Abfüllung flüssiger Pharmazeutika
Wie Klein- und Kleinstchargen die pharmazeutische Verarbeitung verändern
Wo die Produktion von Medikamenten in großen Mengen jahrzehntelang das Maß der Dinge war, spielen heute im Kampf gegen Krankheiten zunehmend individuelle Therapien eine bedeutende Rolle. Diese meist hochpreisigen Medikamente erfordern hohes Engagement in Forschung und Entwicklung – auch mit Blick auf neue Maschinenkonzepte, die kleine und kleinste Chargen unter veränderten Anforderungen verarbeiten können.
Die Pharmaindustrie hat sich in den vergangenen Jahren drastisch verändert. Noch vor zehn Jahren standen Blockbuster und traditionelle, in großen Chargen hergestellte Medikamente für viele forschende und produzierende Unternehmen im Fokus. Auch heute leisten sie nach wie vor einen wichtigen Beitrag zur menschlichen Gesundheit. Einige dieser Arzneimittel wie Blutverdünner, Schmerzmittel oder Insulin sind aus dem Apothekenregal nicht mehr wegzudenken. Produziert werden sie auf zum Teil 30 m langen Linien im 24-Stunden-Betrieb. Dank ausgereifter Prozess- und Verpackungstechnologien ist diese Produktion auf absehbare Zeit gesichert.
Vom Blockbuster zu ATMPs
Immer individuellere Therapieansätze zur Behandlung von Krankheiten erfordern ein Umdenken: Um einige lebensbedrohliche Krankheiten zu heilen oder zumindest aufzuhalten, gibt es zwischenzeitlich besondere und oftmals personalisierte Medikationen. Mit der zellularen und molekularen Biotechnologie ging eine Revolution der pharmazeutischen Herstellung einher: Während früher Hochgeschwindigkeitslinien mit hohem Durchsatz am stärksten gefragt waren, investieren heute immer mehr Pharmaunternehmen in die Entwicklung und Kommerzialisierung von Arzneimitteln in kleinen Mengen, die ganz andere Anforderungen an die Produktion und Abfüllung stellen. Die zunehmende Verbreitung von Arzneimitteln für neuartige Behandlungen (advanced therapy medicinal products, ATMPs) wie Zell- und Gentherapien sowie biotechnologisch bearbeitete Gewebeprodukte zeigt, dass die Branche sich stetig spezialisiert. Diese Medikamente werden nicht auf riesigen Linien hergestellt. Stattdessen geht es um die sogenannte Small Batch-Produktion.
Eine genaue Definition des Begriffs „small batch“ oder „kleine Charge“ ist in den ICH-Richtlinien nicht festgelegt. Eine Antwort bietet die US-amerikanische FDA für generische Parenteralia: In Anlehnung an die „Guidance for Industry, ANDAs: Stability Testing of Drug Substances and Products, Questions and Answers“ bestehen kleine Chargen demnach aus mindestens zehn Prozent der vorgeschlagenen maximalen Größe der kommerziellen Charge oder aus weniger als 15.000 bis 60.000 Behältnissen auf Grundlage der Füllvolumina1. Bei Parenteralia, die in klinischen Studien verwendet werden, schrumpft die Chargengröße auf einige tausend Behältnisse. Bei hoch spezialisierten Behandlungen wie der autologen Zelltherapie sind die Chargen noch geringer. So benötigt ein Patient im Durchschnitt etwa fünf bis zehn Behältnisse.
Höchste Flexibilität bei geringstmöglichem Ausschuss
Die wachsende Zahl an Zell- und Gentherapien in der Entwicklungsphase unterstreichen den Stellenwert von ATMPs. Herkömmliche Hochgeschwindigkeitsmaschinen erfüllen die Anforderungen dieser neuen Produkte längst nicht mehr. Doch wie lassen sich diese kleinen oder gar Kleinstchargen wirtschaftlich produzieren? Was muss eine Anlage leisten, um sowohl Patient:innen als auch pharmazeutischen Unternehmen gerecht zu werden? Ganz vorne im Anforderungskatalog steht die Flexibilität.
