU und FDA 21 CFR Teil 211 in den USA) sowie Wirkstoffe (ICH Q7), die die Hersteller und Distributoren von Fertigarzneimitteln und Wirkstoffen einhalten müssen. Es gibt allerdings keine gesetzlichen Bestimmungen in Bezug auf die Kontrollen der Hilfsstoffe.
Als Reaktion auf die verschärften Vorschriften für die Lieferketten und fehlende gesetzliche Bestimmungen hat die Industrie selbst einen normierten, weltweit gültigen Ansatz für die Kontrolle und die Verwendung von hochwertigen Hilfsstoffen in der gesamten Lieferkette erarbeitet. Im Jahr 2006 haben der International Pharmaceutical Excipients Council (IPEC; internationaler Rat für pharmazeutische Hilfsstoffe) und die Pharmaceutical Quality Group (PQG; Verbund für pharmazeutische Qualität) zusammen die IPEC-PQG Gute Herstellungspraxis für pharmazeutische Hilfsstoffe erstellt. Dieser Leitfaden kombiniert die Gute Herstellungspraxis für pharmazeutische Hilfsstoffe der IPEC aus dem Jahr 2001 mit der Richtlinie PS 9100:2002 für pharmazeutische Hilfsstoffe der PQG, die auch auf der Guten Herstellungspraxis für pharmazeutische Hilfsstoffe der Weltgesundheitsorganisation (WHO) basiert und auf die Norm ISO 9001 für Qualitätsmanagement verweist.
Die Qualitätsmerkmale der Hilfsstoffe sind ebenso signifikant für die Gesamtqualität des Arzneimittels wie die Qualität der Wirkstoffe. Sowohl die europäischen als auch die amerikanischen Regulierungsbehörden verlangen von den Arzneimittelherstellern zu kontrollieren, dass die Lieferanten von Hilfsstoffen gemäß der aktuellen Guten Herstellungspraxis arbeiten. Diese Verpflichtung stellt eine große Herausforderung sowohl für Hersteller der Arzneimittel als auch für die Hersteller der Hilfsstoffe dar, da zusätzliche Kosten entstehen und zusätzliche Ressourcen und zusätzlicher Zeitaufwand für die fortlaufende Konformität notwendig sind. Die Regulierungsbehörden in den USA und in Europa unterstützen den Einsatz externer Prüforgane zur Zertifizierung der Einhaltung der aktuellen Guten Herstellungspraxis durch die Hersteller von Hilfsstoffen. Eine Lösung ist die Verwendung des EXCiPACT- Zertifikationssystems, das aus der Branche hervorgegangen ist und zur Risikominderung in der Lieferkette dient, indem die Anforderung zur Durchführung von Kontrollen erfüllt wird.
Das EXCiPACT-Zertifikationssystem ist ein standort- bzw. einrichtungsbasiertes externes Bewertungssystem, das alle Hilfsstoffe von einem festgelegten Ort abdeckt. Dieser Prozess umfasst eine unabhängige Kontrolle durch externe Auditoren, um zu gewährleisten, dass Normen eingehalten und umgesetzt werden. Dabei wird die Einhaltung der Guten Herstellungspraxis und der Guten Distributionspraxis in Bezug auf die ausgelieferten Hilfsstoffe überprüft. Außerdem können die Lieferanten damit den Nachweis über die Einhaltung mithilfe von Zertifizierungen und Prüfberichten erbringen. Die EXCiPACT-Norm ist ein Anhang der ISO 9001, die auf das grundlegende Qualitätsmanagementsystem aufbaut und die Anforderungen der Guten Herstellungspraxis von IPEC und PQG von 2006 erweitert. Diese Struktur konzentriert sich eher auf die Qualitätsmanagementsysteme der Hersteller der Hilfsstoffe als auf einzelne Hilfsstoffe.
Externe Prüforgane prüfen, ob die Lieferanten von Hilfsstoffen die EXCiPACT-Normen einhalten. Nach Abschluss der Prüfung wird ein Prüfbericht erstellt, in dem die Beobachtungen dokumentiert und die Ergebnisse als lebensbedrohlich, kritisch, wesentlich oder geringfügig eingestuft werden. Die externen, technischen Experten prüfen den Audit-Bericht und die darin dokumentierten Ergebnisse und empfehlen die Zertifizierung, wenn das Ergebnis nicht als lebensbedrohlich oder kritisch eingestuft wurde oder als nicht wesentlich ohne CAPA oder als nicht geringfügig, was anzeigt, dass ein Fehler im Qualitätssicherungssystem vorliegt. Der Hilfsstoff-Lieferant kann den pharmazeutischen Kunden diese Prüfberichte zur Verfügung stellen. Teile dieses Dokuments können unkenntlich gemacht werden, jedoch darf der Inhalt des Berichts nicht verändert werden.
