Erfahrungen aus einer Brandkatastrophe
ACC BEKU-Geschäftsführerin Sabrina Kunz über die Bedeutung präventiver Krisenkommunikation
Als Sabrina Kunz am 8. Februar 2017 morgens um 6 Uhr an ihr Fenster trat, kam die böse Überraschung hart und unvorbereitet: Ihr Produktionsbetrieb für chemische Spezialerzeugnisse in Edenkoben stand in Flammen, über 170 Feuerwehrleute und Einsatzkräfte waren schon vor Ort. 1922 als Chemische Fabrik der Gebr. Kunz in Oggersheim/Pfalz gegründet, 1989 Beginn der Lohnherstellung und -abfüllung brennbarer Flüssigkeiten, 1997 von Matthias und Sabrina Kunz in dritter Generation übernommen und in ACC BEKU - Herstellung und Vertrieb chemischer Spezialerzeugnisse umbenannt, 2008 mit dem neuen Standort in Edenkoben ausgebaut, 2017 abgebrannt. In den letzten Jahren wollten sich die Eigentümer und Geschäftsführer immer wieder mit Krisenkommunikation beschäftigen, aber andere Prioritäten verdrängten das Thema. Und jetzt das! Das Interview Dr. Hans-Georg Klose befragte Sabrina Kunz im Auftrag von CHEManager.
CHEManager: Frau Kunz, da brannte Ihr Lebenswerk und Sie mussten einfach nur zusehen. Was passiert da mit einem, wie geht es Kopf und Bauch in so einem Moment?
S. Kunz: Das kann man nur schwer beschreiben. Aber zu allererst denkt man an die Mitarbeiter und dass keinem was passiert ist. Dann geht es um die akute Kommunikation mit den Einsatzkräften, die ein Übergreifen der Flammen auf ein Gefahrstofflager verhindern konnten. Tausend Sachen stürmen auf einmal auf einen ein: Sind alle in Sicherheit? Abbrennen lassen oder um jeden Preis löschen? Was kann, was muss gesichert werden? Kripobeamte befragten Mitarbeiter, Sachverständige wurden beauftragt, Versicherung, Banken und Kunden meldeten sich. Man ist im Krisenmodus und hat Unmengen Adrenalin im Blut.
Sie scheinen das Krisenmanagement aber schnell in den Griff bekommen zu haben?
S. Kunz: Krise ist Chefsache, das kann man nicht delegieren. Mein Mann und ich haben sofort eine Arbeitsteilung verabredet und ich hatte den kommunikativen Part. Auch da geht es zunächst um die Mitarbeiter, die alle schauen, wie die Chefs mit dieser Situation umgehen. Da war ein Teil unseres Lebenswerkes in Flammen aufgegangen, aber wir haben keine Sekunde gezweifelt, dass es weitergeht. Und dann legt man eben los und kommt tagelang nicht zur Ruhe.
„Macht Eure Hausaufgaben vorher und wartet nicht auf den Tag X!“
Was raten Sie anderen Unternehmen?
S. Kunz: Macht Eure Hausaufgaben vorher und wartet nicht auf den Tag X! Wir waren komplett unvorbereitet und haben an der einen oder anderen Stelle auch Lehrgeld zahlen müssen. Dabei ist Krisenkommunikation kein Hexenwerk, es muss nur vor der Krise aufgebaut und mit vielen kleinen Hilfsmitteln gefüttert werden: Mailverteiler, Telefonnummern, Checklisten…, all das muss in der Schublade liegen und sofort verfügbar sein. Auch Radio-Interviews und TV-Auftritte kann man üben, das senkt im Ernstfall den Blutdruck und vereinfacht auch die Kommunikation mit den Journalisten, den Nachbarn oder dem Bürgermeister. Am Tag des Unfalls hatten wir um 8 Uhr die erste und zwei Stunden später die zweite Pressekonferenz, gemeinsam mit Bürgermeistern, der Landrätin und der Feuerwehr. Das geht alles rasend schnell und wenn sie plötzlich neben Profis sitzen und von Profis befragt werden, dann muss jeder Satz glaubhaft und authentisch sein.
Wie lange dauert es bis wieder Normalität eintritt?
S. Kunz: Der Ausnahmezustand hält lange an und man kümmert sich um tausend Dinge gleichzeitig. Nachdem unser Server erstmal gesichert war, sind wir durchgestartet und haben einen Live-Ticker im Internet eingerichtet. Da erkennt man sehr gut, um was man sich plötzlich alles kümmern muss: Hochfahren der Ersatzproduktion an unserem zweiten Standort in Hassloch, Abriss und Neuaufbau in Edenkoben, Maschinen bestellen, koordinieren, telefonieren, nach vorne marschieren. Diese Krise ist ein Marathonlauf über voraussichtlich zwei Jahre und kein Sprint, der in wenigen Wochen einfach wieder vorbei ist.
Kennen Sie denn mittlerweile die Ursache des Feuers?
S. Kunz: Die Ermittlungen dauern an. Das mutmaßlich brandverursachende Aggregat wurde schon zwei Tage später mit einem Bagger freigelegt und von der Kriminalpolizei untersucht. Die Ergebnisse hierzu liegen noch nicht vor. Aber wir produzieren wieder und unsere Kunden sind uns treu geblieben. Ein größeres Kompliment kann man der ganzen Mannschaft gar nicht machen. Und jetzt können wir alle noch klarer unserem Motto folgen: Erfahrung macht den Unterschied. Und um präventive Krisenkommunikation kümmern wir uns jetzt auch!
Neben klassischen Chemieunfällen sind es immer stärker Themen wie Compliance oder Social Media, die einer Organisation ohne Krisenmanagement klare Grenzen aufzeigen. Die Teilnehmer des Praxisforums lernen von Kollegen anderer Firmen, können sich austauschen und vernetzen sowie die Instrumente eines präventiven Krisenmanagements kennen- und anwenden lernen.
Datum: 28.11. - 29.11.2017
Ort: Dechema-Haus, Frankfurt am Main
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