Verschiedenste Produkte müssen in unterschiedliche Behältnisgrößen und -arten wie Vials, Spritzen oder Karpulen abgefüllt werden. Gerade bei der Verarbeitung dieser Biotech-Medikamente und der flexiblen Verarbeitung stehen Einwegtechnologien hoch im Kurs: Der Aufwand und die Kosten für die Reinigungsvalidierung entfallen. Ein weiteres Kriterium für die Flexibilität sind die reduzierte Anzahl an Formatteilen, die langwierige Formatwechsel überflüssig machen. Hinzu kommt der Bedarf an maximaler Produktausbeute bzw. niedrigem Ausschuss: Jeder Produktverlust muss bei diesen Kleinstmengen vermieden werden.
Automatisierung für noch mehr Sicherheit
Nach wie vor stellen menschliche Eingriffe den Hauptgrund für kontaminierte Arzneimittel dar. Um diese Eingriffe zu verringern oder gänzlich zu unterbinden, ist die Automatisierung unerlässlich. So hat die FDA bereits im Jahr 2004 gefordert, dass „das Design von in aseptischen Prozessen genutzte Equipment die Anzahl und Komplexität von aseptischen Eingriffen durch Personal begrenzen sollte.“ Darüber hinaus heißt es: „Automatisierung von weiteren Prozessschritten, einschließlich der Nutzung von Technologien wie Robotern, kann das Risiko für das Produkt weiter reduzieren.“2 Auf lange Sicht wird sich die aseptische Abfüllung unter Einsatz entsprechender Technologien von einer menschenzentrierten zu einer vollautomatisierten Produktion wandeln.
Diese Veränderung ist bereits in vollem Gange: Werden bspw. Behältnisse innerhalb des Isolators per Roboterarm zur Füll- und weiter zur Bördelstation befördert, reduziert sich das Kontaminationsrisiko um ein Vielfaches. Roboter können zudem die Anzahl an Formatteilen verringern und jeglichen Glas-zu-Glas-Kontakt eliminieren. Bei neuesten Anlagen wie der Versynta FFP (Flexible Filling Platform) von Syntegon stellt darüber hinaus ein Laminar-Flow-optimiertes Design sicher, dass der Luftstrom ungehindert die Behältnisse erreicht und umströmt. Eine hundertprozentige In-Prozess-Kontrolle (IPK) während des Füllvorgangs reduziert den Produktverlust auf ein Minimum und sorgt dafür, dass nahezu jeder Milliliter des hochwertigen Produkts abgefüllt wird.
Handschuhlose Produktion von Kleinstchargen
Nach dem beschriebenen Small Batch-Prinzip geht es noch weiter – und zwar numerisch nach unten: Während eine modulare Small Batch-Anlage wie die Versynta FFP noch bis zu 3.600 Vials, Spritzen oder Karpulen pro Stunde verarbeitet, ist man bei der kleinen Schwester bei gerade mal 120 bis 500 Behältnissen pro Stunde angelangt. Die hochflexible, vollautomatisierte Produktionszelle Versynta microBatch füllt und verschließt kleinste Chargen in unterschiedlichen Behältnissen. Dabei ist der Chargenwechsel in zwei Stunden möglich. Spritzen, Karpulen und Vials aus Glas oder Kunststoff lassen sich nahezu ohne Produktverlust befüllen.
Die Maße der Anlage sind ebenso klein wie die Ausbringung: Mit einer Länge von gerade mal 3,5 m, einer Breite von rund zwei und einer Höhe von drei Metern fügt sich die Maschine problemlos in vorhandene Produktionsumgebungen ein. Die Isolatorzelle selbst umfasst gerade mal 1,6 x 1,5 m. Darin befinden sich die Tuböffnung, die Füllstation mit hundertprozentiger In-Prozess-Kontrolle, sowie die kombinierte Stopfensetz- und Bördelstation. Schnittstellen zum Gebäude sowie technische Deckeneinbauten sind dank der integrierten Luftaufbereitung kaum erforderlich. Insbesondere bei der Automatisierung setzt die Neuentwicklung neue Maßstäbe: Der handschuhlose Isolator mit integrierter Luftaufbereitung reduziert das Kontaminationsrisiko deutlich, da manuelle Eingriffe durch das Bedienpersonal entfallen. Der microBatch Setup entspricht den höchsten Sterilitätsanforderungen – wie von Annex 1 vorgegeben: Dampf-sterilisierte Teile werden über Portsysteme zugeführt und vom Roboter eingebaut.
