Anlagenbau & Prozesstechnik

Warum Radar die richtige Lösung für Füllstandsmessungen in Flüssiggastanks ist

Radarfüllstandsmessung für die Bestandsverwaltung und Überfüllsicherung in LNG- und LPG-Tanks

02.09.2022 - Die Radar-Füllstandsmesstechnik ist ein wesentlicher Bestandteil von Messsystemen für Tanks, die Flüssigerdgas (LNG), Autogas (LPG) oder andere Flüssiggase enthalten. Die Möglichkeit, genaue und zuverlässige Messungen des Flüssigkeitsfüllstands in großen und komplexen Tanks mit Sicherheitshülle zu erhalten, ist nicht nur für Zwecke der Bestandsverwaltung und des eichpflichtigen Verkehrs, sondern auch aus Sicherheitsgründen zum Vermeiden von Überfüllungen von entscheidender Bedeutung.

In Flüssiggasanwendungen erfolgte die Füllstandsmessung bisher oft mit Hilfe der Servotechnologie. Bei diesem Verfahren wird ein kleiner Verdränger, der an einem dünnen Draht hängt, mit dem Servomessgerät oben auf dem Tank verbunden. Ein Wiegesystem im Servomessgerät misst den Zug des Drahts. Signale des Wiegemechanismus steuern einen elek­trischen Motor in der Servoeinheit und bewirken, dass der Verdränger den Bewegungen des Flüssigkeitsfüllstands folgt. In letzter Zeit wurden die Messungen dieser Geräte mit einem elek­tronischen Messumformer automatisiert, der die Füllstandsinformationen über die Fieldbus-Kommunikation an die Leitwarte sendet.

Die Servotechnologie wird immer noch eingesetzt, hat jedoch einige größere Defizite. Servogeräte sind komplizierte Geräte mit vielen beweglichen Teilen, die anfällig für mechanischen Verschleiß sind. Dadurch erhöhen sich der Wartungsbedarf und die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls. Da der Verdränger und der Draht mit der Flüssigkeit in Berührung kommen, besteht die Gefahr einer Verunreinigung. Diese kann nicht nur die Messgenauigkeit des Geräts beeinträchtigen, sondern auch dazu führen, dass eine erneute Kalibrierung, Wartung und Reparaturen erforderlich werden. Ein weiteres Problem von Servomessgeräten ist die Empfindlichkeit gegenüber Schwankungen der Flüssigkeitsdichte, die sich auf die Messgenauigkeit auswirkt.

Bedenken gegenüber Radar sind unbegründet

Ein Grund für den weiteren Einsatz der Servotechnologie für Füllstandsmessungen in Flüssiggastanks sind die Bedenken mancher Terminalbetreiber, ob Radargeräte aufgrund der hohen Gasdichte im Dampfraum bei diesen Behältern gut funktionieren. Allerdings sind diese Bedenken hinsichtlich der Auswirkung von Gas auf die Radarsignale unbegründet, da es die Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Messungen nicht beeinflusst.

Vielmehr haben sich Radarfüllstandsmessgeräte bei nahezu allen in Behältern bei Luftdruck gelagerten Flüssigkeiten sowie bei Flüssiggasen in gekühlten Tanks einschließlich Tieftemperaturtanks bewährt und werden heute bei über 8.000 LNG- und LPG-Tanks weltweit eingesetzt. Die Eignung für diese Anwendungen zeigt sich auch darin, dass es in fast 40 Jahren bei keinem an Druckbehältern eingesetzten Radarsystem von Emerson zu Problemen mit der Sicherheit oder Zuverlässigkeit aufgrund von Dampf oder einer hohen Gasdichte gekommen ist.

Optimierte Signalstärke

Das soll nicht heißen, dass präzise Füllstandsmessungen in diesen Anwendungen nicht anspruchsvoll wären. Um den Füllstand in einem Flüssiggastank genau zu messen, benötigt ein Radarmessgerät ein ausreichend starkes Echo von der Flüssigkeitsoberfläche. In Flüssiggasanwendungen wird ein Beruhigungsrohr zur Übertragung des Radarsignals eingesetzt, wodurch man ein starkes, ungestörtes Echo von der Flüssigkeitsoberfläche erhält. Moderne Radarmessgeräte, die von oben nach unten messen, nutzen die frequenzmodulierte Dauerstrichradartechnologie (FMCW), die die Signalstärke optimiert und eine widerstandsfähigere und zuverlässigere Messung erzeugt. Das Ergebnis ist eine Genauigkeit der Füllstandsmessung von 0,5 mm und eine Reduzierung der Messunsicherheit bezüglich des Volumens um 180 % im Vergleich zu weniger ausgereiften Messverfahren wie z.B. Servomessgeräte.

