Sauber und gesund
Hygieneanforderungen an die Herstellung von Medizinprodukten
Mit Krankheitskeimen kontaminierte Medizinprodukte können Infektionen bei Patienten verursachen. Daher setzt die Anwendung solcher Medizinprodukte voraus, dass die Chargen eine Aufbereitung durchlaufen, an die definierte Hygiene-Anforderungen zu stellen sind.
In der Medizintechnik-Branche hat die Bedeutung von Hygienekonzepten und ausgefeilten -strategien für die Produktion in den vergangenen Jahren zugenommen: Neue Technologien ermöglichen die Herstellung von Produkten in nie dagewesener Qualität und Reinheit. Dem trägt der Leitfaden zur guten Herstellungspraxis für Arzneimittel und Wirkstoffe, bzw. der GMP-Leitfaden, Rechnung, um eine unsachgemäße Handhabung während der Produktion zu unterbinden, die dem Patienten Schaden zufügen kann. Die Regularien stützen sich auf verschiedene Dokumente und Verordnungen, Staatsverträge, europäische Richtlinien, Auslegungen dieser Richtlinien und harmonisierte internationale Normen und sollen insbesondere sicherstellen, dass die Produkte grundlegende Anforderungen bezüglich Leistung und Sicherheit erfüllen. Diese Regulierung ermöglicht den freien Verkehr von Medizinprodukten in Europa. So werden die Interessen aller geschützt, beim fairen Handel unter Herstellerfirmen, unter professionellen Anwendern (Krankenhäusern) und Behörden, die spezifische Aufgaben erfüllen, um Patienten und Dritte vor Gefährdung und Täuschung zu schützen. Gleichzeitig steigt mit dem Aufwand für die Hygiene auch ihr Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit des Betriebs.
Hygienerisiken
Nach wie vor sind Infektionen ein Problem in der orthopädischen Chirurgie. Veränderte Operationsverfahren, Hygienemassnahmen, neue Antibiotika-beschichtete Prothesen oder eine vorbeugende Gabe von Antibiotika vor der Operation ließen die Infektionsraten in den vergangenen Jahren zwar deutlich sinken. Aber noch immer sind tief ins Gewebe reichende Operationsinfekte an der Tagesordnung. Krankheitserreger wie Strepto- und Staphylokokken verursachen dabei schwere Infektionen. Auf der Oberfläche eines Implantats haftend sind die Keime dann beinahe unangreifbar: Sie schützen sich durch eine Schleimschicht und lassen sich mit Antibiotika kaum mehr abtöten. Die Keime können bereits direkt nach der OP eine Infektion verursachen – oder auch erst viele Jahre später. Letztlich verbleibt dann oft nur, das Implantat wieder zu entfernen. Daher gehört es zu den wichtigsten Aufgaben der bereitstehenden Hygiene-Fachleute, die Chargen von der Produktion bis hin zum Einsatz (Injektion, Implantation) möglichst keimfrei zu halten.
Verunreinigungen bilden sich vor allem an Oberflächen, Anlagen und Geräten. Im Reinraum findet man entsprechend Raumkontaminationen am Boden, an den Wänden, der Decke und am Fenster, in der Luft, den Werkzeugen und an den Ausgangsmaterialien.
Tab. 1: Keimspektrum bei Umgebungskontrollen. Bei Grenzwertüberschreitungen sollten die verschiedenen Erreger identifiziert werden. (Nach Schicht et al., GMP-Berater Reinraum)
Verunreinigungen und Keimquellen
Woher stammen diese Verunreinigungen? Gerade die Partikelfreisetzung durch den Menschen ist besonders hoch: Bei leichter Aktivität beträgt der Partikeleintrag in die Umgebung über 500.000 Partikel/min, beim Niesen werden sogar bis zu eine Million Keime in die Luft geschleudert. Auch auf der Haut des Mensch befinden sich ca. 1 Billion (1013) Bakterien. Diese können sich bei entsprechenden Bedingungen wie hohe Feuchtigkeit, Wärme, Nährstoffangebot Bakterien sehr schnell vermehren: Aus einer Bakterie kann innerhalb von 10 Stunden ein Rasen mit über 10 Mrd. entstehen. Daher bestehen hohe Anforderungen an das Verhalten des Personals in Schleuse und Reinraum; es werden Vorschriften für das Ein- und Ausschleusen von Material, die persönliche Hygiene und die Reinigung des Personals sowie Zonen-Abgrenzungen erlassen.
Im Rahmen eines Monitorings sollten Keime zumindest bei Grenzwertüberschreitungen identifiziert werden. Ein Keimspektrum bei Umgebungskontrollen liefert Hinweise auf die Herkunft und Art der Keime, z. B. auf problematische Sporenbildner.
