Anlagenbau & Prozesstechnik

Reibungslose Projekte in der Prozessautomatisierung nach Maß

Digitalisierung und KI ermöglichen die Prozessoptimierung auf der organisatorischen Seite

11.12.2024 - Paul Rösberg erläutert, wie die Digitalisierung immense Chancen für Automatisierungsvorhaben eröffnet und wie IT und OT zusammenwachsen, ohne Sicherheitslücken zu hinterlassen.

Die Digitalisierung im industriellen Umfeld eröffnet immense Chancen für Automatisierungsvorhaben. Doch wie behält man dabei die Sicherheit im Blick? Wie verknüpft man die verschiedenen IT- und OT-Bereiche nahtlos, ohne Sicherheitslücken zu hinterlassen? Diese und andere Fragen diskutierte CHEManager mit Paul Rösberg, geschäftsführender Gesellschafter von Rösberg Engineering. Das Gespräch führte Volker Oestreich.

CHEManager: Herr Rösberg, Ihr Unternehmen steht für Prozessoptimierung auf der organisatorischen Seite, für Automatisierung und PLT-Engineering. Welche Anregungen haben Sie für die aktuellen Herausforderungen der Prozessindustrie?

Paul Rösberg: Industrielle Prozesse erleben dank künstlicher Intelligenz, digitaler Zwillinge oder der Transformation der Supply Chain rasche technologische Sprünge. Die Chancen, die sich aus diesen Technologien ergeben, sind riesig – man darf also nicht versäumen, sie zu nutzen. Auf der anderen Seite muss Digitalisierung aber auch mit System und Weitsicht betrieben werden. Den bekannten Herausforderungen in der Produktion der Prozessindustrie wie Explosionsschutz, Safety oder Nachhaltigkeit kann mit Digitalisierung noch besser begegnet werden. Auf der anderen Seite ergibt sich mit Cybersecurity eine neue Herausforderung, der von Anfang an nicht nur in der IT, sondern auch in der OT kompetent begegnet werden muss.

Wir gestalten diese Welt im Umbruch aktiv mit. Zukunftsfähige Automatisierungskonzepte für mehr Wirtschaftlichkeit und einen sichereren Betrieb prozesstechnischer Anlagen sind keine Selbstläufer. Mit unserem praxiserprobten Erfindergeist und der verlässlichen Stärke einer über Jahrzehnte gewachsenen Expertise unterstützen wir durch maßstabsetzendes PLT-Engineering, umfassende Projekterfahrung in der Niederspannungs- und Mittelspannungstechnik und Softwarelösungen, die anerkannte Branchenstandards sind.

Sie haben Safety, die funktionale Sicherheit, angesprochen. Wie kann Digitalisierung das Functional-Safety-Management weiter optimieren?

P. Rösberg: Funktionale Sicherheit ist ein entscheidender Baustein für den sicheren Betrieb von Anlagen in der Prozessindustrie. Für den Betreiber gibt es umfassende Pflichten und Verantwortungen. Deshalb empfiehlt sich die rechtzeitige Integration eines Functional-Safety-Managements, kurz FSM, um Risiken zu minimieren und Prozesse zu schützen. Eine gute Sicherheitsplanung basiert auf Normen wie DIN EN 61511 und VDI/VDE 2180; sie sorgt dafür, dass alle sicherheitsrelevanten Prozesse von Beginn an reibungslos funktionieren und bietet klare Leitlinien.

Zu den zentralen Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt, gehört zunächst die Risikoerkennung. Hier werden präzise die Gefahren und Risiken des Anlagenbetriebs analysiert, um dann fundierte Entscheidungen treffen zu können. Mit der dann folgenden Definition von Gegenmaßnahmen sollen die erkannten Risiken minimiert oder eliminiert werden.

Ein integratives FSM sollte deshalb nie isoliert betrachtet werden. Es braucht eine umfassende Zusammenarbeit aller Projektbeteiligten. Frühzeitige Einbindung aller Stakeholder trägt dazu bei, dass Sicherheitsmaßnahmen nahtlos umgesetzt werden. Wir legen immer Wert auf einen ganzheitlichen Ansatz, der den Kunden dabei unterstützt, dass sämtliche Aspekte der Anlagen und Schutzeinrichtungen berücksichtigt werden.

 

„In der aktuellen Landschaft der Prozessindustrie setzen wir auf künstliche Intelligenz, um optimal auf ökonomische und demographische Herausforderungen zu reagieren.“

 

Sicherheitsrelevante Prüfungen sind in Prozessanlagen unumgänglich und müssen auch entsprechend dokumentiert werden. Wie kann die Digitalisierung hierbei unterstützen?

