Pharma-Supply-Chain: Qualität hat ihren Preis
Experten diskutieren über Anforderungen für Sicherheit und Qualität in der Pharma-Supply-Chain
Sechs Jahre nach der Novellierung der EU-Richtlinie GDP ist im Februar 2019 die Falsified Medicines Directive (FMD) als weitere EU-Guideline in Kraft getreten. Sie soll nun die Sicherheit der Pharma Supply Chain weiter erhöhen. Dies hat CHEManager bei der diesjährigen Messe Transport Logistic zum Anlass genommen, um unter dem Titel „Pharma Supply Chain – Qualität hat ihren Preis“, in einem Forum mit Experten über die Qualität und Sicherheit von Pharmatransporten zu diskutieren.
Qualität und Sicherheit haben ihren Preis, denn da bei Pharmatransporten die Gesundheit der Patienten unmittelbar auf dem Spiel steht, darf nicht am falschen Ende gespart werden. So stellt sich u.a. die Frage, ob die Umsetzung der Richtlinien ausreichend überwacht wird, um die geforderte Qualität von Pharmatransporten sicherzustellen.
Im Impulsreferat „6 Jahre EU GDP Guidelines: Sind wir schon am Ziel?“ stimmte Yvonne Ziegler, Dozentin an der Frankfurt University of Applied Sciences, in die Thematik ein. Pharmahersteller führten Risikomanagement durch und würden die Supply Chain monitoren. soweit es ihnen möglich ist. Denn es gäbe noch zu wenig Transparenz entlang der Supply Chain. Pharmaunternehmen hätten zwar schon ihre Lager- und Transportlogistik gemäß den GDP-Richtlinien umgestellt, um der ihnen klar zugewiesenen rechtlichen Verantwortung für die Qualität der Pharmaprodukte gerecht zu werden. Es bestünde aber dringender Bedarf nach einem standardisierten, integrierten und präventiven Risikomanagement entlang der Lieferkette, das auf eine innovative, webbasierte und validierte IT-Plattform zurückgreift. IT-gestützte Plattformen gäbe es bisher jedoch nur als Einzellösungen und zudem nicht validiert.
Dies war lt. Ziegler einer der Gründe, das Forschungsprojekt Mytigate zu starten, an dem neben drei Hochschulen, u.a. auch Bayer und Böhringer Ingelheim sowie Logistikdienstleister beteiligt sind. Ziel des Forschungsprojekts sei es, die Qualität und Integrität von Pharmatransporten über alle Verkehrswege zu verbessern. Allen Supply Chain-Beteiligten gewähre die im Projekt entwickelte IT-Plattform mehr Transparenz, spare Kosten, verbessere die Lieferkette strategisch und erhöhe die Qualität der Transporte.
Zusammenfassend meinte Ziegler, dass die EU GDP von vielen Firmen bereits als weltweit gültige Richtlinie angesetzt wird und durch sie die Qualität der Transporte verbessert werden konnte. Weiteres Verbesserungspotenzial sieht die Referentin vor allem in einer Erhöhung der noch immer unbefriedigenden Visibility der Supply Chain.
Sichere Supply Chain durch Blockchain?
Den zweiten Kurzvortrag „Wird Blockchain helfen die Pharma-Supply-Chains sicherer zu machen?“ hielt Andreas Gmür, Partner bei Camelot Management Consultants. Zum Thema Blockchain gab es seitens Camelot bereits das Spin-off „Hypertrust Patient Data Care“, das Anwendungen z.B. für die Supply Chain personalisierter Medikamente ermöglicht.
„Was ist Blockchain?“ Es handelt sich um eine dezentrale Datenbank, in der die Historie von bspw. Transaktionen unveränderbar festgehalten wird und funktioniere quasi als verkettete Buchführung. Die Authentizität der Teilnehmer der Blockchain sei hierbei gewährleistet. Das System benötigt keine Mittelsmänner. Die Vertrauensfrage und Datensicherheit seien durch die Blockchain garantiert. Eine Blockchain Track & Trace bspw. verhindere das Einschleusen von Fälschungen, da sie einen unveränderbaren Herkunftsnachweis garantieren könne. Das System erlaube auch den Austausch unterschiedlicher Daten wie z.B. Patientendaten, Transportdaten, etc.
Eine potentielle Herausforderung sei jedoch die Verbindung von Blockchain-Daten mit der Realität. Hier existieren bereits praktikable Lösungen mit Identifikationsmerkmalen auf der Verpackung wie RFID oder Hologrammen. Künftig könnten Nanopartikel im Medikament zum Einsatz kommen, die sich nicht nachahmen oder entfernen lassen. Auch hochauflösende Kameras zum Evaluieren und Feststellen der spez. Eigenschaften eines Medikaments seien in der Testphase.
Anforderungen an die Lieferkette
Mit der Frage „Was hat uns zu diesem Thema bewogen?“, leitete Moderator Bruno Lukas, Prokurist, Press'n'Relations Berlin, die anschließende Diskussion ein. Im Pharmatransport zeige sich immer wieder, dass Qualitätsstandards nicht eingehalten oder Trailer mit Medikamenten aufgebrochen werden. Gegenstand der Diskussion sollten die zwei grundlegenden Fragen „Was ist nach Einführung der GDP passiert?“ und „Was hält die Zukunft bereit?“ sein.