Besonders problematisch in der Produktion von Medizinprodukten sind folgende Keime:
- Microkokkus luteus, der normalerweise zur Hautflora des Menschen gehört und dort ca. 30 % der gefundenen Keime ausmacht. Er ist ein typischer Luftkeim und bildet auf Nährböden oft gelbe Kolonien.
- Staphylokokkus ist ein typischer Keim der menschlichen Haut und Schleimhaut.
- Bacillen sind gram-positive, große Stäbchen und Sporenbildner, die vor allem am Boden vorkommen.
Um die Qualität der Produkte zu garantieren, ist eine hygienische Produktionsumgebung gemäss den gesetzlichen Regularien unabdingbar. Medizinprodukte, die mit den oben genannten Krankheitserregern oder mit Partikeln kontaminiert sind, können eine Quelle von Infektionen und Entzündungen beim Menschen sein. Daneben können auch Partikel und Ölfilme, die während der Produktion auf das Implantat gelangen, folgenschwere Entzündungen auslösen.
Daher muss bei unsachgemässer Behandlung und einer damit einhergehenden Verkeimung bzw. Verunreinigung der Produkte das Hygienekonzept gründlich überarbeitet und eine Reinigungsvalidierung durchgeführt werden. Eventuell sollte das Personal nachgeschult werden. Dieses Gesamtkonzept mit den erforderlichen Maßnahmen muss während des gesamten Herstellungs- und Behandlungsprozesses optimiert sein, da sonst der Gesamterfolg gefährdet ist. Dabei sollten das Produkt und der gesamte Herstellungsprozess im Mittelpunkt stehen – nicht die einzelne Maschine oder die verfügbare Technologie.
Trending
Potentielle Schwachstellen im Hygienekonzept des Herstellers lassen sich durch Trending feststellen. Dazu erstellt man ein graphisches Schema der gesammelten Daten über eine bestimmte Zeitspanne, wobei immer fünf Einzelwerte zusammengefasst werden. Dies kann Trends bei der Verkeimung frühzeitig anzeigen. Das Trending sollte nicht nur die Konzentration der Keime anzeigen, sondern auch in Bezug auf die isolierten Keimarten vorgenommen werden. So können rechtzeitig Korrekturmassnahmen eingeleitet werden [1], denn Grenzwertüberschreitungen oder gar eine Kontamination des Produkts können auf diese Weise oftmals im Vorfeld abgewendet werden.
Vor dem Beginn der Produktion muss das Personal auf seine Aufgaben, bspw. das Bekleidungsprozedere oder den Wechsel der Arbeitskleidung bei auftretenden Kontaminationen in Reinräumen, gut vorbereitet sein. Dazu sind Schulungen durchzuführen, Hygiene- und Reinigungspläne zu erstellen und ihre Umsetzung ist zu protokollieren. Die Mitarbeiter in Reinräumen sollten z. B. alle hektischen und schnellen Bewegungen unterlassen, damit es in der Luft nicht zu kleinen Verwirbelungen kommt, was wiederum zu Anhäufungen von Partikeln auf dem Boden führen kann. Auch eine Gesundheitsüberwachung der Mitarbeitenden, die Personalhygiene mit Händewaschen und Desinfektion, Ess- und Trink- und Schmuckverbot im Reinraum sind vorgeschrieben. Je nach Reinraumklasse sind verschiedene Bekleidungselemente vorgeschrieben. In Produktionsräumen der Klasse ISO 8 (100.000 Partikel/min), die bei der Fertigung im Medizinproduktebereich üblich sind, sind neben Handschuhen ein Schutzanzug, Mundschutz, eine Kopfhaube und Sicherheitsüberschuhe erforderlich.
GMP
Die Maßnahmen gegen Schmutz und Bakterien, um das Hygienerisiko zu minimieren, ergeben sich im Wesentlichen aus den gesetzlichen Vorgaben zum Schutz von Patienten und Personal. Die anwendbaren Richtlinien und Vorgaben hängen von der Art und dem Verwendungszweck des Produktes ab. Rein formal unterliegen Medizinprodukte nicht den GMP-Richtlinien. Allerdings orientieren sich die meisten Auditoren an den GMP-Richtlinien als Stand der Technik. Bei der Überprüfung fokussieren sie sich auf die etablierten Verfahren des jeweiligen Unternehmens, die im Rahmen eines etablierten Qualitätsmanagementsystems stets die erforderliche hohe Qualität zu gewährleisten haben, die es nach den Regularien braucht. Auch eine Produktion von Medizinprodukten im Reinraum wird durch die Regularien nicht explizit gefordert, aber die Produktanforderungen an zu sterilisierende Produkte sind nur bei einer Produktion im Reinraum zu erreichen. Daher werden Medizinprodukte in der Regel in Reinräumen der Klasse D, also ISO 8 produziert und verpackt.
