Wie praxistauglich sind Wirksamkeitstests?
Wirksamkeitsnachweise von Desinfektionsmitteln orientieren sich immer stärker am Klinikalltag
Mit seiner Arbeit „Über Desinfektion“ unternahm Robert Koch 1881 den ersten systematischen Versuch, „über die Wirksamkeit der Desinfektionsmittel überhaupt Aufschluß (…) und für die Praxis feste Anhaltspunkte zu gewinnen“. 139 Jahre später sind milzbrandgetränkte Seidenfäden und unterschiedliche Karbolsäurekonzentrationen längst einem anspruchsvollen, hoch komplexen europäischen Normenwerk gewichen. Die Wirksamkeitsnachweise einer Vielzahl von desinfizierenden Wirkstoffen übernehmen akkreditierte und anerkannte Prüflabors.
„Nicht in jedem Fall praxisnah“
Eine Herausforderung, die auch den Begründer der modernen Bakteriologie und Mikrobiologie seinerzeit beschäftigte, ist geblieben: Die Übertragung von Laborergebnissen auf die Bedingungen des Klinikalltags. Prüfmethoden auf Basis von Suspensionstests ermöglichen eine Vergleichbarkeit der Desinfektionsmittel innerhalb Europas. Ihre Ergebnisse sind aber „nicht in jedem Fall praxisnah“ wie die Deutsche Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten (DVV) in ihrer Leitlinie einschränkt. Anwendungsempfehlungen für die Praxis – so folgern die Experten des Robert Koch-Instituts – können daher „nur in begrenztem Umfange abgeleitet werden“. Dass Laborergebnisse keine 100 %ige Übertragbarkeit auf die klinische Praxis erlauben, ist nicht neu. Denn selten herrschen in der Wirklichkeit so homogene Bedingungen wie in einem Reagenzglas. Die Europäischen Normen (EN) versuchen daher seit Jahren in ihren Wirksamkeitstests die Anwendung des Desinfektionsmittels in der Praxis abzubilden. Entstanden sind dabei Phasen und Stufen, die beim quantitativen Suspensionsversuch zur grundsätzlichen Wirksamkeit beginnen und im praxisnahen Test vorerst ihren Höhepunkt erreichen.
Jüngstes Beispiel: Der Normentwurf prEN 17430:2019 „Viruzide hygienische Händedesinfektion-Prüfverfahren und Anforderungen (Phase 2, Stufe 2)“, der in Kürze in eine EN umgesetzt wird.
Vom Reagenzglas auf die Hand
Das Besondere an dem neuen Verfahren ist die praxisnahe Testung auf den Händen. Entwickelt wurde der Normentwurf auf Grundlage der DIN EN 1500. Diese europäische Norm legt grundsätzlich fest, dass Händedesinfektionsmittel auch auf den Händen beurteilt werden sollen. Eine Forderung, die das bereits von der DVV aufgeworfene Problem aufgreift: Viren verteilen sich auf Händen wesentlich weniger gleichmäßig als in einer Suspensionslösung. Erste praxisnahe Versuche auf den Händen zeigten, dass ein 60 %iger Alkohol im Händeversuch unwirksam gegen das murine Norovirus blieb, obwohl im Suspensionsversuch eine Reduktion um > 4 log10-Stufen nach 15 Sekunden mit und ohne Belastung nachweisbar war. Ähnliche Resultate für die Fläche wurden 2009 von Magulski et al. veröffentlicht.
Neuer Viruzidietest hoch relevant
Auch der neue Viruzidietest des Normentwurfs prEN 17430:2019 bewegt sich im Spektrum begrenzt viruzid PLUS und viruzid und wird mit murinen Noroviren durchgeführt. Details zum Testverfahren und der Referenz stellt Frau Priv.-Doz. Dr. Maren Eggers vom diagnostischen Labor Prof. G. Enders MVZ, Stuttgart, auf dem von Dr. Schumacher veranstalteten DGKH-Lunchsymposium vor. Da rund 74 % aller nosokomialen Ausbrüche auf Noroviren zurückgehen, ist ein zuverlässiger Schutz vor einer Übertragung im Klinikalltag hoch relevant. Praxisnah getestete Händedesinfektionsmittel bieten Anwendern und Patienten die Gewissheit, auch unter Alltagsbedingungen in der Klinik zuverlässig vor Erregerübertragungen geschützt zu sein.
Sporizidie am Point-of-Care
Eine besondere Herausforderung an die Infektionsprävention im Klinikalltag stellt sich bei der Versorgung von Patienten mit Clostridioides difficile. Die Grundlage einer sporiziden Dekontamination ist die hygienische Händedesinfektion zur Inaktivierung vegetativer Zellen. Anschließend werden die Sporen mechanisch beim Händewaschen entfernt. Da Waschbecken als potenzielles Keimreservoir zunehmend kritisch gesehen werden, kommt es immer öfter zu einer patientennahen Versorgung ohne Zugang zu Wasser. Nach Alternativen für die Entfernung von Sporen am Point-of-Care sucht Dr. Sebastian Werner. Der Facharzt für Hygiene und Umweltmedizin von der HygCen Germany, Schwerin, wird erste Ideen dazu in Zusammenhang mit seinem Sporizidie-Vortrag auf dem DGKH-Lunchsymposium präsentieren.