Pharmalogistik: Regularien bestimmen Logistik
Trendbericht Achema: Entwicklungen in der Chemie- und Pharmalogistik (Teil 1)
Die Logistik ist in vielen Industriebereichen neben einem Kosten- auch zu einem wirtschaftlichen Kernfaktor geworden, was in besonderem Maße für Branchen wie Chemie und Pharma gilt. Dies ist einer der Gründe, weshalb die Industriemesse Achema 2018 der Logistik für diese beiden Industriezweige einen eigenen Hallenbereich gibt. Im ersten Teil des Artikels sind einige grundlegende Entwicklungen und Trends der Pharmalogistik dargestellt. Der zweite Teil greift die schwerpunktmäßig Chemielogistik.
In den vergangenen Jahren haben sich die Schwerpunkte der Pharmalogistik und der Logistik für die Chemieindustrie thematisch auseinander entwickelt. Die Vertriebskette chemischer Erzeugnisse läuft auch heute noch vielfach in andere Industriezweige und selten direkt zum Verbraucher, was sich auch in der Logistik widerspiegelt. Stets sind die Sicherheit der Gefahrstoffe im Lager und Gefahrgüter im Verkehr dabei im Fokus.
Pharmazeutika werden zumeist über den Pharmagroßhandel an die einzelnen Apotheken vertrieben und gelangen von dort an den Verbraucher bzw. Patienten. Mit den Online-Apotheken hat sich hier ein weiterer Vertriebskanal eröffnet. Viele Pharmazeutika werden heute biochemisch hergestellt und sind im Handling anspruchsvoll (z.B. Einhaltung einer Kühlkette). Pharmalogistik blickt stark auf den Patienten und ist sehr eng mit der Patientensicherheit verknüpft, was eine Rückverfolgbarkeit der Lieferkette nötig macht.
Schon alleine dies verdeutlicht, dass die Logistik für die beiden Industriezweige Chemie und Pharma zwar unter dem Gesichtspunkt Sicherheit läuft, allerdings mit unterschiedlichem Ansatz.
Merkmale der Pharmalogistik
Die Pharmalogistik hat stets die Arzneimittelsicherheit über die gesamte Lieferkette im Fokus, u.a. getrieben von Globalisierungstendenzen. Die steigende Globalisierung der Produktionsstandorte ist eine Folge des Kostendrucks, der auch die Pharmabranche erreicht hat. Arzneimittel werden weltweit an den jeweils kostengünstigsten Standorten produziert. Bedingt durch die Temperaturempfindlichkeit vieler, vor allem biotechnologischer und oft teurer Medikamente haben sich die pharmalogistischen Herausforderungen anders entwickelt als in der Chemielogistik.
Durch höhere Empfindlichkeit der Medikamente gegen Temperaturschwankungen hat die durchgängige Temperaturkontrolle an Bedeutung gewonnen. Zum Aspekt Arzneimittelsicherheit gehören darüber hinaus auch die Aspekte Sicherheit gegen gefälschte Medikamente und Maßnahmen gegen Arzneimitteldiebstahl. Das Thema Nachverfolgbarkeit innerhalb der Supply Chain – von der Rohstofflieferung bis zum fertigen Medikament auf dem Weg zum Patienten – hat bereits aus diesen Gründen einen hohen Stellenwert erhalten.
Pharmalogistik im engen Korsett
Vor fünf Jahren (2013) ist analog zur GMP (Good Manufactoring Practice) die GDP (Good Distribution Practice) ins Leben gerufen worden. Aufgrund der novellierten GDP müssen die Pharmazeutika-Hersteller für ihre Arzneimittel über die gesamte Supply Chain eine durchgängige Einhaltung der behördlich überwachten Vorgaben sicherstellen. Dies führt zu einer hohen Erwartungshaltung der Hersteller gegenüber ihren Logistikdienstleistern und folglich zu einer wesentlichen Verschärfung der Anforderungen für den Transport von Arzneimitteln. Die Anforderungen an die Transportdurchführung, wie die Einhaltung von Temperaturkorridoren und Hygienevorschriften aber auch fortlaufendes Monitoring, sind dementsprechend in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen, in Teilen werden sie auch weiterhin zunehmen.
