Automatisierte Prozesse im produktionsnahen Umfeld
Evonik treibt mit ThingWorx die Digitalisierung zielgerichtet voran
Doch der Spezialchemiekonzern Evonik blickt nach vorn und will die nun vorhandenen Möglichkeiten der Digitalisierung proaktiv nutzen. Mit innovativen IT-Lösungen soll das eigene Kerngeschäft gestärkt und den Kunden neue Mehrwerte präsentiert werden. Evonik nutzt dazu IT-Technologien von PTC für eine tiefgreifende Digitalisierung seiner Fertigungsanlagen. Die Plattform für das industrielle Internet der Dinge (IIoT), ThingWorx, ermöglicht auf einfache Weise die benutzerfreundliche Erstellung und Bedienung von Applikationen.
Eine umfassende digitale Transformation verlangt, dass die Prozesse genau analysiert werden, indem vom Startpunkt bis zum Ergebnis im Sinne eines Ende-zu-Ende-Ansatzes alle Prozessschritte vollständig erfasst werden. Ein Ziel dabei: Der gesamte Wertstrom soll medienbruchfrei ablaufen. Dazu bedarf es eines „digitalen roten Fadens“ (Digital Thread), der sich durch die einzelnen Datenquellen (Silos) zieht, die Informationen beisteuern, und der sie kontextbezogen miteinander verknüpft. Nur so lässt sich das Potenzial von Industrie 4.0 vollständig ausschöpfen.
Mehr Fortschritt wagen
Bereits 2016 hat Evonik eine ganzheitlich durchdachte Digitalisierungsstrategie auf den Weg gebracht und kontinuierlich weiterentwickelt. Diese enthält die digitale Transformation der Prozesse rund um die Produktion. Sukzessive werden neue, IT-basierte Anwendungen (Use Cases) entwickelt, getestet und global zur Anwendung gebracht.
Digitalisierung hat viele organisatorische Facetten, insbesondere aber ist sie eine Frage der Einführung innovativer OT-Lösungen (OT: Operational Technology) mit Fokus auf konsequente Durchgängigkeit. Der Konzern hat sich bei der Auswahl der IIoT-Plattform nach einem erfolgreichen Proof of Concept aus mehreren guten Gründen für die ThingWorx-Technologie von PTC entschieden: zum einen aufgrund der kundenorientierten Grundhaltung des Systemanbieters, die es ermöglicht, schnell gemeinsame Lösungen zu erzielen; zum anderen, weil die IIoT-Plattform auf einer ausgereiften Technologie basiert, die bereits in anderen Branchen wie der Fahrzeugindustrie ihre Meriten verdient. Ihre besonderen Eigenschaften:
- Neben Standards wie OPC-UA, Modbus oder ODBC werden insgesamt mehr als 150 Protokolle effektiv durch eine intuitive Modellierung von Schnittstellen unterstützt.
- Anwendungen (Apps) lassen sich in kurzer Zeit per Drag & Drop erstellen. Dafür zeichnet ein sogenannter Rapid Application Builder verantwortlich.
- Die skalierbare Datenmodellierung garantiert, dass die bereits erstellten Apps für weitere Use Cases nutzbar sind.
- Ein regularienkonformes Data Security / Access Management stellt den sicheren Datenaustausch zwischen den einzelnen ThingWorx Apps her.
„Damit der gesamte Wertstrom medienbruchfrei abläuft bedarf es eines „digitalen roten Fadens“.
Die Evonik Division Technology & Infrastructure ist für die Einführung neuer Digitalisierungslösungen im produktionsnahen Umfeld verantwortlich. Sascha Hoch, damals beauftragt mit der Einführung der Plattform beim Spezialchemieunternehmen, lässt den aktuellen Stand der Implementierung Revue passieren: „Wir betrachten die IIoT-Plattform als einen elementaren Baustein einer umfassenden Digitalisierung rund um die Produktion, insbesondere für die Vernetzung isolierter Systeme entlang des Lebenszyklus von Produktionsanlagen und der Nutzbarmachung von Daten in Form des digitalen Anlagenzwillings.“ Mittlerweile leitet Hoch im Konzern die sog. iOT Factory und ist dort mit seinem Team zuständig für die Entwicklung und den Roll-out von meist auf der ThingWorx-Technologie basierenden Anwendungsfälle im Produktionsumfeld.
Am Wendepunkt
Die Ausgangssituation für eine umfassende Digitalisierung beschreibt der promovierte Physiker folgendermaßen: „Infolge der langen, verzweigten Konzernhistorie gibt es heterogen gewachsene Prozesse, Applikationen und Backend-Systeme. Unser Ziel ist, den Zugriff standortübergreifend auf alle Datenquellen ohne Medienbrüche zu ermöglichen, um Beziehungswissen weltweit in ihrem jeweiligen Zusammenhang zu visualisieren. Dies umfasst nicht nur die Digitalisierung von Applikationen entlang des Lebenszyklus einer Anlage, sondern auch die Orchestrierung von Datenströmen aus der Supply Chain und ihre wertschöpfenden Beiträge.“ Es wurden mehrere Initiativen auf den Weg gebracht, die das digitale Abbild der Anlagen und ihre Bestandteile, der Mitarbeiter (einschließlich Workflow Support), Supply Chain sowie Kunden in den Mittelpunkt der Betrachtungen stellen.
