Dienstreisen in der EU – Ist die Freizügigkeit in Gefahr?
EU beschließt Reform der Entsenderichtlinie
Der Europäische Binnenmarkt beruht auf vier Freiheiten: Er ermöglicht den freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Kapital sowie die Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Die in den europäischen Verträgen verankerten Grundprinzipien der Arbeitnehmerfreizügigkeit und der Dienstleistungsfreiheit gewährleisten die Mobilität von Unternehmen und Arbeitnehmern innerhalb der Europäischen Union (EU). Das EU-Parlament hat im Mai 2018 mit großer Mehrheit die Reform der EU-Entsenderichtlinie verabschiedet. Danach sollen spätestens ab 2020 für entsandte Arbeitnehmer europaweit die gleichen Lohnbedingungen wie für einheimische Arbeitnehmer gelten.
Um Sozialdumping zu vermeiden, wurden bereits 1996 Schutzbestimmungen in die sogenannte Entsenderichtlinie aufgenommen, deren Durchführung im Jahr 2014 vereinheitlicht wurde. Die zulässige Dauer der Entsendung blieb in beiden Richtlinien ungeregelt. Gleichwohl erzeugt sie für die Unternehmen schon heute einen hohen bürokratischen Aufwand, der Entsendungen innerhalb des Unternehmens über Ländergrenzen hinweg unnötig erschwert. Bestes Beispiel sind Entsendungen nach Frankreich, bei denen Unternehmen schon heute vor einem Berg an administrativen Pflichten stehen. Nicht selten führen diese dazu, dass sich Unternehmen von dieser Idee verabschieden.
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am selben Ort
Mit den nun auf europäischer Ebene beschlossenen Änderungen an der Entsenderichtlinie wird die Freizügigkeit innerhalb der EU weiter erschwert. Arbeitnehmer, die in einen anderen EU-Mitgliedstaat entsendet werden, sollen schon vom ersten Tag an Anspruch auf die dortige Entlohnung erlangen, die gemäß nationalen Rechtsvorschriften und/oder für allgemein verbindlich erklärten Tarifverträgen vorgeschrieben sind. Dahinter steckt das Prinzip: gleicher Lohn für gleiche Arbeit am selben Ort. Dies gilt jedoch nur, wenn sie günstiger für den Arbeitnehmer sind.
Nach zwölf Monaten Entsendung muss sogar das gesamte Arbeitsrecht des Staates, in dem der Entsendete tätig ist, bis in alle Verästelungen angewandt werden. Damit soll verhindert werden, dass Vorteile aus der nach wie vor unterschiedlichen Wirtschaftskraft und damit auch den unterschiedlichen Entgeltniveaus innerhalb der EU gezogen werden. Es ist nun Aufgabe aller Mitgliedstaaten, diese Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Auch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat nun zwei Jahre Zeit, die entsprechenden Gesetze anzupassen.
Mehr Bürokratie bei Dienstreisen in der EU
Bevor ein Arbeitnehmer entsendet werden kann, bedarf es umfangreicher zusätzlicher Prüfungs- und Meldepflichten in jedem Staat, in den entsendet wird. Wenn aber in Zukunft fast jeder dienstliche Auslandsaufenthalt – Dienstreisen, Seminarteilnahmen, Trainings – eine umfangreiche Bürokratie auslöst, dann ist das eine massive Behinderung der grenzüberschreitenden Tätigkeit und der Freizügigkeit in der Europäischen Union. Das kann mit einer Bekämpfung von Sozialdumping nicht gemeint sein.
Vielmehr müssen die EU-Mitgliedstaaten – also auch Deutschland – die neue Entsenderichtlinie so umsetzen, dass die Freizügigkeit nicht unnötig erschwert oder sogar verhindert wird. Dienstliche Reisen in EU-Mitgliedstaaten zum Zweck der Teilnahme an Meetings, Kongressen, Trainings- und Qualifikationsmaßnahmen können keinen Anspruch auf „das gleiche Entgelt“ auslösen, denn ein Dumping zu Lasten inländischer Arbeitnehmer droht in keinem Fall. EU-Auslandsaufenthalte dieser Art sollten in den jeweiligen Mitgliedstaaten auch keine aufwändigen Prüfungs- und Meldepflichten auslösen, um das „vergleichbare Entgelt“ feststellen zu können. Das geht am Sinn und Zweck der neuen Entsenderichtlinie – Verhinderung von Sozialdumping – meilenweit vorbei.
Die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist ein Grundpfeiler des europäischen Binnenmarkts. Gleichzeitig ist es erklärtes Ziel der Staatengemeinschaft, die Mobilität ihrer Bürger innerhalb Europas zu fördern. Sollten dienstliche Kurzaufenthalte im europäischen Ausland künftig durch neue bürokratische Auflagen erschwert werden, wird dieses Vorhaben ad absurdum geführt. In Gesprächen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und den Abgeordneten des Deutschen Bundestages setzen wir uns daher für eine praktikable Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht ein. Für Unternehmen am Standort Deutschland wird allerdings vieles auch davon abhängen, wie die anderen EU-Mitgliedsstaaten, in welche die Entsendungen erfolgen, die Richtlinie umsetzen. Mit einem neuen Flickenteppich an Regelungen wäre den Unternehmen in Deutschlands letztlich auch nicht geholfen.