Zu den Regularien zählen Arbeitskleidungsvorschriften, die richtige Reinigung des Reinraums und bauliche Massnahmen, die ein Zonenkonzept umfassen. Denn es ist nur dann möglich, den gewünschten Reinheitsgrad im Reinraum zu erreichen, wenn man die entsprechende Schutzkleidung verwendet, die Fertigungsbereiche in Zonen unterteilt und voneinander abgrenzt und entsprechende Lüftungssysteme einsetzt.
Tab. 2: Reinraumnomenklatur: Der Reinraumstandard ISO 14644 1 bis 9 bezieht sich auf die Reinheit der Raumluft. Die GMP-Reinraumklassifikation für die Pharmaindustrie unterteilt nach dem EU-GMP-Leitfaden Reinräume für septische und aseptische Abfüllung in die Klassen A–D.
Produktionshygiene: Reinigung und Desinfektion
Die systematische Reinigung, Desinfektion und Sterilisation der Umgebung und der Geräte auf der Grundlage eines etablierten Hygienekonzepts ist eine wichtige Voraussetzung für die Vermeidung von Risiken – für Patienten, Behandlungsteams und Personal. Zur Produktionshygiene gehört es, das Reinigungsprozedere mit den richtigen Reinigungsmitteln durchzuführen und mehrere Desinfektionsmittel im Wechsel zu verwenden, um eine Resistenzentwicklung der Bakterien zu verhindern. Für Notfälle ist ein Ersatzdesinfektionsmittel gegen Bakteriensporen bereitzuhalten. Auch regelmäßige mikrobiologische Kontrollen gehören zum Hygieneplan.
Bei der abschliessenden Reinraumvalidierung wird nicht nur auf Wirksubstanzrückstände, sondern auch auf Detergentienrückstände und den mikrobiologischen Statur hin überprüft. Nicht mehr als ein Promille der minimalen Tagesdosis des Vorproduktes sollte im Rückstand zu finden sein. Die Einzelschritte umfassen eine sachgerechte Vorbereitung der verwendeten Medizinprodukte und ihren sicheren Transport zum Ort der Fertigung, die Reinigung, Desinfektion, Spülung und Trocknung, die Prüfung auf Sauberkeit und Materialunversehrtheit, die Funktionsprüfung sowie die Identifikation und Kennzeichnung, sowie das Verpacken und die Sterilisation.
Raumdekontamination
Die Reinigung und Desinfektion der Räume erfolgt gemäss Reinigungsvorschriften für Räume und Anlagen anhand vorgegebener Reinigungsprotokolle. Die Reinigung der Oberflächen dient einer Reduzierung der Keimzahlen und bewirkt eine bis zu 90%ige Keimreduktion. Dabei werden Reinigungsverfahren für Oberflächen in Reinräumen durch Kombination optimierter Wischverfahren zur Beseitigung partikulärer Kontamination, filmischer Beschmutzung, wie Fette und Silikonöl, und Kombinationsbeschmutzungen eingesetzt. Neben dem richtigen Desinfektionsmittel bestimmen auch die Methode und die eingesetzten Gerätschaften über den Erfolg einer Oberflächen-Desinfektion. Besonders bei hartnäckigem filmischem Schmutz ist eine vollständige Entfernung auf glatten Oberflachen z. B. nur durch Wischbehandlungen mit 80%igem Propanol, Mehrwegwischtüchern und leicht erhöhtem Anpressdruck möglich. Angetrocknete und ältere Verschmutzungen erfordern eine höhere Reinigungsmechanik.
Im Sterilbereich sollten nur sterile Desinfektionsmittel eingesetzt werden, im normalen Fertigungsbereich sind keimfiltrierte Reinigungsmittel ausreichend. Neben dem richtigen Desinfektionsmittel bestimmen auch die eingesetzten Gerätschaften über den Erfolg einer Desinfektion, angefangen bei professionellen Systemwagen für die Wischdesinfektion grosser Flächen bis hin zu handlichen Sprühflaschen zum Besprühen kleinerer Flächen.
In regelmässigen Abständen sollte ein Reinraum dekontaminiert werden. Unter einer Raumdekontamination versteht man die Desinfektion aller in einem umschlossenen Raum befindlichen Oberflächen und der Raumluft. Sie erfolgt in Abwesenheit des Personals durch Vernebeln mit der H2O2-Technologie. Voraussetzung ist, dass das Raumklima und die Desinfektionsbedingungen streng kontrolliert und über die gesamte Einwirkzeit eingehalten werden, z. B. die Temperatur von Luft und Umschließungsflächen, Luftfeuchte sowie der H2O2-Gehalt der Raumluft.