Der Markt temperaturempfindlicher Arzneimittel wächst und erhöht die Nachfrage nach temperaturgeführten Lösungen und Maßnahmen während des Transports. Dies greift auch in Zukunft auf alle in die Supply Chain eingebundenen Transportmittel und betrifft neben den 2-8°C Temperaturbereichen zunehmend den Ambientbereich (15-25°C). Einige Transportdienstleister haben deshalb bereits spezielle Flotten eingerichtet, um diesen steigenden Bedarf erfüllen zu können.
Pharmalieferketten sind internationaler geworden: Neue große Märkte in Indien, Südostasien oder China wachsen nicht nur in der Produktion von APIs (Active pharmaceutical Ingridients) und Endprodukten sondern auch als Konsumentenmärkte. Auch deshalb ist neben der Seefracht im Kühlcontainer die temperaturgeführte Pharmaluftfracht ein wichtiges Segment. Die geforderten Temperaturen müssen über die gesamte Transportkette eingehalten und dokumentiert werden, was ebenso für die Übergabestellen und Bodenbereiche der Flughäfen gilt. Entsprechende passiv oder aktiv gekühlte Luftfracht-Container sowie temperaturgeführte Transportwagen für das Vorfeld kommen zum Einsatz. Um Fluggesellschaften, Handlingunternehmen und Spediteure dabei zu unterstützen, international gültige Regeln und Normen einzuhalten, hat die International Air Transport Association IATA die CEIV Pharma (Center of Excellence for Independent Validators in Pharmaceutical Logistics) eingeführt, einen Standard, der über die gesamte Luftfrachtkette inkl. der Umschlagpunkte (Lager, Vorfeld, etc.) greifen soll.
Neben den strikter gewordenen Temperaturanforderungen beim Pharmatransport, ist aus Sicherheitsaspekten das Monitoring und die Rückverfolgung (Track&Trace) von Sendungen ein wichtiger Bestandteil der Pharma Supply Chain. Dennoch beruht die „Delegierte Verordnung zur Fälschungsschutzrichtlinie“, die ab Anfang Februar 2019 für verschreibungspflichtige Arzneimittel in der EU gültig wird, überwiegend aus Kostengründen nicht auf einer Track&Trace-Lösung sondern auf einer gleichwertig sicheren End-to-End-Lösung. Demnach muss die Pharmaverpackung künftig ein „individuelles Erkennungsmerkmal“ (unique identifier) enthalten, das die Echtheitsüberprüfung und Identifizierung einer einzelnen Arzneimittelpackung ermöglicht, sowie eine „Vorrichtung gegen Manipulation“ (anti-tampering device) besitzen. Hier läuft die Uhr für die Pharmaunternehmen und alle, an dieser komplexen Serialisierungsthematik beteiligten Logistikpartner, die Vorgaben in die Praxis umzusetzen.
Datenflut in der Pharmalogistik
Da Pharmaunternehmen zunehmend mit unterschiedlichsten Dienstleistern kooperieren, wachsen die Datenmengen an. Gründe dafür liegen unter anderem in der Erhebung vieler Einzeldaten beim Handling und der Distribution von Medikamenten, z.B. in der bereits genannten, lückenlosen Rückverfolgung, die ebenfalls der Verbreitung gefälschter Medikamente entgegenwirken soll. Die Verarbeitung von Massendaten in Echtzeit, eine stärkere Vernetzung aber auch innovative Algorithmen beflügeln deshalb gerade in der Logistik neue Geschäftsmodelle und Dienstleistungen. So dringt die Digitalisierung immer stärker in die Prozesse der Pharmalogistik ein.
Die Vernetzung aller am Gesundheitssystem Beteiligten und Einbindung aller vorhandenen Daten (Big Data / Advanced Data Analytics) könnte Grundlage einer besseren Bedarfsplanung sein und helfen, die Pharmalogistik effizienter und dadurch kostengünstiger zu machen. Eine zu erwartende Tendenz: Verlader werden zukünftig mehr Aufträge über Online-Portale mit Echtzeitpreisen abwickeln. Die Blockchain-Technologie könnte hier in fernerer Zukunft sichere Abwicklungen ermöglichen.
Einige Hersteller arbeiten bereits an medizinischen Produkten auf Abruf, in deren Folge Distributionskanäle neu strukturiert werden müssen. Direktbelieferungsmodelle sowie eine flexiblere Zustellung an den Endkunden bzw. Patienten könnten daraus resultieren.