Strategie & Management

Aktuelles Industrie 4.0 Barometer

Handlungsempfehlungen für die digitale Transformation der Chemiebranche

13.07.2021 - Ergebnis einer Studie zur Digitalisierung der Chemieindustrie: Eine tiefgreifende digitale Transformation wird für viele Unternehmen nicht nur erfolgsentscheidend, sondern überlebensnotwendig sein.

Auch in der Fertigungs- und Prozessindustrie hat die Covid-19-Pandemie die Lieferketten und Produktionsstätten in einem zuvor undenkbaren Maß beeinträchtigt. Fähigkeiten wie Flexibilität, Reaktionsschnelligkeit, Improvisationsfähigkeit, und Innovationskraft, die bereits vor der Krise wichtig waren, sind essenziell geworden, um eine schnelle Anpassung an die veränderten Rahmenbedingungen zu ermöglichen.

Auch nach Corona wird die Bedeutung dieser Fähigkeiten nicht abnehmen, denn aufgrund des rasanten technologischen Fortschritts, geopolitischer und klimatischer Risiken erleben wir einen Übergang von einer VUCA (Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity)-Welt zu einer Welt, in der DisRUPTion (nach Center for Creative Leadership: Rapid, Unpredictable, Paradoxical, Tangled) an der Tagesordnung ist. Das heißt für Unternehmen, dass sie schneller, experimentierfreudiger und resilienter werden müssen. Um diese Fähigkeiten zu stärken, führt an der Nutzung von digitalen Technologien kein Weg vorbei. Unternehmen, die bereits vor der Pandemie ihre Hausaufgaben gemacht haben, kamen deutlich besser durch die Krise und schneller in den Normalmodus zurück. Deshalb wird eine tiefgreifende digitale Transformation für viele Unternehmen nicht nur erfolgsentscheidend, sondern überlebensnotwendig sein.

„Digitale Transformation passiert nicht einfach durch Mehrinvestitionen in digitale Technologien, sondern durch kluge digitale Lösungen, die echten und neuartigen Mehrwert auf Kundenseite bieten. Sei es durch neue Services oder eine effizientere und agilere Produktion“, so Johann Kranz, Professor für Internet Business and Internet Services, Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München. Seit einigen Jahren beleuchtet die Management- und IT-Beratung MHP gemeinsam mit der LMU München im Industrie 4.0 Barometer relevante Bereiche und Facetten der digitalen Transformation: von der Unternehmensstrategie über den Einsatz von Technologien und der Leistungsfähigkeit der IT-Infrastruktur bis hin zu Treibern und Herausforderungen beim Roll-out von Industrie 4.0 Lösungen. Die jährliche Erhebung ermöglicht es, die Entwicklung des digitalen Reifegrads der Industrie im deutschsprachigen Raum zu verfolgen und Verbesserungspotenziale sowie Branchentrends zu identifizieren.

 

„Der CIO sollte als Digitalisierungstreiber in der Geschäftsführung vertreten sein.“

 

 

Digitalisierung der Chemieindustrie

Dirk Ramhorst, CIO und CDO bei Wacker Chemie, gab für die neueste Auflage der Studie exklusive Einblicke in die Digitalisierung der Chemie­industrie und wesentlicher Zielsetzungen der digitalen Transformation beim Münchener Chemie­unternehmen. „Gerade bei uns in der Chemie ist es sehr wichtig, unerwartete und kostspielige Ausfälle zu vermeiden“, so der Experte.

Eine wesentliche Erkenntnis des Industrie 4.0 Barometers ist, dass die Integration umfangreicher Digitalisierungskompetenz in der Geschäftsführung ein kritischer Erfolgsfaktor bei der digitalen Transformation darstellt. Das Top-Management muss den Mehrwert von Digitalisierungsvorhaben erkennen und diese dann in der Organisation entschlossen vorantreiben, um messbare Erfolge zu erzielen. „Der CIO sollte als Digitalisierungstreiber in der Geschäftsführung vertreten sein. Mit seiner Fachexpertise und der Bereitschaft, innovative Indus­trie 4.0 Lösungen umzusetzen, kann er die digitale Transformation erfolgreich vorantreiben“, bekräftigt Ka­tharina Hölck, Managerin bei MHP.