Beeindruckende Zuverlässigkeit

Radarfüllstandsmessgeräte weisen auch eine hohe Zuverlässigkeit auf, da die mittlere Betriebsdauer zwischen aufeinander folgenden Ausfällen kritischer Teile in Jahrzehnten gemessen wird. Der Wartungsbedarf reduziert sich, da sie keine beweglichen Teile enthalten und die Flüssigkeit nicht berühren. Weil keine regelmäßige Wartung oder Neukalibrierung erforderlich ist, liegt die Verfügbarkeit dieser Geräte während ihrer langen Lebensdauer bei nahezu 100 %. Das erhöht die betriebliche Verfügbarkeit von Tanks und Behältern.

Ein weiterer Aspekt ist, dass aufgrund der Größe von Flüssiggastanks in der Regel lange Messstrecken erforderlich sind. Radarfüllstandsmessgeräte verfügen jedoch über Antennen, die Tankfüllstände über Distanzen von mehr als 60 m präzise erkennen können, und diese Messungen können sogar während des Tankbetriebs überprüft werden. Dies wird durch den Vergleich der gemessenen Füllstandswerte mit der bekannten Entfernung eines im Beruhigungsrohr montierten Prüfstifts zusammen mit einer Ablenkplatte am Rohrende erreicht.

Einsatz verschiedener Technologien nicht erforderlich

Die Sicherheitsfunktionen der Tankmesssysteme sind in Flüssiggasanwendungen entscheidend. Die Installation von drei Füllstandsmessgeräten ist gängige Praxis: Das erste und das zweite Gerät unterstützen das Tankmesssystem, und ein drittes Gerät liefert Informationen für die Überfüllsicherung. Das sicherheitstechnische System (SIS) kann die Eingänge der drei Geräte so integrieren, dass dabei SIS-Alarme nach einem Zwei-von-Drei-Auswahlschema ausgelöst werden.

Es ist ein Irrglaube, dass die Füllstandsmessinstrumentierung für das Tankmesssystem und das Überfüllsicherungssystem auf verschiedenen Technologien basieren muss – z.B. einer Kombination aus Radar- und Servogeräten. Dies wird in der Regel Diverse Separation (Trennung mit unterschiedlichen Technologien) genannt. In der Grundnorm für funktionale Sicherheit IEC 61511 der Internationalen Elektrotechnischen Kommission wird dies jedoch nicht gefordert. Stattdessen bestätigt die Norm, dass der Einsatz derselben Technologie sowohl für das Tankmesssystem als auch die Überfüllsicherung legitim ist, was als Identical Separation (Trennung mit identischen Technologien) bezeichnet wird.

Sowohl die Trennung mit unterschiedlichen als auch mit identischen Technologien ist eine zulässige Option. Es besteht jedoch Einvernehmen darüber, dass unterschiedliche Technologien für zusätzliche Komplexität sorgen und die Wahrscheinlichkeit für menschliches Versagen höher ist, da das Personal in der Installation, Konfiguration und wiederkehrenden Prüfung zwei verschiedener Technologien geschult werden muss. Eine im Jahr 2015 von der ARC Advisory Group durchgeführte Studie zeigte, dass bei 42 % der ungeplanten Anlagenabschaltungen in der Prozessindustrie Bedienfehler zugrunde lagen; und es wird weitgehend hingenommen, dass über 50 % der Sicherheitsvorfälle in der Industrie unter vorübergehenden Bedingungen wie z. B. Abschaltungen auftreten. Daher ist jede Maßnahme zur Optimierung des Betriebs und Reduzierung der Wahrscheinlichkeit für menschliches Versagen entscheidend, um Sicherheitsvorfälle zu vermeiden und den Terminaldurchsatz zu steigern. Die Ausrichtung auf eine einzige Technologie dient auch dazu, die Wartung zu vereinfachen und den Ersatzteilbedarf zu reduzieren.

2-in-1-Technologie

Auch wenn in neuen Installationen Radarfüllstandsmessgeräte sowohl im Tankmesssystem als auch für die Überfüllsicherung eingesetzt werden dürfen, haben manche bereits vorhandene Tanks praktische Grenzen, die das Aufrüsten mit zwei separaten Füllstandsmessgeräten kostspielig machen. Beispielsweise steht eventuell keine weitere Tanköffnung zur Verfügung und für die notwendigen Umbauten müsste der Behälter außer Betrieb genommen werden, was zusätzliche Kosten und einen geringeren Durchsatz zur Folge hat.

