Modulares Bauen bringt neue Möglichkeiten
Flexible Laborgebäude für die Life-Sciences-Branche durch digitale und modulare Bauplanung und -steuerung
Ob Forschungs-, Labor- oder Produktionsräume: Die geltenden Sicherheits- und Hygienebestimmungen sowie die spezifischen Anforderungen an die unterschiedlichen Nutzungsbereiche stellen höchste Anforderungen an den Bau. Durch die Kombination von Modularisierung mit einem digitalen Zwilling ergeben sich völlig neue Möglichkeiten, Laborgebäude integral – und damit effizienter – zu planen.
Laborimmobilien unterliegen einer Vielzahl an bau- und sicherheitstechnischen Anforderungen; entscheidende Parameter sind zudem die Nutzerorientierung und die Flexibilität. Gerade der Bereich der Forschung ist einem ständigen Wandel unterworfen. Die Forschungsprojekte benötigen meist sehr spezialisierte Labor-Landschaften, die für praktisch jedes neue Projekt individuell aufgesetzt werden müssen. Modulare „Bausysteme“ eröffnen entsprechende Möglichkeiten, diese Anforderungen umzusetzen. Im Wettbewerb um die besten Köpfe sind aber ebenso Gebäude mit einer nutzerorientierten und optisch ansprechenden Architektur gefragt – denn im intensiven Forschungsprozess wird das Labor für viele Wissenschaftler zum zweiten Zuhause. Ein innovativer Ansatz der modularen Planung in Verbindung mit der vollständigen digitalen Abbildung des Gebäudes eröffnet nun neue Dimensionen.
Entscheidend für die Vielzahl an Anforderungen sind dabei nicht zuletzt die Nutzerorientierung und die Flexibilität. Denn ein schneller Umbau von Laboren kann der entscheidende Vorteil auf der Suche nach einem neuen Wirkstoff, einem neuen Medikament oder einer wissenschaftlichen Innovation sein. Dafür werden Forschungsprojekte häufig in zwei- bis fünfjährigen Zyklen getaktet. Da der Neubau einer entsprechenden Laborlandschaft inklusive des Vorlaufs ähnlich viel Zeit benötigt, ist ein maßgeschneiderter Neubau gar nicht möglich: Das Gebäude muss stehen, bevor der konkrete Bedarf des Projekts geklärt ist – und aus diesem Grund flexibel anpassbar sein.
Modulare „Bausysteme“ eröffnen entsprechende Möglichkeiten, diese Anforderungen umzusetzen. Ein innovativer Ansatz der modularen Planung in Verbindung mit der vollständigen digitalen Abbildung des Gebäudes eröffnet nun neue Dimensionen – so wie bspw. im Neubau der F. Hoffmann-La Roche AG in Basel.
Flexibilität wird vorausgesetzt
Um sich ändernde Organisationsstrukturen und Workflows abzubilden, müssen Räume, Grundrisse und Nutzungen möglichst frei konfigurierbar und wandelbar sein. Die gesamte technische Erschließung der Arbeitsplätze wie etwa Lüftung, Elektro, Sanitär oder Medien ist somit ständiger Bestandteil der Konfiguration im Roche-Neubau. Die Ansprüche von Bauherren und Immobilienbetreiber gehen sogar noch einen Schritt weiter: Laborräume sollen nicht nur schnell an die Bedarfe verschiedenster Forschungsprojekte flexibel angepasst werden können, auch die einfache Anpassung von Büroräumen zu Laborräumen und umgekehrt soll in gewissem Maße möglich sein.
Hohe Ansprüche an Architektur, Energie-Effizienz und Arbeitssicherheit
Wer talentierte Forscher an sich binden will, kann vor allem mit einer nutzerorientiert und ästhetisch anspruchsvoll gestalteten „Wohlfühl-Atmosphäre“ ein zunehmend wichtiges Argument vorweisen. Auch die steigenden Anforderungen an kommunikative Elemente müssen erfüllt werden. Da mit dem interdisziplinären Forschungsansatz der Bedarf an Meetingräumen für Teams, Begegnungszonen für informelle Gespräche und Entspannungsbereiche für lange Arbeitstage steigt, ist eine darauf zugeschnittene Architektur gefordert. Weitere Herausforderungen sind die Platzierung lärm- oder energieintensiver Geräte mit hoher Abwärme. Hierfür sollen einzelne Räume von den Labor-Landschaften einfach und schnell abgetrennt werden können. Schließlich steigen auch die Anforderungen an die Arbeitssicherheit. Bei der Arbeit mit gesundheitsgefährdenden Stoffen sind hohe Luftwechselraten erforderlich. Bei Bedarf sind Sicherheitslabore mit Schleusen oder Räume mit Explosionsschutzanforderungen umzusetzen.
