Anlagenbau & Prozesstechnik

Win-Win-Situation durch Resilienz

Resilientes Wassermanagement als Standortfaktor für Chemie- und Pharmaunternehmen

16.04.2025 - Wasserknappheit und Umweltbelastungen machen ein resilientes Wassermanagement immer mehr zu einem wichtigen Standortfaktor für Unternehmen der Chemieindustrie.

Das verarbeitende Gewerbe allein ist für etwa 16 % des jährlichen Wasserverbrauchs verantwortlich. Spitzenreiter im Verbrauch ist laut Umweltbundesamt die chemische Industrie mit etwa 58 % der gesamten Wassernutzung des verarbeitenden Gewerbes. Gleichzeitig ist das Wasserdargebot jedoch regional und saisonal schwankend. Geringe Niederschläge verzeichnen vor allem der Osten und Nordosten Deutschlands, Regionen mit hohen Niederschlägen befinden sich im Westen und Süden.

Die Rolle der EU-Kommunalwasserrichtlinie

Die seit Januar 2025 geltende EU-Kommunalwasserrichtlinie zielt darauf ab, die Verschmutzung von Wasserressourcen durch schwer abbaubare Substanzen zu verringern. Im Fokus stehen Mikroverunreinigungen aus industriellen Abwässern, die durch medizinische und chemische Produkte entstehen. Dies umfasst insbesondere Arzneimittelrückstände und Chemikalien, die in konventionellen Kläranlagen nicht vollständig abgebaut werden können. Durch die Einführung einer vierten Reinigungsstufe sollen solche Schadstoffe effektiv entfernt werden, um die Umwelt und die Wasserqualität langfristig zu schützen.

Die Richtlinie sieht vor, dass große kommunale Kläranlagen ab 150.000 Einwohnerwerten (EW) bis 2045 mit einer zusätzlichen Reinigungsstufe zur Entfernung eines breiten Spektrums an chemischen Spurenstoffen nachgerüstet werden. Diese vierte Reinigungsstufe ist notwendig, um Mikroschadstoffe wie pharmazeutische Rückstände, Kosmetikinhaltsstoffe, Mikroplastik und per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) aus dem Abwasser zu entfernen.

 

 © DreSo  Max Müller, Drees & Sommer

„Ein effizienter und ressourcenschonender Umgang mit Wasser wird für Industrieunternehmen zunehmend wichtig."

 

Ressourcenschonende Süßwasserquellen

Ein effizienter und ressourcenschonender Umgang mit Wasser wird für Industrieunternehmen dadurch zunehmend wichtig. Dieser zahlt nicht nur auf die Nachhaltigkeitsziele ein – er trägt außerdem zur Sicherstellung der Wasserversorgung und damit zur Produktionssicherheit bei. Wie die Erfahrung von Drees & Sommer aus Kundenprojekten in der Industrie und speziell in der Chemie- und Pharmabranche zeigt, gewinnt kommunales Abwasser als potenzielle Wasserquelle immer mehr an Relevanz – insbesondere an Standorten, wo keine ausreichenden Süßwasservorkommen zur Verfügung stehen und alternativ auf Trinkwasser oder auf kostenintensiv aufbereitetes Meerwasser zurückgegriffen werden müsste. Wasserkonzepte, die auf kommunales Abwasser setzen, zahlen nicht nur auf die Nachhaltigkeitsziele von Unternehmen ein, sie sind meist auch eine wirtschaftlich attraktive Lösung zur Prozesswasserversorgung.

Kommunale Kläranlagen leiten ihr Abwasser nach der Reinigung in der Regel in den nächstgelegenen Fluss oder das Meer ein. Mittels geeigneter Anlagen können produzierende Unternehmen dieses Wasser jedoch für sich zu Prozess- und Brauchwasser aufbereiten und damit wertvolles Trink-, Grund- und Oberflächenwasser schonen. Besonderes Potenzial bietet Abwasser für die wasserintensiven chemischen Industrieunternehmen, die große Mengen an Kühlwasser benötigen. Zu Kühlzwecken ist in vielen Fällen Brauchwasser ausreichend, woraus sich ein enormes Einsparpotenzial von Frischwasser ergibt. Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass ein Unternehmen eine eigene Wasseraufbereitung auf dem Werksgelände aufbaut und darin die kommunalen Abwässer mit behandelt. Dadurch entstehen Vorteile für beide Seiten.

