Forschung & Innovation

Up-Cycling von vollfluorierten Polymeren

Dyneon betreibt die weltweit erste Pilotanlage zum Up-Cycling von vollfluorierten Polymeren

19.09.2017 -

Das Pilotprojekt ermöglicht effizientere Produktionsprozesse und reduziert  die Notwendigkeit von Bergbau unter Einsatz von Chemikalien sowie Schwertransporte und den Energiebedarf der Industrien.

Fluorpolymere sind als Hochleistungspolymere für anspruchsvolle Anwendungen aus unserem täglichen Leben, sowie in Schlüsselanwendungen der Industrie und bei Verbrauchsgütern nicht mehr wegzudenken. Für ihre Herstellung werden große Mengen an Energie und Rohstoffressourcen verbraucht, was sich auch in den hohen Materialpreisen abbildet. Eine bereits etablierte Recycling-Industrie stellt sicher, dass ein großer Teil der Abfälle entlang der Wertschöpfungskette erfasst und nach physikalischer Aufarbeitung für weitere selektierte Anwendungen zur Verfügung steht.
Doch was geschieht mit den übrigen Abfällen und den Fluorpolymer-Produkten, nachdem sie das Ende ihres Lebenszyklus erreicht haben? Dyneon hat sich dieser Frage gestellt und in Kooperation mit der Universität Bayreuth und InVerTec in einem durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt geförderten Projekt ein Verfahren entwickelt, das diese End-of-­Life-Produkte mit hohem Umwandlungsgrad in Neuprodukte ohne Qualitätsverlust überführen kann. Seit März 2015 betreibt Dyneon die weltweit erste Pilotanlage zum Recycling von vollfluorierten Polymeren in Burgkirchen im Chemiepark Gendorf.

Vom Abfall zum wertvollen Rohstoff
Lange Zeit war das werkstoffliche Recycling von Produkten, die aus PTFE, PFA oder FEP hergestellt waren, völlig ausgeschlossen. Hierzu zählen bspw. die PTFE-Rohrauskleidungen in Chemieanlagen oder alle anderen Anlagenkomponenten aus diesen Werkstoffen, seien es Pumpen, Behälterauskleidungen, Dichtungen, Schläuche, Kompensatoren oder viele weitere Fluorkunststoff-Komponenten und -Systeme. Eine Trendwende brachte das Dyneon Up-Cyc­ling Verfahren, das eine Wiederverwertung von Bauteilen ermöglicht, für die es bis dato keine Recycling-Möglichkeit gab.

Up-Cycling – Der Prozessablauf
Im Gegensatz zu den herkömmlichen Recyc­ling Verfahren für Fluorkunststoffe steht am Ende des innovativen Up-Cycling Prozesses nicht die Herstellung eines Recyclates, sondern die eines Rohstoffes. In der Fluorpolymerwelt werden diese Rohstoffe, die noch keinen Verarbeitungsprozess durchlaufen haben und nicht mit Zusatzstoffen verschnitten wurden, auch als ‚virginales‘ PTFE, PFA oder FEP bezeichnet.
Um den Fluorpolymer-Kreislauf zu schließen nutzt Dyneon das Verfahren der Pyrolyse: Bei der Zersetzung der vollfluorierten Polymere werden gasförmige Monomere zurückgewonnen, die im ersten Schritt aufgereinigt und anschließend wieder der Produktion zugeführt werden. Die Qualität wird in keinster Weise beeinträchtigt, daher wird der Prozess als „Up-Cycling“ bezeichnet. Die Up-Cycling-Anlage in Burgkirchen ist darauf ausgelegt, bis zu 500 t Fluorpolymerabfall pro Jahr aufzubereiten und soll dabei helfen, das Konzept in Zukunft noch weiterzuentwickeln.
In dem Hochtemperatur-Recyclingverfahren werden die vollfluorierten Polymere, bevorzugt Produkte nach dem Ende ihres Lebenszyklus, nach Durchlaufen einer Zerkleinerungsstufe bei Temperaturen über 600 °C in ihre Monomere zurückgespalten. Dies sind dieselben chemischen Bausteine, aus denen die Polymere bei Ihrer Herstellung produziert worden sind. Hauptsächlich entstehen bei der sogenannten Pyrolyse Tetrafluorethylen (TFE) und Hexafluorpropylen (HFP), wobei die Wiedergewinnungsrate 90 – 95 % beträgt. Dieses Gasgemisch wird dann in den Reinigungstrakt der Monomeranlage eingespeist und zusammen mit dem Rohgas der ‚normalen‘ Monomerproduktion destillativ aufgereinigt. Das Hauptprodukt der Monomersynthese, TFE, wird dabei mit einer 6-Neuner-Reinheit gewonnen, es enthält also 99,9999 % TFE. Daher unterscheiden sich die Folgeprodukte, unabhängig ob es sich hierbei um PTFE-Produkte, Fluorthermoplaste oder Elastomere handelt, in keiner Weise von den Ausgangswerkstoffen. Deshalb eignet sich für dieses Verfahren nicht die Bezeichnung „Recycling“, sondern es wird zu Recht als „Up-Cycling“ Prozess bezeichnet: Produkte nach dem Erreichen des Endes ihres Lebenszyklus werden in Neuprodukte überführt.