Die geforderte Flexibilität im Laborgebäudebau ließ sich bis zu einem gewissen Maße bereits mit herkömmlichen Modularisierungsmethoden umsetzen. Ein innovativer Ansatz schafft nun völlig neue Möglichkeiten: Statt wie bisher Module bereitzustellen, aus denen sich die Bauplaner bedienen können, wird ein bestehender architektonischer Entwurf zu einem projektspezifischen Baukasten modelliert. Die eigentliche Entwurfsplanung wird dann aus diesem Baukasten heraus zusammengefügt und kann sich innerhalb der definierten Regeln an unterschiedliche Anforderungen anpassen.
Das Prinzip ist bspw. aus dem Automobilbau bekannt: Der Fahrzeugentwurf wird in Module gegliedert und kann auf Grundlage eines Regelwerks durch den Kunden selbst auf die eigenen Bedürfnisse hin konfiguriert werden.
Der „digitale“ Zwilling
Der Schlüssel für die effiziente Modularisierung ist die Digitalisierung des Entwurfs im Rahmen eins BIM-Modells. BIM steht für Building Information Modeling, dabei entsteht ein sogenannter „Digitaler Zwilling“ des Gebäudes. Das Gebäudemodell wird konsequent modular aufgebaut. Orte und Konstruktionen, die mehrfach vorkommen, werden nur einmal modelliert und in Katalogmodellen abgelegt. Hier erfolgt die interdisziplinäre Bearbeitung. Beispiele für solche Module sind die Einrichtungsbausteine des Nutzerausbaus, wie Laborzeilen, Büro- und Besprechungsräume, Garderoben und Teeküchen inkl. ihrer kompletten Technikausstattungen und Erschließung.
Die Module werden aus dem Katalog heraus nach Nutzerwunsch in das Projektmodell eingefügt. Ein Restriktionsplan gibt dabei die Schnittstellen und die Spielregeln vor, wie und wo die Module im Gebäudemodell verankert werden dürfen. Definierte Anschlussbaugruppen verbinden die Module konstruktiv im Gebäudekontext und gewährleisten auch ihre Rückbaubarkeit. Der Nutzerausbau wird zum Konfigurationsprozess.
Die mehrheitlich mit Laboren bestückten Gebäude des pRED Forschungszentrums Basel werden nach dieser Methode umgesetzt, wobei die Anforderungen aufgrund der erforderlichen Laborinstallationen sowie die Ansprüche vor allem an die Flexibilität des Bauwerks sehr hoch sind.
Bausteine lassen sich beliebig zusammenstellen
Eine zentrale Herausforderung bei der Planung von Großprojekten ist die Integration der hohen Zahl von Einzelsystemen. Die modulare Planung verfolgt dabei eine klare Strategie: Nach dem Vorbild von Industrieprodukten wird die Gesamtaufgabe zunächst in überschaubare Teilaufgaben zerlegt, die relativ unabhängig voneinander bearbeitet werden können. Im Projektstrukturplan werden die Teilsysteme beschrieben und ihnen Teams und Prozesse zugewiesen. In einem zweiten Schritt wird der geometrische Ordnungsrahmen des Entwurfes im Projektkoordinatensystem definiert. Dieser ist mit seinen Maßen und Regeln die zentrale Strukturvorgabe des Entwurfes. Im dritten Schritt sucht die modulare Planung nach Wiederholungen im Entwurf, fasst sie in Modulen zusammen und integriert diese in einem interdisziplinären Prozess. Orte, die mehrfach vorkommen, werden also nur einmal geplant und koordiniert. Die Komplexität wird auf diese Weise auf ein Minimum reduziert.
Das Ergebnis ist ein Gebäudeentwurf, der wie ein Produkt entwickelt wird. Die Bausteine lassen sich in einem abgestimmten Regelwerk so nach Kundenwusch zusammenstellen und die Planung wird mehr oder weniger zu einer Konfiguration.