P. Rösberg: Wer Rösberg kennt, weiß inzwischen, dass wir keine Gelegenheit auslassen, Papier in der Industrie zu vermeiden. Gerade bei Arbeitsprozessen sehe ich noch riesiges Potenzial. In einer Indus­trielandschaft, in der komplexe Arbeitsabläufe keine Fehler verzeihen und höchste Anforderungen an Steuerung und Dokumentation gestellt werden, wird die Digitalisierung von Workflows zur Grundvoraussetzung. Hier setzt PAM, unsere Softwarelösung Plant-Assist Manager, an, indem der gesamte Workflow auf Basis digitaler Checklisten strukturiert und automatisiert wird. Zu PAM habe ich eine ganz besondere Verbindung, da ich die erste Einführung beim Kunden persönlich betreut habe. Dank dieser Erfahrung weiß ich, wie wirkungsvoll PAM Arbeitsabläufe optimiert und industrielle Herausforderungen bewältigt.

Mit dem Vieraugenprinzip von PAM, der digitalen Signatur und der transparenten Rückverfolgbarkeit haben die Anlagenbetreiber immer die Sicherheit im Fokus. Die Echtzeit-Dokumentation ermöglicht die Abarbeitung digitaler Checklisten ohne Medienbruch, normkonform und interaktiv. Und die Modularität schließlich macht PAM anpassbar an spezifische Anforderungen und diverse Branchen.

Sicherheitsfunktionen und PLT-Sicherheitsprüfungen sind unverzichtbar. Die Betriebssicherheitsverordnung §16 Abs. 1 BetrSichV verlangt regelmäßige Prüfungen und nach §17 Abs. 1 BetrSichV eine lückenlose Dokumentation. Durch die Digitalisierung und Zentralisierung mit PAM LiveForms werden Fehlerquellen und hoher Zeitaufwand drastisch reduziert.  Dieses Tool ermöglicht es, Prüfformulare digital zu erstellen, zuzuweisen, zu bearbeiten und freizugeben – alles normkonform dokumentiert.

Ich möchte das anhand eines konkreten Beispiels verdeutlichen. Die Migration einer Umlauf-Flashverdampferanlage bei einem unserer Kunden forderte eine intensive Auseinandersetzung mit der funktionalen Sicherheit, da der Bestandsschutz durch Umbaumaßnahmen entfiel. Ziel war es, die Anlage unter Einhaltung aktueller Sicherheitsnormen zu modernisieren und die Anforderungen an die Sicherheit im gesamten Prozess zu gewährleisten. Unser Team begleitete den Kunden bei der Durchführung einer Gefährdungsanalyse, der Ausarbeitung von Schutzfunktionen, dem Entwurf des Safety Instrumented Systems und der Sicherstellung der Einhaltung durch umfassendes Projektmanagement. Das Resultat waren eine erfolgreiche Migration innerhalb des Zeitrahmens und eine verbesserte Anlagensicherheit, die den aktuellen Standards entspricht und eine erfolgreiche ZÜS-Abnahme mit sich brachte. Der Umbau wurde transparent und professionell durchgeführt, sowohl im Hinblick auf technische Sicherheit als auch im Hinblick auf Betriebszuverlässigkeit.

PAM LiveForms hat sich in dem Projekt als perfekt für die vielen dokumentationsintensiven Arbeitsprozesse erwiesen. Bei wiederkehrenden PLT-Sicherheitsprüfungen, Loop Checks oder Inbetriebnahmen von Anlagen ist die einfache Abbildung der Papiercheckliste in digitaler Form und die dadurch gegebene Auswertbarkeit und Rückverfolgbarkeit der Hauptbenefit für unsere Kunden.

 

Kein Produktionsbetrieb mag Stillstand, aber geplante Stillstände für Überprüfungen, Geräteaustauch und Anlagenänderungen gehören zum Betrieb dazu. Das sind in meinen Augen immer große logistische Herausforderungen, die gemeistert werden müssen. Welche Erfahrungen haben Sie hiermit gesammelt?

P. Rösberg: Das sind in meinen Augen in der Tat spannende Use Cases, die wir mit unseren Site-Engineering-­Teams tagtäglich umsetzen. In einem konkreten Fall unterzieht unser Kunde, eine Raffinerie, einen Werkteil alle drei Jahre einer Großinspektion mit Produktionsstillstand, um TÜV-Prüfungen und wichtige Anlagenänderungen vorzunehmen. Während der Stillstandphase mussten in diesem Projekt komplexe Änderungen, wie zum Beisiel der Austausch der 35 Jahre alten Coke Drums, innerhalb eines engen Zeitfensters realisiert werden. Zusätzlich war die Implementation einer erweiterten Sicherheitssteuerung notwendig.

Unser bei dem Kunden vor Ort ansässiges Team übernahm die Planung und Durchführung des Projekts. Es nutzte unser hauseigenes PLT-CAE-System ProDok, wodurch ein integrierter Planungsprozess ermöglicht wurde. Erfolgskritisch war neben der Installation auch die vorherige Simulation der Steuerungssoftware, um Probleme in der kurzen, verfügbaren Zeit für die Inbetriebnahme zu minimieren und die Mitarbeiter zu schulen.

Durch die straffe und akribische Planung, der Vorab-Simulation der Steuerungssoftware und unserem kundenspezifischen Know-how konnte der Austausch der Coke Drums und die Erweiterung der MSR-Technik innerhalb des vorgegebenen Zeitfensters erfolgreich abgeschlossen werden, was zu einer sicheren und optimierten Betriebsaufnahme führte.