Dieses Problem kann jedoch mit dem Rosemount 5900S 2-in-1-Radarfüllstandsmessgerät von Emerson gelöst werden, da es aus zwei separaten und unabhängigen elektrischen Einheiten und einer gemeinsamen Antenne besteht. Durch den Anschluss an getrennte Stromversorgungen und das getrennte Verlegen der Kabel in unterschiedlichen Kabelkanälen kann ein einzelnes Füllstandsmessgerät sowohl für Tankmess- als auch Überfüllsicherungszwecke verwendet werden. Dafür sind nur eine einzige Tanköffnung und minimale oder gar keine Änderungen erforderlich. Die unabhängige Organisation Exida hat bestätigt, dass das Gerät die Anforderungen der IEC 61511 erfüllt, um gleichzeitig als Tankmesssensor und Überfüllsicherungssensor eingesetzt zu werden.

Wiederkehrende Prüfung

Füllstandmessgeräte, die in einem SIS eingesetzt werden, müssen regelmäßig einer wiederkehrenden Prüfung unterzogen werden, um sicherzustellen, dass sie bei einer Anforderung richtig funktionieren. Diese Prüfungen werden normalerweise von Technikern im Feld durchgeführt und von einem Mitarbeiter in der Leitwarte überprüft. Bei diesem zeitaufwändigen Verfahren müssen Mitarbeiter auf den Tank steigen, um sich Zugriff zu den Instrumenten zu verschaffen. Sie sind dabei erheblichen Gefahren ausgesetzt. Der Rosemount 5900S verfügt jedoch über eine Funktion, mit der wiederkehrende Prüfungen aus der Leitwarte durchgeführt werden können, wodurch das Verfahren sicherer, schneller und effizienter wird.

Gasum LNG-Terminal in Schweden

Ein gutes Beispiel für den Einsatz der neuesten Radar-Messgeräte in einer Flüssiggasanwendung findet sich im Gasum LNG-Terminal in Lysekil, Schweden. Gasum ist der größte Lieferant für LNG in den nordischen Ländern, wobei die Anlage in Lysekil für die Lagerung und Verteilung von LNG für Produktionsprozesse in der nahegelegenen Industrie genutzt wird.

Auf dem Terminalgelände gibt es einen 42 m hohen, überirdischen Betontank mit einer Lagerkapazität von 30.000 m³. Der größte Teil des LNG-Rohstoffs kommt aus der Gasum Verflüssigungsanlage in Norwegen und wird mit unternehmenseigenen Schiffen transportiert, die auch für den Transfer von Schiff zu Schiff eingesetzt werden. Das verflüssigte Produkt wird auch über unternehmenseigene Lkws an Kunden geliefert. Das gasförmige Produkt wird über eine Pipeline an eine benachbarte Raffinerie geliefert. Müsste die Raffinerie aufgrund eines Energielieferstopps ihre Produktion herunterfahren, so würde dies mehrere Millionen Dollar pro Abschaltung kosten. Aus diesem Grund ist eine ununterbrochene Energieversorgung entscheidend. Dafür ist eine genaue sowie zuverlässige Füllstandsmessungen erforderlich.

Gasum bevorzugt die Radartechnologie für Füllstandsmessungen, da sie nur einen minimalen Wartungsaufwand hat. Bei dem Tank sind drei Rosemount 5900S Radarfüllstandsmessgeräte mit einer speziellen LNG-Antenne im Einsatz, die sich für Tieftemperaturen eignet. Die Anwendung ist so ausgelegt, dass zwei Alarme von mindestens zwei der drei Geräte zur Prozessabschaltung erforderlich sind, wodurch ein Fehlalarm verhindert wird, der die Produktion unterbrechen und die Wirtschaftlichkeit beeinträchtigen könnte. Außerdem bedeuten drei Messgeräte, dass immer ein Ersatzgerät im Einsatz ist. Terminalmanager Benny Johansson sagt: „Wir gehen kein Risiko ein. Eine Betriebs­unterbrechung ist keine Option; daher nutzen wir das Zwei-von-Drei-Prinzip für Sicherheits- und Wartungszwecke.“

Seit der Installation der radarbasierten Lösung ist Gasum von der Genauigkeit und Zuverlässigkeit begeistert. Es gab keine außerplanmäßigen Abschaltungen und keine Wartungsanforderungen, die ein Öffnen des Tieftemperaturtanks erfordert hätten. Durch die Möglichkeit zur wiederkehrenden Prüfung der Füllstandsmessgeräte aus der Leitwarte ist das Verfahren schneller und sicherer.

Emerson auf der Powtech: Halle 3, Stand 3-482

 

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