Logistik & Supply Chain

Pharma Supply Chain erhält größere Transparenz durch Blockchain

Blockchain Technologie hat Potenzial zu Automatisierungen in der Pharma Supply Chain

08.10.2019 -

Die Blockchain-Technologie ist insbesondere in 2017 aufgrund des Booms von Kryptowährungen, wie bspw. Bitcoin, ins Blickfeld der öffentlichen Wahrnehmung gedrungen. Nach dem Abschwung und abseits der Kryptowährungen rücken nun immer weitere Anwendungen dieser Technologie in den Vordergrund, die auch in der Pharmaindustrie ein breites Interesse geweckt haben.

Die Blockchain-Technologie beschreibt einen Sammelbegriff für verschiedene Lösungen eines dezentralen, verteilten Datenbanksystems, in dem die Transaktionsdaten, wie z. B. Absender, Empfänger und Zeitstempel von Produktlieferungen, in Blöcken abgespeichert werden.

Funktionsweise der Blockchain-Technologie
Diese Blöcke sind über sogenannte „Hashs“ identifizierbar und werden zu einer Blockchain verkettet. Die Transaktionen werden anschließend nahezu in Echtzeit über das dezentrale Netzwerk verteilt und synchronisiert. So erhält jeder Teilnehmer des Blockchain-Netzwerks die aktuellsten Transaktionsdaten sowie die gesamte Historie aller bisherigen Transaktionen, die in der Blockchain gespeichert wurden. Durch die dezentrale Verteilung und ständige Synchronisation der Daten können Manipulationen von einzelnen Netzwerkteilnehmern sofort identifiziert und eliminiert werden. Durch diese Unveränderlichkeit der Daten entsteht eine einzige Quelle der Wahrheit (Single source of truth), die für alle Netzwerkteilnehmer ständig verfügbar ist.

Potenziale der Blockchain-Technologie für die Pharma Supply Chain
Durch diese Funktionsweise ist die Blockchain-Technologie insbesondere für die Pharmaindustrie interessant. Diese Industrie ist mit zunehmenden gesetzlichen Regularien und Kundenanforderungen nach mehr Transparenz und Sicherheit in der Supply Chain von Pharmaprodukten konfrontiert. Mithilfe der Blockchain-Technologie können benötige Informationen schneller, sicherer und transparenter für andere Netzwerkteilnehmer zur Verfügung gestellt werden. Dadurch ergeben sich grundsätzlich folgende Möglichkeiten beim Einsatz in der Supply Chain:

  • Die auf der Blockchain gespeicherten Transaktionen bzw. Statusänderungen von Waren, wie das Event der Versendung oder die Änderung von produktbezogenen Informationen, wie das Hinzufügen von Temperaturdaten von Medikamenten, werden für alle partizipierenden Parteien, überall und innerhalb von Minuten aktualisiert. Die Blockchain-Technologie erzeugt somit eine erhöhte Sichtbarkeit in der Supply Chain.
  • Die Historie der Transaktionen in der Blockchain gewährleistet die Rückverfolgbarkeit aller vor- und nachgelagerten Supply Chain-Operationen bis hin zum Produktursprung. Durch die Unveränderlichkeit und Verfügbarkeit der Daten für alle Netzwerkteilnehmer wird Transparenz und Vertrauen zwischen den Akteuren der Supply Chain geschaffen. Auch die Echtheit von Medikamenten kann so für alle Parteien bis hin zum Patienten nachgewiesen werden.
  • Die Sichtbarkeit und Rückverfolgbarkeit sowie das dadurch gewonnene Vertrauen in der Supply Chain ist die Basis für die Implementierung sogenannter Smart Contracts. Diese lösen bei vordefinierten Events bestimmte Aktionen automatisch aus. Durch die einzige Quelle der Wahrheit der Blockchain-Technologie lassen sich so Prozesse automatisieren, welche die Übereinstimmung mehrerer Supply Chain-Akteure benötigen. Beispielsweise kann der bestätigte Liefernachweis eines Logistikunternehmens sofort eine automatische digitale Rechnungsstellung und Zahlungen über das Banksystem auslösen.

Die Blockchain-Technologie hat durch die schnelle Verfügbarkeit von verifizierten und unveränderlichen Daten das Potenzial eine rasche Entscheidungsfindung zu ermöglichen und die Basis für die Automatisierung von Prozessen in der Supply Chain herzustellen. Um dieses Potenzial exemplarisch zu erläutern, werden nachfolgend die Potenziale der Automatisierung eines Distributionsprozesse von temperaturgeführten Medikamenten in der Pharma Supply Chain erläutert und dargestellt.

Die Grafik zeigt, dass in einem aktuellen Distributionsprozess viele verschiedene Akteure und manuelle Schritte notwendig sind. So startet ein Mitarbeiter im Warenausgang (WA-Mitarbeiter) den Temperaturlogger, füllt Transportdokumente aus und informiert bspw. via E-Mail die entsprechenden Kollegen und Partnerunternehmen über den Warenausgang der Medikamente.
Während des Transports sammelt bspw. ein Temperaturlogger in vordefinierten Zeitabständen Temperaturdatenpunkte der Sendung, die anschließend beim Waren­eingang durch einen weiteren Mitarbeiter (WE-Mitarbeiter) bspw. per USB-Schnittstelle ausgelesen und an die Qualitätsabteilung des Warenversenders weitergeleitet werden. Nach der Evaluierung der Temperaturdaten durch die Qualitätsbeauftragten des Warenversenders werden die Medikamente freigegeben, sofern es keine Temperaturabweichungen gab.

