Wert von Chemie- und Pharmastandorten
Zukunftsfähigkeit der Sites hängt von vielen Faktoren ab
Die Attraktivität von Chemie- und Pharmastandorten lässt sich aus unterschiedlichen Perspektiven bewerten: Neben den am Standort angesiedelten Unternehmen, haben der Eigentümer und Betreiber einen eigenen Blick auf die Bewertung der Attraktivität.
Ein weiterer Gradmesser ist die Perspektive der Industriedienstleister, die aktiv an den Standorten neue Kunden suchen und die Sicht potenzieller Investoren und Kaufinteressenten, welche sich attraktive Investorenmodelle erhoffen.
Es geht allen Beteiligten um einen langfristig erfolgreichen Standort. In der Regel werden Investitionen an Chemie- und Pharmastandorten für Zeiträume > 5 Jahre, eigentlich sogar > 15 Jahre getroffen. Wer sich langfristig bindet, möchte in eine sehr hohe Attraktivität investieren. Dies hängt von folgenden Faktoren ab:
- Zyklische Wertschöpfungskreisläufe und geschlossene Produktionsverbünde in Verbindung mit der Herstellung eigener chemisch-pharmazeutischer Produkte („Verbund“)
- Möglichkeit der nachhaltigen Ver-/Entsorgung und des verschwendungsminimierten Betreibens von Produktions-Anlagen/ F&E- und Verwaltungsobjekten („Ökologie“)
- Einfaches, unkompliziertes Arbeiten an einem hoch-digitalisierten Chemie- und Pharmastandort der Zukunft („Digitaler Standort“)
- Positive Standortcharaktere; logistisch trifft es die Anforderungen der Supply Chains, den Mitarbeitern macht es Freude dort zu arbeiten und die öffentliche Hand hat ein großes Interesse an dem Standort („Standortlage“)
Sicht der Standortunternehmen
Die Anziehungskraft von Chemie-/ Pharmastandorten wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst. Diese Faktoren lassen sich untergliedern in allgemeine, einsatzbezogene, absatzbezogene Standort- und Managementfaktoren.
Unter allg. Faktoren lassen sich Ver- und Entsorgungssicherheit (zu geringen Kosten), die Erfüllung der Anforderungen an den Umweltschutz und ein staatliches, stabiles System zählen.
Einsatzbezogene Standortfaktoren beinhalten kurze Wege zu Rohstoffquellen, eine optimale logistische Anbindung über alle Verkehrsträger, attraktive Chemielogistikdienstleistungen, sowie die Kosten für Mitarbeiter und Flächen.
Absatzbezogene Standortfaktoren sind insbesondere die Nachfragekraft, die Wirtschaftsstruktur (staatliche Absatzhilfen), angesiedelte Branchen und die Absatzkontakte. Zu den Managementfaktoren gehören die Qualität des Wissensmanagements, z. B. durch die Nähe zu Forschungseinrichtungen und Hochschulen.
Sind die Kunden mit den Faktoren zufrieden, entstehen stabile Partnerschaften und eine Emigration wird unwahrscheinlicher; dadurch erhöht sich der Wert des gesamten Standortes.
Sicht des Eigentümers, Betreibers und Managers
Die Einschätzung des Standortes aus Eigentümersicht bemisst sich an einer marktgerechten Verzinsung seines eingesetzten Kapitals (Eigentum und Fläche), der Langfristigkeit der Auslastung am Standort bzw. der Zugkraft der Geschäfte und an einem guten Altlastenmanagement (Chemie-Areal). Für den Betreiber bzw. Anbieter von Industriedienstleistungen machen stabile Abnahmen, ein ausgewogenes Preisniveau und gute Lieferanten-Kunden-Beziehungen einen überzeugenden Standort aus.
Der Manager legt Wert auf eine hohe Auslastung, damit alle Fixkosten verbrauchsgerecht belastet werden können. Ein hoher Wettbewerb von Services fördert dies. Zudem sind ihm moderne und langlebige Assets und Geschäfte wichtig, ebenso wie ein gutes Verhältnis zu allen Anspruchsgruppen, zu denen auch die Nachbarn und die Kommune gehören.
Sicht möglicher Investoren
Die Sicht möglicher Investoren ergibt sich teilweise aus den o.g. Faktoren. Je nach Investor-Kategorie ändern sich die Schwerpunkte bei der Einschätzung der Attraktivität. Es macht einen Unterschied, ob der Investor ein Industriedienstleister oder ein Finanzinvestor ist.
