Anlagenbau & Prozesstechnik

Automatisierung einer Gasdruckregel- und Messanlage

Moderne Prozessleittechnik statt SPS mit SCADA-System

04.04.2023 - Die Aufgabe einer Gasdruckregel- und Messanlage (GDRMA) besteht darin, zwei Leitungsnetze miteinander zu verbinden und die Ventile je nach Bedarf zu öffnen und zu schließen. Die Automatisierung einer solchen Anlage ist anspruchsvoll. Rösberg zeigt, warum hier der Einsatz einer Prozessleittechnik gerechtfertigt ist und der erhöhte Aufwand zu Beginn des Projekts sich schnell amortisiert.

Die deutschlandweite Koordination des Ausbaubedarfs für Gastransportkapazität erfolgt im Netzentwicklungsplan Gas (NEP Gas). Die im NEP Gas aufgeführten Maßnahmen sind durch die Bundesnetzagentur geprüft und nach § 15a EnWG verbindlich umzusetzen. Das gilt auch für die Terranets bw. Ihr Versorgungsgebiet umfasst Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Thüringen sowie Teile Bayerns und der Schweiz, Vorarlberg und das Fürstentum Liechtenstein.

Versorgungssicherheit wird gesteigert

Der NEP Gas sieht für Baden-Württemberg die Anbindung der Region Ludwigsburg/Enzkreis an die Ferngasleitung „Schwabenleitung“ vor. Zum Anschluss der neuen Leitung entstand in Wiernsheim eine Gasdruckregel- und Messanlage (GDRMA). Geplant wurde das Projekt der GDRMA durch ein externes Ingenieurbüro im Auftrag der Terranets bw. Rösberg erhielt für dieses Projekt den Zuschlag, die EMSR-Technik umzusetzen.

Zukunftsweisende Steuerungstechnik

Markus Schmidt, Projektleiter bei der Rösberg Engineering, gibt einen Einblick in die Arbeit seines Teams: „Über mehrere parallele Schienen mit mehreren Ventilen lässt sich einerseits die geforderte Regelgüte und andererseits die notwendige Redundanz erreichen, um auch bei Pro­blemen mit einzelnen Ventilen sicher regeln zu können. Eines der Ventile wird im Wechsel immer auf Standby gehalten, als Backup-Ventil. Gefordert war, dass an zentraler Stelle – im sogenannten Dispatching – alle Ventile aber wie ein einziges dargestellt werden, an dem die Vorwahl für Durchflüsse vorgenommen wird.“ Das entstandene System, das Gas aus zwei Fernleitungen an die Leitung für das Heilbronner Gaswerk weitergibt, arbeitet vollautomatisch. Es erlaubt aber auch manuelles Eingreifen durch das Dispatching sowie die manuelle Steuerung vor Ort. Außerdem muss die Anlage im Störungsfall unabhängig vom PLS vor Ort von Hand bedient werden können.
In der Vergangenheit wurden solche Anlagen mit einer SPS und zugehörigem Scada-System automatisiert. Im konkreten Fall war die Automatisierung ebenfalls so ausgeschrieben. Schmidt erklärt, warum Rösberg dem Auftraggeber aber zu einem anderen Weg geraten hat: „Das Gastransportunternehmen betreibt neben GDRM-Anlagen z.B. auch zwei Gasverdichterstationen in Baden-Württemberg. Letztere sind in der Regel bereits mit moderner Prozessleittechnik ausgestattet. Für kleinere Anlagen wie die GDRMA reicht zwar eine SPS als Steuerung mit Scada zur Visualisierung aus. Allerdings sind die Anforderungen an die Anlagen in Bezug auf ihren Automatisierungsgrad und die Anzahl der Messstellen über die Jahre gewachsen. Daher waren wir bei diesem Projekt bei einer Größenordnung angekommen, die den Einsatz moderner Prozessleittechnik rechtfertig.“