Ein Vorteil für die Verwender der Hilfsstoffe ist, dass diese Prozesse immer vollständig transparent für die Aufsichtsbehörden, Lieferanten und Anwender sind, sodass immer eine Verifikation der externen Prüforgane möglich ist.
Die EXCiPACT-Website bietet folgende Verifikationsmaßnahmen, die der Absicherung der Hersteller von Fertigarzneimitteln und Lieferanten von Hilfsstoffen dienen:
- Liste der externen Prüforgane, die die Anforderungen von EXCiPACT erfüllen und eine rechtliche Vereinbarung mit EXCiPACT unterzeichnet haben
- Kompetenzanforderungen an die Prüforgane
- Liste der Prüforgane, die die Kompetenzanforderungen von EXCiPACT erfüllen
- Organisationen die von EXCiPACT zertifiziert sind sowie deren Zertifizierungsstatus
- Verzeichnis zertifizierter Lieferanten von Hilfsstoffen
- Liste der Hersteller, bei denen die Zertifizierungen ausgesetzt o. aufgehoben wurden
Durch dieses Schema ist nicht nur Transparenz gegeben, es ist außerdem eine Option zur signifikanten Senkung von Kosten für alle Beteiligten. Diese Zertifizierung stellt eine kostengünstige Methode für die Sicherstellung der Einhaltung der aktuellen Guten Herstellungspraxis und der aktuellen Guten Distributionspraxis bei allen Prozessen in der pharmazeutischen Lieferkette dar.
Die Daten zeigen Schätzungen der zu erwartenden Kosteneinsparungen für die Lieferanten von Hilfsstoffen und deren Anwender. Bei diesen Zahlen wird davon ausgegangen, dass die Prüfung nach ISO 9001 und EXCiPACT normalerweise etwa zwei bis sechs volle Arbeitstage in Anspruch nimmt. Die Kosten für die Prüfung entsprechen den Zertifizierungspreisen der externen Prüforgane (in der Regel 2.000 € pro Tag und pro Person); also ungefähr 13.500 € pro Standort. Die EXCiPACT Association erhebt eine Bearbeitungsgebühr von 5.500 €, wobei das Zertifikat alle drei Jahre erneuert wird. Jährliche Prüfungen zur Überwachung dauern etwa zwei bis drei Tage und kosten ca. 6.500 € pro Jahr. Die Gesamtkosten liegen bei etwa 30.000 € für einen Zeitraum von drei Jahren und ermöglichen Einsparungen von ca. 90.000 €. In der mittleren Spalte in Abbildung 2 sind die erwarteten Einsparungen für die Hersteller der Hilfsstoffe verzeichnet. Es kann pro Monat mindestens eine zweitägige Prüfung eingespart werden. In der Abbildung anbei sind die Vorteile für die Verwender der Hilfsstoffe aufgezeigt, die auch mindestens eine zweitägige Prüfung und im Laufe von drei Jahren insgesamt ca. 300.000 € einsparen können.
Die EXCiPACT-Zertifizierung ist eine gemeinsame Initiative der Hersteller und der Verwender von Hilfsstoffen, die sich derzeit drei Herausforderungen stellt: Produktqualität, Risiken in der Lieferkette sowie Kosten für die Einhaltung der Vorschriften. Zur Unterstützung der pharmazeutischen und biopharmazeutischen Kunden und zur Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften erhielten zwei Produktionsanlagen von VWR International, LLC, in Ohio (USA) kürzlich ein EXCiPACT-Zertifikat für die Einhaltung der Guten Herstellungspraxis und der Guten Distributiospraxis. Für die Zertifizierungen wurden die Beschaffung, das Testen, die Verpackung, Lagerung und Freigabe von Produkten für pharmazeutische Hilfsstoffe, die Salze, Kohlenhydrate, Denaturierungsmittel und Puffer enthalten, geprüft. Die Risiken in Bezug auf Hilfsstoffe wurden in der Vergangenheit nicht klar definiert bzw. ausgewertet. Da sich die Industrie und die Vorschriften weiterentwickeln, entwickelt sich auch VWR ständig weiter, um kontinuierlich qualitativ hochwertige Produkte für unsere Endanwender anzubieten. Das Engagement von VWR und der EXCiPACT-Ansatz sind eine zuverlässige Lösung für Hilfsstoffe gemäß der aktuellen Guten Herstellungspraxis und der aktuellen Guten Distributionspraxis, die von Arzneimittelherstellern verwendet werden können und die gesamte Lieferkette der Pharmaindustrie stärkt.