Dies wird sowohl dem Mitarbeiter im Wareneingang, als auch der entsprechenden Logistik/Supply Chain Management-Abteilung (Logistik/SCM-Abteilung) mitgeteilt, die daraufhin die Rechnungsdokumente mitsamt den Transportdokumenten vorbereitet und an den Warenempfänger versendet. Der Warenempfänger bezahlt den Warensender sowie den Logistikdienstleister und schließlich wird die Ware im Lager eingelagert, das im Regelfall validiert ist und somit ein Temperaturmonitoring auf Produktebene entfällt.
In dem geschilderten temperaturgeführten Prozess lassen sich diverse Pain Points identifizieren. So ist im Warenausgang und –eingang das manuelle Handling analoger Dokumente, sowie ein ineffizienter Informationsfluss über mehrere Personen und Unternehmen zu nennen.

Weiterhin gibt es erhebliche Wartezeiten für die Freigabe der Waren aufgrund der fehlenden, zeitlichen Verfügbarkeit der Temperaturdaten, als auch für die Zusendung der Rechnung und deren Bezahlung. Zusätzlich ist noch die sicherheitskritische Möglichkeit zu nennen, den Temperaturlogger zu verwechseln oder bewusst auszutauschen.
Der, auf Basis der Blockchain Technologie, automatisierte Distributionsprozess adressiert die zuvor identifizierten Pain Points. So wird im Warenausgang das Produkt mit dem Temperaturlogger über die Blockchain gekoppelt und der Mitarbeiter trägt weitere notwendige Daten über den Transport ein, wenn dies nicht bereits über eine geeignete Schnittstelle automatisiert wurde. Beim Wareneingang werden die Temperaturdaten hochgeladen, in der Blockchain mit der digitalen ID des Produkts gekoppelt und auf Abweichungen untersucht. Gleichzeitig sind die Temperaturdaten der Sendung für die beteiligten Supply Chain-Akteure unmittelbar ersichtlich und erhöhen somit die Transparenz.

Wenn es keine Abweichungen gibt, kann ein erster Smart Contract in Kraft treten und eine Freigabe der Waren erteilen bzw. vorschlagen. Die Ware kann so schneller eingelagert und weiterverarbeitet werden. Dies löst direkt den zweiten Smart Contract aus, der ohne Umwege die Bezahlung der Waren und des Transports veranlasst. Auch bei Abweichungen können direkte Benachrichtigungen inklusive zugehöriger Temperaturdaten versendet werden, die anschließenden Entscheidungen beschleunigen und vorbereiten.
Grundsätzlich ist es auch denkbar, den Prozess z. B. über den Einsatz von Internet of Things (IoT)-Geräten und AutoID-Technologien weiter zu automatisieren. So könnte die Identifikation der Waren und das Auslesen der zugehörigen Temperaturdaten ohne WE-Mitarbeiter automatisiert über Bluetooth oder der Near Field Communication (NFC)-Technologie geschehen. Darüber hinaus lässt sich die Blockchain zu dem beschriebenen Distributionsprozess ebenfalls benutzen, um eine Fälschungssicherheit der Waren über die Supply Chain sicherzustellen. Ferner ist es denkbar, einen zusätzlichen Smart Contract zu implementieren, um den Logistikdienstleister zu sanktionieren, wenn Waren eine große Lieferverzögerung oder eine definierte Temperaturabweichung aufweisen.

Barrieren für Einsatz der Blockchain Technologie in der (Pharma) Supply Chain
Trotz der Potenziale gibt es auch bei der Einführung der Blockchain Technologie Hindernisse. Hier sind bspw. die Kosten für die Implementierung und Betreibung der Blockchain-Infrastruktur zu nennen, sowie die Sicherstellung der Datenverfügbarkeit und Inter­operabilität zwischen der Blockchain und weiteren IT-Systemen (z. B. Lagerverwaltungssystemen). Außerdem benötigt die Implementierung von Smart Contracts im Zusammenhang mit der Blockchain ein Vertrauen in die Supply Chain Partner. So muss ebenfalls festgelegt werden, welche Akteure der Supply Chain Zugriff auf welche Daten haben, die auf der Blockchain gespeichert sind, da diese möglicherweise einen Smart Contract auslösen können. Auch die automatisierte Evaluierung der Temperaturdaten von Medikamenten bedarf noch einer Validierung durch die regulativen Institutionen.
Zusammenfassend adressieren die Potenziale der Blockchain Technologie viele aktuelle Problemstellungen in der Pharma Supply Chain. Insbesondere als Fundament für eine gesteigerte Transparenz und Prozessautomatisierung mithilfe von Smart Contracts kann die neue Technologie einen Mehrwert für alle Supply Chain-Akteure und Patienten liefern

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