RTU-Behältnisse auf dem Vormarsch
Die neuesten Entwicklungen im Bereich kleiner und kleinster Chargen zahlen auf einen weiteren Trend ein: Der Markt für gebrauchsfertige, sogenannte ready-to-use Behältnisse (RTU) wächst seit Jahren rasant. Überraschend ist dies nicht, denn produzierende Pharmaunternehmen profitieren von einfacheren Verarbeitungsprozessen, geringeren Gesamtbetriebskosten sowie einer höheren Flexibilität. In der Small Batch-Produktion werden vorzugsweise RTU-Behältnisse eingesetzt, ihre Anzahl wächst stetig. Einer aktuellen Marktstudie3 zufolge soll allein der Markt für RTU-Vials bei einer geschätzten Wachstumsrate von 14,5 % in den kommenden zehn Jahren einen weltweiten Umsatz von rund 1,18 Mrd. USD erzielen.
Doch nicht nur Vials, auch vorsterilisierte Karpulen erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. An erster Stelle stehen jedoch RTU-Spritzen, die bereits in den 1980er Jahren den Weg für weitere vorsterilisierte Behältnisse geebnet haben. Tatsächlich sind die Vorteile von kleineren Chargen an RTU-Packmitteln riesig: Bulk-Spritzen etwa werden unsteril angeliefert. Da sie nicht standfest sind, ist eine aufwändige Handhabung in der Maschine erforderlich. Spritzen brauchen zudem eine Silikonisierung, was einen speziellen, formatabhängigen Prozess bedingt. Dieser ist abhängig von der Art der Befüllung der Spritzen. Für biotechnologisch hergestellte Medikamente ist beispielsweise ein besonders niedriger Silikoneintrag notwendig.
Einsparungen bei Zeit, Platz und Kosten
Gerade bei den beschriebenen Prozessschritten zeigen sich die Vorteile von RTU-Packmitteln sehr deutlich: Obwohl sie aktuell noch recht kostenintensiv sind, ersparen sie produzierenden Pharmaunternehmen viel Zeit, Platz und Geld. Zahlreiche Schritte, wie etwa das Reinigen, die Silikonisierung und die Sterilisation von Komponenten werden bei RTU-Behältnissen an die Packmittelzulieferer ausgelagert. Diese haben das Know-how und stellen sicher, dass sämtliche Prozesse gemäß den aktuellen globalen Anforderungen qualifiziert und validiert sind und die Behältnisse mit einer zertifizierten Endotoxin-, Keim- und Partikelkonzentration ausgeliefert werden. Bei vorfüllbaren Spritzensystemen umfasst dies auch den notwendigen Silikonisierungsprozess.
Der Bedarf an hochpreisigen ATMPs und die Vielfalt an RTU-Packmitteln steigen unaufhaltsam – genauso wie die Anforderungen an neue Anlagen für Klein- und Kleinstchargen. Diese sollen nicht nur flexibel in der Verarbeitung der Packmittel sein; sie müssen auch den Trends hinsichtlich Automatisierung und geringstmöglicher menschlicher Eingriffe gerecht werden. Im besten Fall arbeiten Primärpackmittel- und Maschinenhersteller:innen eng zusammen, wenn sie neue Lösungen entwickeln. Nur indem beide Partner gemeinsam nicht nur auf Trends reagieren, sondern diese von Beginn an proaktiv mitgestalten, lassen sich Anlagen entwickeln, die eine einwandfreie Verarbeitung bei produzierenden Pharmaunternehmen sicherstellen und Patient:innen höchste Produktsicherheit garantieren.
Literatur
[1] FDA: Guidance for Industry. ANDAs: Stability Testing of Drug Substances and Products – Questions and Answers, May 2014.
[2] FDA: Guidance for Industry. Sterile Drug Products Produced by Aseptic Processing – Current Good Manufacturing Practice, September 2004.
[3] https://www.psmarketresearch.com/market-analysis/rtf-rtu-vials-market-trends
Autor: Klaus Ullherr, Senior Product Manager, Syntegon Technology GmbH, Crailsheim