Einsparung wertvoller Ressourcen
Die Herstellung der TFE/HFP-Monomere erfordert große Mengen an Energie. Bis zu 12.000 kWh/ t TFE sind erforderlich, verbunden mit einem hohen Ausstoß an CO2  bei der Energieerzeugung. Durch die Produktion von TFE mit dem Up-Cyc­ling-Verfahren kann bis zu 75 % Energie gegenüber der herkömmlichen TFE-Produktion eingespart werden.
Als wichtige Rohstoffe werden Flusspat, CaF2, Chlor und Schwefelsäure benötigt, während auf der Abfallseite, Gips und Salzsäure anfallen. Bei der Monomerherstellung nach dem Hochtemperatur-Pyrolyseverfahren aus gebrauchten PFP-Produkten werden die Ressourcen entsprechend geschont und die Umwelt entlastet.

Neue Möglichkeiten auch für Verarbeiter von Fluorpolymeren
Etwa 15 Jahre waren nötig, um von der Verfahrens- und Technologieentwicklung über den Bau der Anlage bis zu ihrer Inbetriebnahme zu gelangen. Das Ergebnis ist ein einzigartiges Projekt, das eine Vielzahl von ökonomischen und ökologischen Notwendigkeiten adressiert. Neben den bereits genannten Vorteilen bietet Up-Cycling zudem die Möglichkeit, sowohl Abfallströme als auch CO2-Emissionen zu reduzieren und der steigenden Nachfrage nach Flussspat als Grundlage für Produktionsprozesse zu begegnen.
Wenngleich das Recycling von Produktionsabfällen der PTFE-, PFA- und FEP-Verarbeitung nach erprobten Verfahren durch etablierte Firmen erfolgreich durchgeführt wird, so bestehen doch auch in diesem Bereich Pro­blemfälle, für die es bisher keine sinnvolle oder technisch machbare Lösung gibt. Hierzu zählen insbesondere die PTFE-Compounds, also Werkstoffe, bei denen die Flourpolymere noch zusätzlich Füllstoffe enthalten. Typische Füllstoffe in diesem Bereich sind Glasfasern, Glaskugeln, Kohle, Graphit und Ruß. Auch in den Fällen, in denen bisher technisch ein Recycling möglich wäre, scheiterte zumeist die Umsetzung an der fehlenden Möglichkeit, Recyclate, mit den bekannten Nachteilen, wegen fehlender Akzeptanz beim Endabnehmer wieder in den Markt zurückzuführen.
Das Up-Cycling ist aber nur so gut wie die vorgeschaltete Fraktionierung der Abfallströme, d. h. die möglichst sortenreine Trennung von verschiedenen Abfallströmen. So muss z. B. ein PTFE-Compound mit Kohlefaser als Zuschlagstoff von einem PTFE-Compound mit Glasfaser getrennt werden, da nicht beide Fraktionen zum gleichzeitigen Up-Cyc­ling geeignet sind. Demgegenüber muss ein unverschnittenes PFA nicht von einem unverschnittenen FEP getrennt werden. Ein unverschnittenes PTFE muss ebenfalls nicht von einem unverschnittenen TFM getrennt werden. Hier sind enge Abstimmungen mit den Zulieferern der Abfallströme erforderlich.
Der weltweite Verbrauch an vollfluorierten Rohstoffen dieser Problemkategorie beträgt derzeit ca. 25.000 t pro Jahr. Während sich die Press-Sinterverarbeitung der PTFE-Compounds als sehr abfallintensiv darstellt, eine Abfallquote bis 75 % ist keine Seltenheit, können Fluorthermoplast Compounds mit weit geringerem Abfallanteil verarbeitet werden. Zusammengenommen beträgt der jährlich über die Deponie entsorgte Compoundabfall deshalb, grob geschätzt, ca. 10–12.000 t.