Zentrales System gibt den Rahmen vor
Das Projektkoordinatensystem ist das zentrale Instrument für die Vereinfachung, Modularisierung und Integration. Es besteht aus vier Systemen: Das Maßsystem bildet den geometrische Ordnungsrahmen aus Punkten, Achsen, Bändern und Ebenen. Das Flächensystem gliedert den Entwurf in möglichst regelmäßige Teilflächen. Über das Ortskennzeichnungssystem werden alle Räume und Konstruktionen, die im Projektkoordinatensystem verankert sind, mit einem eindeutigen Code adressiert werden. In den sog. Restriktionsplänen werden die Beziehungen der Objekte untereinander in Regeln und Restriktionen für alle verbindlich dargestellt.
Modularisierung und Integration: der „digitale Zwilling“ entsteht
Bei der Überführung der einzelnen Teilsysteme in modularisierte Teilmodelle spielt das Projektkoordinatensystem die zentrale Rolle. In ihm werden die sich wiederholenden Teilflächen definiert, die von den Architekten und Fachplanern ausgestaltet werden. Ziel ist, gleiche Teilflächen nur einmal zu planen.
Die entstehenden Technik- und Raummodulpläne werden in Modulkatalogen zusammengefasst. Aus diesen Modulen können nun die gewünschten Konstruktionen und Räume per „plug&work“ in das Gebäudemodell eingefügt werden. Der Entwurfsprozess wird deutlich schlanker, das Entwurfsergebnis integrierter und einfacher. Auch Bau- und Betriebsprozesse sind durch die Modularität bereits vorgedacht, strukturelle Planungsfehler werden so von vornherein vermieden. Zudem sind die Module Planungs-, Logistik- und Montagestandards in einem. Sie können im Idealfall komplett industriell vorgefertigt und rationell auf der Baustelle montiert werden.
Schließlich werden die einzelnen modularisierten Teilmodelle über standardisierte Schnittstellen in einer Integrationsplattform zusammengeführt: Das digitale Modell des Gebäudes ist entstanden.
Die Zukunft gehört wandelbaren Gebäuden: Modulares Planen setzt sie um
Auf der einen Seite sind es die Ansprüche der Life-Sciences-Branche, die eine zunehmende Flexibilität notwendig machen. Auf der anderen Seite ist auch das Interesse der Bauherren und Betreiber groß, ihre Gebäude durch hohe Wandelbarkeit zukunftssicher zu gestalten. Die Komplexität dieser Aufgaben ist mit klassischen Planungssystemen kaum und in keinem Fall mit der gewünschten Effizienz zu lösen. Die Verbindung von modularer und integraler Planung mit der digitalen Abbildung der Gebäude hingegen ermöglicht den sprichwörtlichen „Quantensprung“ hin zu enorm wandelbaren, perfekt auf die Nutzung zugeschnittenen und in maximaler Qualität erstellten Gebäuden.
Die wichtigsten Anforderungen an moderne Laborgebäude im Überblick:
- Flexible Arbeitsplätze: Anpassbare Gestaltung, modulare Laboreinrichtung
- Konfigurierbare Laborbereiche: Möglichkeit der Umstrukturierung entsprechend Organisationsstrukturen und Workflows, Änderung der Raumaufteilung, freie Aufstellung der Laboreinrichtung
- Reversible technische Installationen: systematische Haustechniktrassen, ausreichend Schachtfläche und Geschosshöhe für Nachinstallationen
- Wandlungsfähigkeit: schnelle Umbauzeiten ermöglichen, um Stillstandzeiten zu reduzieren
Wesentliche Vorteile einer modularen, integralen und digitalen Gebäudeplanung
- Maximale Nutzerorientierung durch definierte, bei Bedarf schnell austauschbare Module
- Deutlich höhere Produktivität für die Forschung durch maßgeschneiderte Labor-Landschaften
- Schnelle Anpassbarkeit der Labore statt Neubau/Umbau
- Wirtschaftlicher Bau und Betrieb auch bei hochindividueller Architektur
- Zuverlässige Planungs- und Baugrundlagen
- Reduzierter Planungsaufwand, mögliche Fehler schon im „Digitalen Zwilling“ erkennbar
Autoren