In welche aktuellen Weiterentwicklungen von Betriebs- und Wartungsaufgaben ist Rösberg involviert?

P. Rösberg: Wir arbeiten derzeit im Rahmen des „WIR!-Bündnis MR4B –MR4SafeOperation“-Projekts an der Transformation und Optimierung routinemäßiger Betriebs- und Wartungsaufgaben in risikobehafteten industriellen Umgebungen. Durch intelligente AR-Brillen wollen wir manuelle Tätigkeiten wie Probenentnahmen und Datenauslesungen revolutionieren. Wir bringen die Softwarelösung PAM ein, mit der Arbeitsabläufe bereits digital abgebildet werden – aktuell noch auf Tablet-PCs. Ziel ist es, diese Prozesse künftig hands-free über AR-Brillen zu steuern: Mit fortschrittlichen AR-Brillen transformieren wir manuelle Tätigkeiten in risikobehafteten Umgebungen. Ein echter Game­changer wird Anfang nächsten Jahres der Probelauf in der Miniplant der TU-Berlin sein. Auf der Hannover Messe 2025 haben wir dann Großes vor: Wir bringen einen Demonstrator mit, um unseren Prototypen in Aktion zu zeigen. Diese Demoanlage wird veranschaulichen, wie Mixed Reality Arbeitsabläufe in risikoreichen Umgebungen revolutioniert.

Im Zuge der ökonomischen und demografischen Herausforderungen steht die Prozessindustrie vor der Aufgabe, Engineering-Prozesse möglichst optimal zu gestalten. Wie kann KI aus Ihrer Sicht dabei unterstützen?

P. Rösberg: In der aktuellen Landschaft der Prozessindustrie setzen wir auf künstliche Intelligenz, um optimal auf ökonomische und demografische Herausforderungen zu reagieren. Wichtig ist uns dabei, dass der Mensch stets der zentrale Faktor in unserer KI-Strategie bleibt. Unsere Vision ist es, durch innovative Softwarelösungen eine enge Verbindung von Mensch und Maschine zu schaffen, die neue Möglichkeiten eröffnet. In einer digitalisierten Welt revolutioniert generative KI das Engineering. Unsere Tools wie ProDok, LiveDok und LiveForms sollen durch KI mehr als nur Software sein – sie werden zu Partnern, die Prozesse mit intelligenten Lösungen tiefgreifend optimieren. Dadurch gewinnen Ingenieure wertvolle Zeit, die sonst durch repetitive Aufgaben gebunden wäre.

Wir haben frühzeitig begonnen, die Potenziale von KI zu erschließen, und unsere Reise ist seit 2023 im Gange. Unser Ziel ist es, durch Technologie echten Mehrwert zu schaffen. Durch die Entwicklung spezialisierter KI-Modelle richten wir uns direkt an den Bedürfnissen unserer Kunden aus, fördern effizientere Arbeitsabläufe und steigern die Qualität im Engineering. Man darf also sehr auf unsere nächste Release gespannt sein.

Auf dem Gebiet der Prozessautomatisierung und der Prozessleittechnik arbeiten Sie seit vielen Jahren mit Siemens zusammen. Was ist das Besondere an dieser Partnerschaft von Rösberg Engineering und Siemens?

P. Rösberg: In einer Ära, in der sich Technologie mit rasender Geschwindigkeit weiterentwickelt, stellt diese Partnerschaft für Rösberg, Siemens und unsere Kunden quasi eine Win-Win-Win-Situation dar. Im Mittelpunkt der Zusammenarbeit stehen die Prozessleitsysteme Simatic PCS7 und PCS neo. Letzteres setzt nicht nur Branchenstandards, sondern legt auch das Fundament für zukünftige Entwicklungen.

Seit vielen Jahren haben wir uns als Experte für die Implementierung von PCS7 etabliert. Unsere Automation Specialists sind geschult und zertifiziert, um PCS7-Lösungen maßgeschneidert auf die individuellen Bedürfnisse unserer Kunden zu entwickeln. Die Integration dieses Leitsystems ermöglicht es uns, komplexe Prozesse zu optimieren und die Effizienz in der Fertigungsindustrie zu steigern.

Mit dem Blick in die Zukunft setzen wir besonders auf Simatic PCS neo. Dieses wegweisende System für die Prozessautomatisierung eröffnet neue Möglichkeiten der Steuerungstechnik. Wir stehen an vorderster Front, um diese Technologie zu adaptieren und unseren Kunden Zugang zu modernsten Automatisierungslösungen zu bieten. Die Zertifizierung als offizieller Partner von PCS neo ist mehr als nur eine Anerkennung – sie ist das Ergebnis unermüdlicher Anstrengungen, höchster Qualitätsstandards und einer kontinuierlichen Suche nach Innovation. Wir haben nicht nur die hohen Anforderungen von Siemens erfüllt, sondern setzen auch neue Maßstäbe in Bezug auf Effizienz, Zuverlässigkeit und Kundenzufriedenheit.

 

„Industrielle Prozesse erleben dank künstlicher Intelligenz, digitaler Zwillinge oder der Transformation der Supply Chain rasche technologische Sprünge.“

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