Fazit
Mit dem neuen Up-Cycling Verfahren bietet 3M inzwischen die Möglichkeit, den Werkstoffkreislauf der vollfluorierten Polymere vollständig zu schließen. Endlich können auch Bauteile nach Erreichen des Endes ihres Lebenszyklus sowie Problemabfälle in der Wertschöpfungskette mit hohem Umwandlungsgrad in Monomere zurückgeführt werden. Für die daraus erneut hergestellten Fluorpolymerprodukte müssen keine Qualitätseinbußen in Kauf genommen werden.
Die Erfassung der Wertstoffe, ihre Aufbereitung und das Up-Cycling zu neuen Originalprodukten erfordert die enge Zusammenarbeit zwischen allen involvierten Geschäftspartnern. Dyneon ist hier nicht nur technologisch, sondern auch im Hinblick auf eine unternehmensübergreifende Vernetzung seiner Zeit weit voraus.

Weitere Informationen zum Thema Up-Cycling finden Sie unter: www.dyneon.eu/up-cycling

Projektförderung

Das Projekt wurde von der DBU, der Deutschen Bundesstiftung Umwelt und dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit gefördert. Projektpartner waren die Universität Bayreuth und InVerTec.


Treffen der VDI-Regionalgruppe Bayerisches Chemiedreieck
Dieser Artikel beruht auf Beiträgen zum 24. Treffen der VDI-Regionalgruppe Bayerisches Chemiedreieck. Das nächste Treffen der Regionalgruppe findet am 24.10.2017 statt.
Informationen und Termine aller Regionalgruppen: www.vdi.de/gvc/bi
Gerhard Bauer, Wacker Chemie,
Burghausen, gerhard.bauer@wacker.com


8. Jahrestreffen der Betriebsingenieure
Am 10. November 2017 findet das 8. Jahrestreffen der Betriebsingenieure in Frankfurt/Main statt. Die Vorträge und Diskussionen unter dem Motto „Trends, Konzepte, Praxislösungen in einer digitalen Welt“ thematisieren aktuelle Herausforderungen und typische Aufgabenstellungen. Mit der Zielsetzung “Von Betriebsingenieuren für Betriebsingenieure“ bietet das Programm neben den Kontaktmöglichkeiten praktische Hilfestellungen zu folgenden Themenschwerpunkten:
• Digital Maintenance und Digital Production
• Nutzen der Digitalisierung – Beispiele aus dem betrieblichen Alltag
• Messtechnik und Vernetzung in der Prozessindustrie
• Möglichkeiten des Laserscannings in Bestandsanlagen
• Gleitringdichtungen – Technologie heute
• Keep the water out – Vermeidung von Korrosion unter Isolierungen
• Multikopter-Inspektion

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