Standardisierung spart langfristig Kosten

Während bei der SPS mit Scada-System Steuerung und Visualisierung jeweils einzeln programmiert werden müssen, sind Steuerung und Anzeige in einem modernen Prozessleitsystem (PLS) miteinander verzahnt. Im PLS werden einzelne Softwarebausteine hinsichtlich Steuerung und Anzeige konfiguriert und können dann immer wieder verwendet werden. Das bringt mehr Flexibilität, weil sich Funktionalitäten gerade auch für die Visualisierung nachträglich sehr einfach ergänzen lassen. Bernd Rastatter, Head of LCP E&I Engineering bei Rösberg: „Wir haben in dem Projekt sehr viel Zeit in die Entwicklung von Funktionsplänen und die funktionale Beschreibung von Standard-Softwarebausteinen investiert. Eine Bibliothek enthält nun eine Auswahl der wichtigsten Funktionsbausteine, die in künftigen Projekten wieder verwendet und für die jeweilige Anwendung konfiguriert werden können. Die Bausteine sind so angelegt, dass sie sich auch mit dem vollständig webbasierten Prozessleitsystem Simatic PCS neo nutzen lassen, also zukunftssicher sind.“

Durch das Arbeiten mit Standard-Softwarebausteinen wird nicht nur die Entwicklung selbst erleichtert, weil man unabhängiger wird von der Programmierung, sondern auch die Optimierung und die Instandhaltung profitieren von vorgegebenen Softwarestrukturen. In Gasverdichterstationen und GDRMA mit derselben Steuerungstechnik zu arbeiten, bringt z. B. für die Instandhaltung Vorteile. Beim Umstieg auf ein neues System müssen aber auch immer die Endnutzer im Blick sein und die Frage, wie der neue Ansatz angenommen wird. Daher lag in der Entwicklung auch ein Schwerpunkt darauf, alle Benutzerschnittstellen möglichst intuitiv zu gestalten, damit sich auch Neulinge gerne darauf einlassen.

Kosten sparen auch bei der Simulation

Die Software für die Steuerungstechnik haben die Experten für Automation an ihrem Standort in Ludwigshafen entwickelt und dort auch per Simulation getestet. Das hatte den Vorteil, dass die Zeiten für Funktionstests und Inbetriebnahme auf der Baustelle sehr kurzgehalten werden konnten, was nicht nur im Rahmen der Coronasituation hilfreich war. Generell sieht Rastatter hier weiteres Einsparpotential bei weiteren Projekten mit dem Simulationstool. Auch Anlagenänderungen ließen sich so im Vorfeld testen. Natürlich ist das im ersten Schritt auch eine Investition, die sich aber bei wiederkehrenden Projekten schnell durch Zeit- und Kosteneinsparungen bei Funktionstests und der Inbetriebnahme auszahlt.“ Ein gut durchdachtes Modell lässt sich dann einfach an verschiedene Anwendungsfälle anpassen.

Projekt- und Gerätemanagement

Neben dem Know-how um das Prozessleitsystem war von den Automatisierungsexperten aber auch professionelles Projekt- und Gerätemanagement gefordert. Die Feldinstrumentierung musste geplant, dokumentiert, gebaut und in Betrieb genommen werden. Dazu gehörten alle benötigten Geräte und deren automatisierungstechnischer und elektrischer Anschluss inklusive Schaltschrankbau sowie die Einspeisung vom Energieversorgungsunternehmen, Erdung und Blitzschutz. Subsysteme wie eine Fernwirkanlage, unterbrechungsfreie Stromversorgung oder Batterieanlage waren ebenfalls Teil des Projekts.

Da das für die Ausschreibung verantwortliche Ingenieurbüro vor allem sehr erfahren im Bereich Tief- und Rohrleitungsbau ist, erforderten die Vorgaben für die EMSR-Technik weiteres Detailengineering. Zur Strukturierung ihrer Arbeiten und der Verwaltung anfallender Dokumentation nutzten die Karlsruher ihr PLT-CAE-System ProDok, was sich in der Qualität der erzeugten Dokumente niederschlug. Die Elektrodokumentation wurde mit Eplan P8 erstellt. Die komplette EMSR-Anlagendokumentation ist in LiveDok – ein Tool aus dem Hause Rösberg für die digitale Anlagendokumentation – verfügbar.

Fabian Marr ist bei Terranets bw verantwortlich für Planung und Bau von GDRMA und mit der Zusammenarbeit sehr zufrieden: „Sie war menschlich wie fachlich sehr angenehm. Uns freut besonders, dass Rösberg uns über das Geforderte hinaus beraten hat und wir in diesem Projekt den Umstieg auf das PCS7-System wagen konnten. Das ist ein wertvoller Schritt in Richtung Zukunftssicherheit, den wir ohne die Unterstützung vermutlich jetzt noch nicht gegangen wären.“

Autorin: Evelyn Landgraf, Marketing bei Rösberg Engineering

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