Zudem ist es wichtig, stetig neue digitale Expertise zu erwerben und die unternehmensinterne Zusammenarbeit zu intensivieren, um die abteilungsübergreifenden Optimierungspotenziale von digitalen Lösungen maximal ausnutzen zu können. Tom Huber, Head of Oper­ations Performance & Strategy bei MHP, erläutert: „Traditionelle Silostrukturen sollten interdisziplinären Teams aus Fachexperten und Softwareentwicklern weichen, die gemeinsam an innovativen Lösungen arbeiten.“

 

„Digitale Transformation passiert nicht einfach durch Mehrinvestitionen in digitale Technologien.“

 

Cloud Services als Katalysatoren von Industrie 4.0 Lösungen

Cloud Services, ein Fokusthema im aktuellen Industrie 4.0 Barometer, gelten als Katalysatoren von Industrie 4.0 Lösungen und sind mittlerweile fester Bestandteil der Digitalisierungsstrategie zahlreicher Unternehmen. Die Umfrageergebnisse zeigen, dass den Cloud-Technologien zwar eine wichtige Rolle in der digitalen Transformation attestiert wird, der Übergang von On-Premises- zu Cloud-Lösungen allerdings nur langsam voranschreitet. Ramhorst schildert aus der Perspektive des Münchener Chemiekonzerns: „Die Cloud ist ein wichtiger Treiber bei Wacker. Im Rahmen unserer Cloud Transition verfolgen wir die Strategie „Cloud First statt Cloud Only“. Edge Computing spielt in unseren Produktionsstandorten eine besondere Rolle, da wir den Betrieb auch bei nicht verfügbarer Internetverbindung sicherstellen müssen.“

 

„Gerade bei uns in der Chemie ist es sehr wichtig, unerwartete und kostspielige Ausfälle zu vermeiden.“

 

 

Der Einsatz von Cloud Services bleibt allerdings deutlich hinter den Erwartungen zurück. 70 % der Umfrageteilnehmer geben an, dass in ihren Unternehmen Cloud Services nur in etwa der Hälfte der produktions- und logistiknahen Anwendungen genutzt werden. Im Rahmen des Industrie 4.0 Barometers wird deshalb empfohlen, Systemlandschaften auf Redundanzen und Ineffizienzen zu untersuchen, um veraltete und obsolete Systeme abschalten zu können. Die dadurch freigewordenen Ressourcen sollten für eine flexible und hochskalierbare IT-Infrastruktur eingesetzt werden, wie Ramhorst bestätigt: „Insbesondere in der Chemie ist ein nachhaltiger Ressourceneinsatz ein großes Thema. Über eine interne IT muss eine Resilienz aufgebaut werden, die es ermöglicht, stark nach oben und nach unten zu skalieren, sodass nur die tatsächlich benötigten Ressourcen genutzt werden.“

Die hohe Flexibilität und Skalierbarkeit ermöglichen außerdem die schnelle Integration von Partnern innerhalb sowie außerhalb der Organisation. Unternehmensübergreifende Kollaborationen, in denen Kompetenzen gewinnbringend vereint werden, stellen eine weitere Handlungsempfehlung des Indus­trie 4.0 Barometers dar und werden von Dirk Ramhorst befürwortet: „Es ist das Ökosystem, das den Erfolg ausmacht. Ich glaube, wir müssen sehr viel stärker in Ökosystemen und nicht in Silos denken. Dieses große Potenzial in Deutschland, was im Wesentlichen auch wieder aus dem Mittelstand hervorgegangen ist, müssen wir sehr viel stärker nutzen.

„Traditionelle Silostrukturen sollten interdisziplinären Teams aus Fachexperten und Softwareentwicklern weichen.“

 

Industrie 4.0 Barometer 2021

Aktuell arbeiten MHP und die LMU an der nächsten Auflage des Industrie 4.0 Barometers. 2021 wird die Umfrage erstmalig auch in den internationalen Märkten USA, Großbritannien und China durchgeführt, um den digitalen Reifegrad über mehrere Regionen hinweg vergleichen zu können. Die Fokusthemen der neuen Studie lauten „Resilient Supply Chain“ und „Digital Leadership“.

Teilnahmelink: https://lmubwl.eu.qualtrics.com/jfe/form/SV_1NgxS6qj59rPRiu

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