Digitalisierung in der Pharmabranche: ein Balance-Akt
Gefährdet die Digitalisierung die Compliance, oder stellt sie vielmehr eine Chance dar?
In der Pharmaindustrie zeichnen sich aktuell zwei starke Trends ab: Die Compliance-Vorgaben werden immer strenger, während gleichzeitig die Digitalisierung mit ihren neuen Technologien wie Big Data, Cloud, Analytics und Social Media rasant weiter voran schreitet. Aus diesem Spannungsfeld ergibt sich eine zentrale Frage: Gefährdet die Digitalisierung Compliance, oder stellt sie vielmehr eine Chance dar, die zunehmenden regulatorischen Vorgaben in Bezug auf die Lieferkette zu erfüllen? In der aktuellen Pharma-Management-Radar-Studie wurde untersucht, wie Pharmaunternehmen die Digitalisierung im Hinblick auf Compliance-Anforderungen bewerten.
Die Umfrageergebnisse zeichnen ein sehr gemischtes Bild: Zwar stimmt die Mehrzahl der Befragten (94 %) komplett oder teilweise zu, dass die Digitalisierung Firmen dabei unterstützt, Compliance-Anforderungen schneller und einfacher zu erfüllen. Über 90 % der Teilnehmer sind jedoch der Meinung, dass die Compliance der Entwicklung neuer Technologien hinterher hinkt, was bedeutet, dass regulatorische Vorgaben oft fehlen oder hinfällig sind.
Mangelndes Know-how über neue Technologien
Eine der spannendsten Aussagen der Studie ist, dass die Compliance-Abteilungen von Pharmaunternehmen im Hinblick auf neue Technologien offensichtlich nur unzureichend informiert sind. 68 % der befragten Unternehmer glauben nicht, dass sie über die interne Abteilung für Compliance oder Qualitätssicherung Informationen zu den Risiken und Chancen beim Einsatz neuer Technologien erhalten. Sie vertrauen hier lieber auf eigene (Internet-) Recherchen. Die Compliance-Abteilungen müssen demnach in puncto neue Technologien noch deutlich an Know-how zulegen, um mit den Entwicklungen der Digitalisierung Schritt halten zu können.
Chance oder Risiko? Eine Frage der Kontrolle!
Auf die Frage, wann eine neue Technologie als Risiko für die Compliance gesehen wird und wann als Chance, fallen die Antworten sehr deutlich aus: Ist eine Technologie nicht oder nur teilweise vom Unternehmen selbst kontrollierbar, wird sie als Risiko eingestuft. Beispiele hierfür sind Social Media und Health Apps. Der Grundsatz gilt auch dann, wenn der Geschäftsvorteil, den diese Technologie bietet, potentiell hoch ist – wie das etwas beim Thema Public oder Hybrid Cloud der Fall ist. Je besser sich eine Technologie inhouse kontrollieren lässt, desto höher wird sie als Chance für die Compliance gesehen – bspw. fortschrittliche Analysetools.
Chancen durch Lieferkettentransparenz
Transparente Lieferketten sorgen für bessere Planbarkeit, ein geringeres Geschäftsrisiko und vor allem für einen verbesserten Kundenservice. Um eine durchgängig transparente Lieferkette von der Beschaffung bis zur Auslieferung an den Kunden bzw. Patienten zu schaffen, gilt es, die Daten aller beteiligten Partner nahtlos und in Echtzeit in die Supply Chain zu integrieren. Und genau hier kommt die Digitalisierung ins Spiel: Bei der Verbesserung der Lieferkettentransparenz können neue Technologien derzeit am meisten bewirken. Die Umfrageergebnisse, wonach die Lieferkettentransparenz einer der beiden Top-Bereiche ist, in denen die Pharmabranche derzeit Pilotprojekte startet, bestätigen dies.