Entsprechende Wasserkonzepte sehen vor, dass Abwasser aus der eigenen oder der kommunalen Kläranlage auf dem Werksgelände zu Brauchwasser aufbereitet wird. Mittels spezieller Anlagen lässt sich das Abwasser zudem zu Reinstwasser (DI-Wasser) für den Produktionsprozess aufreinigen.
Um saisonale Schwankungen in der Wasserverfügbarkeit auszugleichen, können Unternehmen ihren Wasserbezug durch alternative Nutzwasserquellen ergänzen, bspw. durch die Verwendung von Regenwasser. Regenwasser kann auf den Verkehrs-, Grün- und Dachflächen des Werksgeländes aufgefangen, in extra dafür angelegten Rückhaltebecken gespeichert und ebenfalls zu Brauch- und DI-Wasser aufbereitet werden.

 

© DreSo  Stefan Göstl, Drees & Sommer

„Kommunales Abwasser gewinnt als potenzielle Wasserquelle immer mehr an Relevanz."

 

Win-Win-Situation durch Resilienz

Wird Abwasser aus einer kommunalen Kläranlage bezogen, bietet es sich an, das Abwasser aus der Produktion in die Kläranlage zurückzuführen. Das Unternehmen muss dazu die anfallenden Abwässer in der Regel auf dem Werksgelände vorbehandeln. Mit der Rückleitung des Abwassers aus dem Werk in die Kläranlage schließt sich ein Wasserkreislauf, der Grund- und Oberflächenwasser schont und im Idealfall die Auslastung der Kläranlage balanciert, sodass ein optimaler Wirkungsgrad erreicht wird.

Besteht eine eigene Kläranlage auf dem Werksgelände, wird das Abwasser dort hineingeführt, vor Ort recycelt und somit ebenfalls im Kreislauf gehalten. In beiden Fällen gilt es, nicht in die Kläranlage einleitbare Stoffe mittels Flüssigkeitsabtrennung zu konzentrieren und über spezielle Dienstleister separat zu entsorgen.

Mit solchen Wasserkonzepten können Unternehmen ihren Prozesswasserbedarf potenziell vollständig aus Abwasser und Regenwasser decken und eine Konkurrenzsituation von Frisch­wasser vermeiden. Mehrere regenerative Wasserversorgungsquellen und eine zuverlässige Prozesswasseraufbereitung erhöhen für Unternehmen zudem die Produktionssicherheit. In der Prozesswasseraufbereitung müssen dazu Aggregate redundant aufgebaut und ausreichende Pufferspeicher integriert werden, um Schwankungen zu kompensieren.

Zudem empfiehlt es sich, unterschiedlich stark belastete Wasserströme strikt zu separieren. Das schützt bspw. Regenwasser oder nicht kontaminiertes Wasser vor dem Kontakt mit kontaminiertem Industrieabwasser und verhindert, dass unnötig große Wassermengen die aufwändige und kostenintensive industrielle Aufreinigung durchlaufen müssen.

Synergiepotenziale erkennen und ausschöpfen

Die Nutzung des kommunalen Abwassers in Industrieunternehmen zur Herstellung von Brauch- und DI-Wasser ist nur eines von diversen Synergiepotenzialen zwischen Unternehmen und kommunalen Kläranlagen. So bieten nährstoffreiche Industrieabwässer leicht verfügbare Nahrung für Bakterien in Klärprozessen. Zudem kann Abwasserschlamm aus kommunalen Kläranlagen sowie aus der Wasseraufbereitung in Industrieanlagen durch Vergärung für die Produktion von Klärgas (Me­­than) genutzt werden. Entstehende Abwärme kann in ein Fernwärmenetz eingespeist werden, das Methan lässt sich in Blockheizkraftwerken verstromen. Industrie­unternehmen können dadurch wiederum auf regenerativen Strom und regenerative Wärme für ihre Produktion zurückgreifen. Abwärme aus der Industrie ist wiederum eine potenzielle Energiequelle für die Klärschlammtrocknung.

Integriertes und resilientes Wassermanagement als Standortfaktor

Kooperationen zwischen Industrieunternehmen und kommunalen Abwasserverbänden können die Ansiedlung von wasserintensiver Industrie in Gegenden mit unzureichenden natürlichen Süßwasservorkommen ermöglichen und so zur Erschließung neuer Industriestandorte beitragen. Durch die Verwendung von kommunalem Abwasser in Industrieunternehmen – und im Idealfall die Rückführung des Abwassers aus der Anlage in die kommunale Kläranlage – entsteht ein nachhaltiger Wasserkreislauf.
Solche integrierten Modelle des resilienten Wassermanagements in der Breite der deutschen Indus­triestandorte könnten ein Zukunfts­trend werden: So ist die Kreislaufführung von Kühl- und Prozesswasser Teil der im Frühjahr 2023 verabschiedeten Nationalen Wasserstrategie für Deutschland. Das Ziel ist es, die Verwendung von Trinkwasser für die industrielle Produktion auf ein Minimum zu reduzieren.

Autoren: Max Müller, Projektleiter, und Stefan Göstl, Associate Partner und Head of Chemicals & Life Sciences, Drees & Sommer

 

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