Verein 4.OPMC vernetzt Digitalisierung in Industrie und Wissenschaft
Industrieverein will Lösungen grundlegender Fragen der industriellen Entwicklung Deutschlands finden
Digitalisierung und schrittweiser Ausbau von Strukturen der Industrie 4.0 verändern die deutsche Wirtschaft. Das bedeutet auch tiefgehende Veränderungen in den Strukturen und Kooperationsketten der Industrie – und damit die Notwendigkeit, das politische und institutionelle Umfeld neu zu gestalten. Vor diesem Hintergrund erfolgte Ende Februar die Gründung einer neuen Organisation im Bereich der Industrie, der 4.OPMC. Die Abkürzung steht für: Open Production & Maintenance Community.
Mehr als 170 Teilnehmer aus der Industrie waren dabei, als am 20. Februar im Haus der Deutschen Wirtschaft in Berlin der 1. Vorsitzende Andreas Weber den Kick-off nutzte, um der Digitalisierung einen neuen Schub zu geben: “Es ist jetzt an der Zeit, dass wir nicht nur reden, sondern machen, sonst wird das nix mit 4.0!” Dass das Thema wirklich ein wichtiges ist, zeigte auch die Schirmherrin Dorothee Bär, Staatsministerin im Bundeskanzleramt für Digitalisierung, in Ihren Begrüßungsworten auf: “Die enge Zusammenarbeit zwischen Industrie, Politik sowie Wirtschaft für einen sinnvollen Ausbau digitaler Infrastruktur und die positive Entwicklung digitaler Wirtschaftsprozesse ist und bleibt ein hohes Ziel der Bundesregierung. Mit 4OPMC als branchenübergreifende Plattform arbeiten wir gemeinsam wegweisend und zukunftsorientiert.”
Zu den Aufgaben und Zielen des in Berlin und Essen ansässigen Vereins erklärte Vorstandsmitglied Jens Reichel, dass es dabei um nicht weniger als die Lösung grundlegender Fragen der industriellen Entwicklung Deutschlands in den nächsten Jahren ginge. „Künftig“, so Reichel, „werden der Nutzen des jeweiligen Produktes und seine individuelle Ausrichtung auf die Erwartungen des Endverbrauchers zunehmend die gesamte Wertschöpfungskette – vom Rohstoff bis zur Lieferung oder der Montage in der Wohnung des Bestellers – bestimmen. Die Folge: Produktionsanlagen müssen auf die Veränderung von Varianz, Version, Menge hin modifiziert werden.“
Smart Maintenance für Smart Factories
So fordert auch die Deutsche Akademie der Technikwissenschaft (acatech) in ihrem Positionspapier „Smart Maintenance für Smart Factories“ die Entwicklung von Kooperationsplattformen sowie eine bessere Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft, um zukunftsfähige Lösungen zu erarbeiten. Die deutsche Industrie verfügt – darin sind sich die Vereinsgründer sicher – über sehr gute Voraussetzungen, um sich diesen Herausforderungen zu stellen. Dazu gehört nicht zuletzt ein bereits hervorragend eingespieltes Netzwerk aus innerbetrieblichen Technik- und Instandhaltungsabteilungen, technischen Dienstleistungsunternehmen sowie Anlagenbauern und Ausrüstungsherstellern.
Andreas Weber führt dazu aus: „Die Partner, oft einfach unter der Bezeichnung Instandhaltung zusammengefasst, werden große Teile des anstehenden Transformationsprozesses tragen und gestalten. Damit bilden sie nichts weniger als einen wichtigen Sicherungsfaktor für den Produktionsstandort Deutschland. Wenn es uns nicht gelingt die Lösungen zu entwickeln und die Ressourcen zur Verfügung zu stellen, werden Produktionsanlagen ersetzt werden müssen – und neue Anlagen stehen immer im globalen Standortwettbewerb. Um diesen Sicherungsfaktor zu nutzen, bedarf es jedoch branchenübergreifend gemeinsamer Anstrengungen. Es gilt, die Vielzahl von anstehenden Themen zeitnah zu entwickeln und die Mitarbeiter in den Strukturen der Instandhaltung und in der Produktionssteuerung im notwendigen Umfang zu qualifizieren. Aufgabe des Vereins ist es dabei, die Themenfelder der Entwicklung gemeinsam zu identifizieren und die Umsetzung zu realisieren. Die Herausforderung liegt in Geschwindigkeit und Vielfalt von Themen, die kein Unternehmen – sei es auch noch so groß – allein stemmen kann.“
Neue Antworten zur Sicherung des Produktionsstandorts Deutschland
Eine zentrale Funktion des Vereins wird es sein, breite Gesellschaftsschichten für das Thema zu sensibilisieren. „Dazu gehört es auch, auf die notwendige Ausrichtung der Forschungsförderung hinzuwirken – und die technischen Voraussetzungen zu schaffen, um die benötigten Lösungen schnell und effizient umzusetzen.“, erläutert Reinhard Maaß als Vertreter des fachlichen Beirates im Vorstand des Vereins.