Investoren können interessiert sein an dem Erwerb einzelner oder mehrerer Industrieservices (Betreiber) und/oder dem Erwerb von Eigentum (Infrastruktur/Flächen). Die Sichtweise eines Investors richtet sich insbesondere auf marktgängige Serviceleistungen und sinnvolle Leistungspakete, stabile, lukrative Erträge, die Langfristigkeit der Investition bei geringen Risiken und eine zukunftsfähige Standortentwicklung.
Für eine zukunftsfähige Standortentwicklung sind wiederum attraktive Kunden relevant. Es muss vermieden werden, dass diese Kunden abwandern, während gleichzeitig die Neuansiedlung zukunftsfähiger Unternehmen gefördert werden muss. Interessante Standortkunden zeichnen sich aus durch u.a. ein solides wirtschaftliches Wachstum, gesunde Finanzkennzahlen, gefragte Produkte, eine gute Wettbewerbssituation, stabile Abnahme-/Kundenmärkte und eine hohe Innovationskraft sowie ein hoher Digitalisierungsgrad.
Die Stabilität des Produktionsverbundes spielt für die Entwicklung ebenfalls eine relevante Rolle. Durch die vertikale Verknüpfung von Produktionsanlagen entstehen bspw. effiziente Wertschöpfungsketten. zu einem Energie- und Stoffverbund Energiekosten gesenkt werden.
Das Nutzenempfinden für den Investor ist je nach eigenem Geschäftsmodell, seinen individuellen strategischen Zielen und seiner eigenen Leistungsfähigkeit sehr unterschiedlich.
Weitere Anreize für mögliche Investoren
Neben den o.g. Punkten können weitere Anreize zur Erhöhung des Standortwerts beitragen:
- Nachhaltigkeit ist das zentrale Thema der Chemieindustrie – aktuell und in den kommenden Jahrzehnten. Ein nachhaltiger Standort leistet einen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele. Standortnachhaltigkeit wird durch die Nutzung nachwachsender Rohstoffe, der Ausbau der Kreislaufwirtschaft, die Nutzung erneuerbarer Energien und die Ansiedlung biotechnologischer Unternehmen gefördert werden.
- Digitalisierung: ein attraktiver Standort bietet seinen Kunden durchgängige, vernetzte und automatisierte Wertschöpfungsketten an. Das Angebot einer zukunftsfähigen IT-Infrastruktur und -Netze sowie unterstützende IT-Services sind an einem zukunftsfähigen Standort eine Selbstverständlichkeit. So ist z.B. die Zusammenarbeit geprägt von automatisierten und vernetzten Bestell- und Ausführungsprozessen, sowie einer persönlich wertschätzenden Zusammenarbeit bei der digitalen Entwicklung.
- Ein einfallsreicher Standort bietet seinen Kunden Unterstützung dabei, die eigene Innovationskraft zu entfalten. Die Unternehmen benötigen dafür zum einen monetäre Investitionen und zum anderen Raum für Ideenaustausch und ein kreatives Umfeld. Die Standorte können dieses Umfeld ermöglichen, indem sie innovative Kompetenz- und Technologiezentren und Plattformen für einen fachübergreifenden Wissensaustausch schaffen. Wenn Chemie- und Pharmastandorte diese Services bieten, entwickeln sie sich zu Wachstumstreibern ihrer Kunden.
Ein nachhaltiger, digitaler und innovativer Standort ist ein zukunftsfähiger Standort mit hohem Wert. Die Bewertung der Chemie- und Pharmastandorte aus diesen Perspektiven in sog. Site (Service) Audits fließen in die Investorenmodelle ein und beeinflussen die Wertermittlung. Im Konzern-Standortportfolio können so strategische (Investitions-/Capex-) Entscheidungen für die Entwicklung oder den Ausstieg unterstützt werden. Investoren erhalten eine gute Basis für eine Kaufpreisindikation, jenseits der finanziellen Daten. Kunden und Betreiber erhalten Anreize und Ideen für die Weiterentwicklung ihres Standorts.
Fazit und Ausblick
Attraktive Chemie-/Pharmastandorte müssen vielfältige Anforderungen aus unterschiedlichen Perspektiven erfüllen. Dabei steigt zunehmend der Anspruch an die Wettbewerbsfähigkeit, an ihre Verbundauslastung, ihren Innovations- und Modernisierungsgrad und entscheidet über die Zukunftsfähigkeit. Bereits jetzt ist eine Verringerung der Anzahl von Chemie-/Pharmastandorten in Europa zu beobachten. Während zukunftsorientierte Verbundstandorte verbleiben, gibt es weniger kleine Mono-Standorte. Diese Entwicklung kann sich fortsetzen. Sowohl die ansässigen Unternehmen als auch potenzielle Investoren haben ein Interesse an attraktiven und professionell geführten Standorten.
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