Zunächst bemerkte Andreas Gmür, dass eine Tendenz zu patientenspezifischeren Medikamenten festzustellen sei, welche die Transportaufgaben und Qualitätsanforderungen extrem erhöhe. Für Reinhard Reichel, Pharma Supply Chain Management Consulting, ist der eingeschlagene Weg, die Fälschungssicherheit durch Serialisierung und Originalitätsverschluss zu erhöhen, der richtige Weg. Wichtig sei künftig eine Kopplung zwischen Serialisierung mit Aggregation und den Bewegungsdaten über die gesamte Supply Chain, so wie es schon für einzelne Länder, wie USA und Russland ab Jahresende zwingend wird. Reichel hält ein partnerschaftliches Vertrauensverhältnis zwischen Pharmaproduzent, Logistikprovider und Transporteur für unbedingt erforderlich und mit den Behörden wünscht er sich eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe.
Stolpersteine in der Supply Chain
Gesetze sollten von der Behörde auch durchgesetzt und kontrolliert werden, meinte Lukas und stellte die Frage nach der Bedeutung des Risikomanagements gerade auch in der Luftfracht. Die Pharmaunternehmen hätten oft wenig Kenntnis über die an der Lieferkette beteiligten Partner, meinte Yvonne Ziegler, an den Flughäfen würde vieles über die Handling-Agenten abgewickelt. Schwachstellen befänden sich tatsächlich auf dem Vorfeld, selbst die Zertifikation der Partner sei oft kein Garant. Im Bereich der Vorfeldthemen bei der Luftfracht hätte die EU-GDP jedoch viele gemeinschaftliche Aktionen hervorgebracht, um diese Schwachstellen anzugehen.
Thomas Schleife, Geschäftsführer Transco Berlin-Brandenburg, sieht die Pharmaprodukte als eine besondere Fracht, die auch besonderen Einsatz verlangt. In den vergangenen Jahren sei die Verschlechterung der Infrastruktur zu einem Thema geworden. Eine große Herausforderung sieht er im zunehmenden Mangel an Fahrern, die es schwierig mache, Pharmatransporte künftig in der geforderten Qualität durchzuführen.
„Der Dienstleister als Partner“ ist für Steven Reinhold, Betriebsleiter der Unitax-Pharmalogistik, ein wichtiger Aspekt in der gesamten Diskussion. Serialisierung und Originalitätsverschluss seien die Basis; vollständige Transparenz lasse sich jedoch nur durch ein Track & Trace-System nach US-amerikanischem Vorbild herstellen.
„Wo sind die Einfallstore für Fälschungen zu finden und bringt die GDP tatsächlich mehr Sicherheit in die Prozesse?“ fragte Lukas. Für Schleife ist hier der wichtigste Ansatzpunkt, im eigenen Prozess nach den Schwachstellen zu suchen. Hier sieht er v.a. Schnittstellen wie Übergabepunkte und Re-Importe kritisch. Eigenverantwortung sei gefragt, die GDP gäbe die Rahmenbedingungen vor. Überwachung sei in allen Facetten technisch möglich, wobei sich Behördenkontrollen als nützlich erweisen, um Schwachpunkte zu erkennen.
Die Schnittstellen hätten einen großen Einfluss auf das Thema Sicherheit, betonte Ziegler. So würden die in der Seefracht benutzten Reefer auch für Pharmaprodukte als risikoärmer betrachtet werden, allerdings muss eine gewisse Quantität für die Container-Befüllung aufgebracht werden. Die Luftfracht greife auf Risikomanagement-Tools zurück, doch müssten hierbei die Kosten im Blick gehalten werden. Es kämen z.B. aktive Logger zur Registrierung von Temperaturabweichungen, als wichtigstem Problemthema zum Einsatz.
Alles nur eine Kostenfrage?
Die technischen Möglichkeiten seien demnach gegeben, stellte Lukas fest: „Ist alles nur eine Kostenfrage? Wird hier am falschen Ende gespart?“ Der Pharmaproduzent sei verpflichtet, unversehrte Ware zu liefern, sagte Reichel. Dennoch würde versucht, Unproduktives zu umgehen und kostengünstig zu agieren. Wichtig sei allerdings auch, Informationen über kritische Schnittstellen zu erhalten. Hier ließe sich Blockchain künftig sinnvoll einsetzen. Doch immer müsse der Gesamtprozess betrachtet werden, möglichst gemeinsam mit dem Logistikprovider und der Behörde.
Die Technologien seien vorhanden, meinte auch Gmür: „Wir sehen aber, dass die einheitliche Visibilität über die Supply Chains bei Pharmafirmen trotzdem oft fehlt. Doch wie lässt sich die Visibilität der Supply Chain schaffen?“ Blockchain sei eine Möglichkeit die Parteien zukünftig einfacher zueinander zu bringen. Oder aber ein Control Tower über die ganze Supply Chain, denn auch hier ließen sich alle Beteiligten integrieren. Wie stehe es aber um die Kontrolle und die Rolle der Behörden? Ein Kontrollorgan bestehend aus Patient und Versicherung als „Patientengesellschaft“ wäre denkbar.
Zusammenfassend schlussfolgerte Lukas, dass die nötige Technik offenbar vorhanden sei – ausgereift über alle Ladungsträger von Palette bis Blockchain. Wichtig sei die Vernetzung der Akteure untereinander und dabei alle, Pharmaproduzent, Logistiker, Behörde, in die Verantwortung zu nehmen. Eine Ausweitung der EU-GDP zu einer WHO-GDP, also einer globalen Lösung, würde eine noch stärkere Kommunikation unter einander verlangen und könnte zu mehr Druck in der Überwachung aller Teilnehmer der Supply Chain führen.
Sonja Andres, CHEManager