Bereits existierende Cloud-Plattformlösungen für Supply-Chain-Partner wie GT Nexus, Tracelink oder Descartes sind ein möglicher Schritt in diese Richtung. Der Schlüssel zum Erfolg solcher Lösungen liegt dabei in einer zentralen Datenbank auf Basis eines standardisierten Datenmodells, mit der sich jeder Partner verlinken kann.
Die langjährige Projekterfahrung zeigt jedoch, dass Unternehmen bezüglich Compliance und Validierung sehr unterschiedlich an Cloud-Lösungen herangehen. Einige Pharmaunternehmen nutzen derartige Plattformlösungen überhaupt nicht oder nur eingeschränkt, da sie die ständigen Veränderungen in einer Cloud-Lösung und deren Kontrolle als problematisch ansehen. Für andere Unternehmen hingegen stellt diese Art von technologischen Lösungen einen unkritischen Prozessbereich dar. Entsprechend geringer sind die an die Lösung gestellten Anforderungen im Hinblick auf Compliance.
Der Einsatz von Cloud-Plattformen zur Verbesserung der Supply-Chain-Transparenz ist nur ein Beispiel für neue Technologien, deren konkrete Ausgestaltung und Implementierung im Unternehmen sehr eng zwischen Compliance, Business und IT abgestimmt werden müssen.
Gesundheits-Apps für Patienten – ein Compliance-Balance-Akt!
Die Zahl der Gesundheits- oder Fitness-Apps für Handys und Tablets steigt täglich – alleine im Apple App Store finden sich über 100.000 Apps zum Thema Fitness und Gesundheit. Analysten zufolge wird der Markt für mobile Gesundheitsapplikationen bis 2020 um 15 % auf 31 Mrd. USD anwachsen. Was allerdings bislang fehlt, sind einheitliche Qualitätskriterien und das Commitment der verschiedenen Anbieter, im hochsensiblen medizinischen Bereich qualitätsgesicherte Angebote zu entwickeln. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass die Studienteilnehmer Gesundheits-Apps als eines der Top-Risiken für die Compliance ansehen.
Die Pharmabranche könnte von Gesundheits-Apps für Patienten jedoch stark profitieren. Die signifikanten Vorteile liefern dabei die von den Apps erfassten Patienten- bzw. Nutzerdaten. Eine Therapie-unterstützende App würde Pharmaunternehmen bspw. den Zugriff auf vollständig dokumentierte Daten ermöglichen. Wenn diese App nicht nur Patientendaten erfassen, sondern auch klinische Daten wie Laborergebnisse integriert, erhalten die Unternehmen wertvolle Daten zur Verbesserung der Arzneimittelentwicklung und damit zur Optimierung ihrer Geschäftsstrategien. Werden darüber hinaus Supply-Chain- und Logistik-Dienstleistungen in persönliche Gesundheits-Apps integriert, so generiert das zusätzliche Geschäftsmöglichkeiten. Für die Realisierung dieser Angebote ist es jedoch zwingend nötig, sämtliche Compliance-Anforderungen vorab nahtlos zu klären.
Blockchain: die neue Rezeptur für Datensicherheit
Eine mögliche Lösung für das sensible und Compliance-relevante Thema Datenschutz und Datensicherheit scheint jedoch greifbar: die sogenannte Blockchain-Technologie. Ursprünglich war die Blockchain der innovative Kern der digitalen Währung Bitcoin, die einen sicheren Geldtransfer garantiert. Die hochkomplexe Technologie erlaubt einen transparenten, manipulationsfreien und sicheren Datenaustausch. Eine Paradedisziplin zur Verwendung der Blockchain in der Pharmabranche ist die manipulationssichere Rückverfolgbarkeit von Produktinformationen entlang der Lieferkette innerhalb eines Supply-Chain-Netzwerkes. So erlaubt bspw. die auf Basis der Blockchain-Technologie entwickelte Camelot Hypertrust-Network-Lösung ein fälschungssicheres Track & Trace. Darüber ermöglichen Blockchain-basierte Lösungen einen transparenten, sicheren Datenaustausch zwischen Patienten, Pharmaunternehmen und Gesundheitsorganisationen.