Reinluft
Reinluft wird mithilfe von Luftfiltern erzeugt. Dabei wird die Außenluft durch mehrere Filtersysteme angesaugt und erwärmt, um sie zu entfeuchten. Die so aufbereitete Reinluft wird über HEPA-Filter in den Reinraum eingeblasen. Entsprechend der Reinraumanforderungen werden geeignete Luftfiltersysteme installiert. Luftfilter können zu einem Problem für den Betrieb der Reinraum-Anlage werden, wenn sie nicht rechtzeitig gewechselt werden. Bei einem Filterintegritätstest werden entsprechend der gültigen Normen und Vorschriften mit Hilfe eines Partikelzählers in regelmässigen Abständen (jährlich) vertikal und horizontal die endständigen Filter auf Filterlecks hin geprüft, um einen rechtzeitigen Austausch der Filtereinheiten zu gewährleisten. Mit Hilfe von Luftkeimsammlern zur Bestimmung der mikrobiellen Verunreinigung in der Luft kann ein Monitoring der Keimbelastung durchgeführt werden. Die Instrumente werden dort zur Kontrolle eingesetzt, wo Mikroorganismen die Qualität von Produkten negativ beeinflussen können.
Der am Arbeitsplatz während der Produktion zu erreichende Reinheitsgrad ist abhängig von der Belüftung und ihren Strömungsarten. Bei der turbulenten Mischströmung wird die Luft mit reiner, gefilterter Luft gemischt und so verdünnt. Wird ein höherer Reinheitsgrad benötigt, wird reine Luft mit laminarer Strömung unter Überdruck bei geeigneter Luftwechselrate durch den Arbeitsraum geleitet, was zur Verdrängung kontaminierter Luft durch Reinluft führt. Auf diese Weise lassen sich Reinraumklassen bis ISO 1 erreichen.
In einem Reinraumsystem sind die Wahl der Filter und ihre Platzierung zwei wichtige Faktoren. Dabei ist es wichtig, nicht bei den Filtern zu sparen, sondern durch eine gute Planung Investitionen in der Unterhaltsphase einzusparen. Denn ein billiger, schlecht arbeitender Feinstaubfilter bedeutet eine stärkere Belastung des Schwebstofffilters, der dann umso öfter ausgetauscht werden muss.
Anforderungen an Räume für die Reinraumhygiene
Bei der Herstellung pharmazeutischer Produkte stellt die Raumumgebung ein wesentliches Element der Qualitätssicherung dar. Qualitativ angemessene und betriebswirtschaftliche attraktive Reinraumlösungen können nur durch eine systematische und strukturierte Vorgehensweise gefunden werden – unter Beachtung der gesetzlichen Vorschriften, des Standes der Technik und unter Einbeziehung aller Beteiligten und Betroffenen. Beim Betrieb des Reinraums spielen die Abgrenzung von Reinraumbereichen durch Druck, Strömungs- oder Barrieresysteme, Schleusenkonzepte und die reinraumgerechte Ausrüstung der Arbeitsplätze unter Verwendung verschiedener Decken- und Bodensysteme sowie Türen eine Rolle.
Quality by Design, QbD, beschreibt eine systematische Entwicklungsprozedur, die in der ICH Q8 beschrieben ist. Diese Methode erweist sich bei der Planung und Entwicklung pharmazeutischer und reinraumtechnischer Systeme als sehr nützlich. Wenn allerdings beim Design die Produktionsrisiken nicht bekannt sind, kann das Design nicht Risiko mindernd eingreifen.
Das Raum- und Anlagendesign sollte glatte Oberflächen aufweisen, keine Partikelabgabe zulassen, leicht zu reinigen sein, die Installationen sollten verdeckt sein. Empfehlenswert ist darüber hinaus die Erarbeitung eines Hygienezonenkonzepts für alle Zonen im Betrieb, von der Fertigung über die Reinigung bis hin zur Verpackung. Schleusen dienen dabei neben dem Wechsel von Arbeitskleidung der Trennung der Hygienezonen. Durch Schleusen entstehen Druckunterschiede mit einer definierten Strömungsrichtung, über die sich der Anwender im Klaren sein sollte. Das Personal betritt den Reinraum häufig nach Verlassen einer Licht- und Luftdusche, die gleichzeitig der Partikelminderung und der Desinfizierung der Reinraumtextilien dient. Voraussetzung für die dokumentierte Freigabe des Medizinproduktes zur Anwendung sind mikrobiologische Prüfungen aller Chargen und Endprodukte.
Literatur
Rosenberg, K., Hebenbrock, K.: Umgang mit mikrobiologischen Überschreitungen beim Umgebungsmonitoring. Report 8, Dohm pharmaceutical engineering, 2012
Harer, J.: Anforderungen an Medizinprodukte: Praxisleitfaden für Hersteller und Zulieferer, Carl Hanser Verlag, 2015