Hoch fügt hinzu: „Wir stehen vor der Herausforderung, dem Anlagenbetrieb Daten aus der Anlagenplanung aufbereitet zur Verfügung zu stellen.“ Und hier kommt das IIoT-Portfolio von PTC gerade recht, denn, so der Manager weiter: „Mit ThingWorx sind wir in der Lage, die unterschiedlichen Datensilos der einzelnen Werke, Gewerke und Anwendergruppen miteinander zu verknüpfen und Applikationen zu schaffen, die Multidomänenprozesse ermöglichen und die Arbeit insgesamt effizienter machen.“ Dies geschieht nicht wie früher über Punkt-zu-Punkt-Verbindungen zwischen einzelnen Datenquellen bzw. Applikationen via MS-Excel-Export, sondern zentralisiert per Middleware als Integration Layer. ThingWorx hat den Vorteil, dass keine Schnittstellen für spezielle Applikationen aufwendig programmiert werden müssen. Vielmehr lassen sich Softwarebausteine intuitiv miteinander kombinieren.
„Bei Greenfield-Projekten sind wir sehr an der Harmonisierung von Datenmodellen interessiert“, nennt Hoch als explizites Beispiel. Darüber hinaus sei es zentrales Ziel, dass alle relevanten Backend-Systeme an ThingWorx angebunden und deren Daten den Use Cases konsolidiert über eine standardisierte Schnittstelle zur Verfügung gestellt werden. Evonik hat hierzu eine Referenzarchitektur definiert, die auch das Zusammenspiel mit anderen Cloud-Plattform regelt.
„Wir sind in der Lage, die unterschiedlichen Datensilos über einen Digital Thread miteinander zu verknüpfen.“
Alle Beteiligten bei der Digitalisierung mitnehmen!
Warum ist die Überwindung von Veränderungswiderständen bei digitalen Transformationsprojekten so wichtig? Wenn wir über Digitalisierung sprechen, lautet die Frage seit der Covid-Pandemie nicht mehr: Homeoffice oder nicht, sondern: Wie können Unternehmen die vielversprechenden Auswirkungen der Digitalisierung auf ihre Geschäftsprozesse so schnell wie möglich nutzbar machen?
Als das Projekt bei Evonik auf den Weg gebracht wurde, war allen Beteiligten von Anfang bewusst, dass eine enge Abstimmung und Zusammenarbeit aller relevanten Stakeholder, die von der einhergehenden potenziellen Veränderung betroffen sind, über Bereichsgrenzen hinweg erforderlich sein würde. Und das nicht nur in der Projektphase, sondern auch darüber hinaus. So wurde bspw. mittlerweile eine Demand-Organisation ins Leben gerufen, die Bedarf und die Anforderungen aus der Produktion nach einem transparenten Prozess bereichsübergreifend koordiniert und priorisiert.
Agilität als Gebot der Stunde
Eine agile Strategieumsetzung ist der Schlüssel zum Erfolg einer Business-Transformation. Es gilt zu beachten, dass sich die Auswahl und Einführung einer IIoT-Plattform deutlich von einer ERP- oder PLM-Implementierung in der Vergangenheit unterscheidet. Während sich die Anforderungen an ein Businesssystem wie ERP oder PLM im Vorfeld genau definieren lassen, hängt der Erfolg von IIoT-Anwendungen und Digitalisierung im Allgemeinen von den individuellen Erfahrungen ab. Nichts lässt sich im Laufe des Roll-outs wirklich vorhersagen, zu sehr hängt das eine vom anderen ab. Ein Hauptaugenmerk muss daher auf der Bedeutung und der Berücksichtigung neuer Anforderungen sowie der Veränderung der Priorisierung von Aufgaben liegen. Im Zentrum von agilen Projekten sollten konkret erreichbare Mehrwerte sein, die sich im Projektverlauf durchaus ändern können. Diese Flexibilität gibt es bei der konventionellen Wasserfallmethode nicht. Genau diese Wachsamkeit in Hinsicht auf mögliche Auswirkungen von Veränderungen ist es, was Unternehmen bei der Einführung einer IIoT-Plattform von Firmen wie PTC erwarten.
„Für die Automatisierung unserer Prozesse im produktionsnahen Umfeld ist eine IIoT-Plattform von zentraler Bedeutung.“
Fazit: Mehr Wachstum für mehr Erfolg
Die Implementierung von ThingWorx ist so weit gediehen, dass man inzwischen in der Phase der operativen Umsetzung angekommen ist. Die enge Partnerschaft hat für Evonik und PTC gleichermaßen große Bedeutung und wird Auswirkungen auf die künftige Ausgestaltung von ThingWorx haben. Daher ist Thomas Schiffer, Leiter Digitalisierung/Prozesse der Evonik-Division Technology & Infrastructure, zum Mitglied des Product Advisory Board von PTC ernannt worden. In diesem Beirat teilen die Mitglieder ihre Erfahrungen mit PTC-Standardsoftware-Lösungen miteinander und sprechen Empfehlungen für eine Verbesserung bzw. Weiterentwicklung aus.
Autor: Jürgen Nick, Digital Transformation Director, PTC, Hannover