Für den Verein sehen die Gründer vier wesentliche Säulen, die als Träger fungieren sollen und wollen: Wirtschafts- und Fachverbände, Asset Owner in der Wirtschaft, Forschung und Lehre sowie Technologieanbieter. Innerhalb flexibler und speziell konzipierter Interaktionsgruppen findet dann die inhaltliche Vereinsarbeit statt. Neben der innovativen Organisationsstruktur – dem Ökosystem 4.OPMC – stellen die Bereiche Technologie-Scouting und Co-Innovation weitere Besonderheiten dar. Technische Entwicklungen, Trends und Produktneuheiten werden von zentraler Stelle aus gescreent, validiert und schließlich in aufbereiteter Form sämtlichen Mitgliedern zur Verfügung gestellt. Außerdem versteht sich der Verein als Inkubator, der Start-ups gezielt durch Praxiserfahrung und ein fundiertes Industrienetzwerk unterstützt. An einer Mitarbeit interessierte Unternehmen, Institutionen, Verbände und Einzelpersonen sind aufgerufen, sich mit den Vereinsgründern in Verbindung zu setzen und gemeinsam zu prüfen, wie sie dazu beitragen können, um den anstehenden Herausforderungen zu begegnen.
„Die Asset-Betreuung muss künftig ganzheitlich entlang der Wertschöpfungskette betrachtet werden.“, postuliert Michael Henke als Vertreter des wissenschaftlichen Beirates. „Deshalb wollen wir uns breit aufstellen und erwarten Anfragen und Angebote aus allen von uns genannten gesellschaftlichen Bereichen. Schließlich geht die Sicherung des Produktionsstandortes Deutschland alle an!“.
Wer zunächst nur von großen Namen angelockt wurde, freute sich nun nicht nur auf spannende Vorträge, sondern auch auf neue Chancen am Markt für das eigene Unternehmen. Die Interaktionsgruppen starteten ihre Arbeit am Nachmittag des Kickoff-Eventtags. Vorgeschaltet waren Vorträge und Diskussionsrunden u. a. von und mit Dorothee Bär (Staatsministerin für Digitalisierung), Dieter Kempf (Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie), Arnd Köfler (CTO und Vorstandsmitglied der Thyssenkrupp Steel Europe), Thomas Wessel (Personalvorstand und Arbeitsdirektor der Evonik Industries), Klaus Helmrich (Vorstandsmitglied der Siemens), Günther Schuh (Direktor des FIR an der RWTH Aachen), Ralph Appel (Direktor des VDI), Dorothee Strunz (geschäftsführende Gesellschafterin der Lamilux Heinrich Strunz Group und Mitglied der Unternehmerinitiative Hochfranken), Andreas Weber (erster Vorsitzender von 4.OPMC) und Jens Reichel (2. Vorsitzender von 4.OPMC).
Der Verein tritt an, seine fünf Kernthesen für die Zukunft der Digitalisierung in der Industrie einem breiten Publikum vom Standpunkt der Praktiker aus zu vermitteln:
- Wir müssen unsere Produktivität erhöhen, um im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähig zu bleiben!
- Wir müssen schneller werden in der Umsetzung von Digitalisierung und Prozessverbesserung!
- Wir müssen jetzt dem demografischen Wandel aktiv entgegentreten, ihn gestalten und unsere Fertigungsfähigkeit ausbauen!
- Keiner wird die höchstmögliche Umsetzungsgeschwindigkeit alleine erreichen!
- Wir müssen lernen, im Kerngeschäft kein Know-how abzugeben, aber bei der Prozessoptimierung und der Gestaltung von neuen Prozessen von und mit anderen zu profitieren!
Von bereits bestehenden Kooperationen ist abzuleiten, dass besonders die branchenübergreifende Zusammenarbeit Innovationen hervorbringt. Damit ist von diesem Event ein großer Schritt der Industrie in Richtung der digitalen Zukunft zu erwarten.