DIY oder vorgetränkt
Lohnt es sich, vorgetränkte Tücher im Reinraum einzusetzen?
Eine Frage, über die schon viel gesprochen und geschrieben wurde. Da es jedoch immer wieder bei Anwendern zu Diskussionen und Fragen kommt, soll diese Thematik in diesem Artikel noch einmal aufgegriffen werden.
Bei einem Vergleich und der Analyse sind verschiedene Aspekte in die Betrachtung mit einzubeziehen.
Tuchqualität
An dieser Stelle sind die grundlegenden Anforderungen an Reinraumtücher zu beachten. Von der Verwendung von Einmaltüchern wird an dieser Stelle ausgegangen. Qualitätsrelevante Merkmale sind hier unter anderem das Tuchmaterial und die Verarbeitung, ggf. die Vorbehandlung (Dekontaminieren), extrahierbare Rückstände, ggf. die Kantenversiegelung, die Reinraumklasse, in der die Tücher abgepackt bzw. abgefüllt werden, die Verpackung, ggf. Sterilität. Folgende Materialien sind häufig anzutreffen:
- Polypropylen meltblown (nicht gestrickt, „non-woven“)
- Polyester/Zellulose (nicht gestrickt, „non-woven“)
- Polyester/Polyamid Mikrofaservlies (nicht gestrickt, „non-woven)
- Polyester, auch tlw. mit weiteren Materialanteilen wie z. B. Polyamid (Gestrick)
Wichtig ist, dass der Anwender seine prozessabhängigen Anforderungen an die Tuchqualität und Reinheit je nach Einsatzbereich selbst definiert und ggf. überprüft. Es empfiehlt sich hier die Erstellung eines Lastenheftes. Sich auf die Angaben und Empfehlungen der Hersteller / Lieferanten zu verlassen, kann als Grundlage dienen, jedoch sollte durch den Reinraumbetreiber eine individuelle Validierung durchgeführt werden. Nicht zuletzt bietet die neue VDI Richtlinie 2083 Blatt 9.2 eine gute Orientierung, welche Anforderungen an den Einsatz von Reinraumtüchern gestellt werden. Da Verbrauchsartikel verschiedene Reinheits- / Qualitätseigenschaften aufweisen, jedoch nicht direkt einer Luftreinheitsklasse (wie in DIN EN 14644-1 beschrieben) zugeordnet werden können, wird auch klar, warum es nicht bspw. „das ISO 7 Tuch“ geben kann.
Reproduzierbarkeit
In vielen Reinraumanwendungen ist eine Reproduzierbarkeit gewünscht. Dies bedeutet, dass gleichartige Vorgänge identisch ausgeführt werden können und somit ein wiederholbares Ergebnis erreicht werden kann. Bei der Befeuchtung von Tüchern würde das bedeuten, dass jedes Tuch gleich feucht bzw. getränkt sein muss (gleichmäßig feucht innerhalb des Tuchs, sowie gleiche Flüssigkeitsmenge von Tuch zu Tuch). Bei der manuellen Befeuchtung, z. B. durch Besprühen, lässt sich das nur schwer erreichen, da der Anwender in diesem Fall eine große Variable darstellt. Die Beurteilung, wann ein Tuch „feucht genug“ ist, erfolgt immer subjektiv und somit nicht reproduzierbar.
Dagegen bieten vorgetränkte Tücher eine gleichmäßige Flüssigkeitsbenetzung, die auch für den Einsatz bei der Desinfektion wichtig ist zur Erreichung der geforderten log-Stufen-Reduktion an Mikroorganismen.
Vermeidung von Sprühnebel
Sprühen von Reinigungs-/Desinfektionsmittel alleine reicht nicht für eine effiziente Entfernung von Kontaminationen aus. Selbst wenn Mikroorganismen abgetötet werden, haften deren Rückstände wie z. B. totes Zellmaterial, Proteine, Zellmembranfragmente (Pyrogene), Endotoxine, aber auch partikuläre Verunreinigungen und ggf. Produktionsrückstände weiter auf der Fläche an. Es muss eine Wischreinigung (=Lösen und Entfernen von Verunreinigungen) bei Verwendung eines geeigneten Tuches angewendet werden.
Beim Sprühen von Mitteln werden zwangsläufig Aerosole freigesetzt. Je gleichmäßiger die Fläche benetzt werden soll, umso feiner muss der Sprühnebel sein, fast schon dampfförmig. Doch je kleiner die Aerosole, umso mehr schweben die Teilchen (Aerosolpartikel) in der Luft. Durch den Laminar Flow im Reinraum werden die feinsten Tröpfchen zwar i. d. R. zielgerichtet nach unten geleitet, wodurch die Gefahr einer gesundheitlichen Beeinträchtigung verringert, jedoch nicht absent ist, vor allem beim Einsatz von bioziden oder sporiziden Mitteln.
Ein weiterer Nachteil ist das Risiko von Sprühschatten, d. h. die Bildung von kritischen Stellen, die durch alleiniges Sprühen nicht erreicht werden. Außerdem wird auch bei feinsten Tröpfchen nicht die gesamte Oberfläche zu 100 % gleichmäßig benetzt.
Reinigungsleistung
Das Wischen mit feuchten Tüchern bietet gegenüber alleinigem Sprühen eine deutlich höhere Effektivität, wenn es um das Lösen und Entfernen von Schmutz, Partikeln oder Mikroorganismen geht. Tucheigenschaften können die Reinigungsleistung weiterhin positiv beeinflussen (z. B. Mikrofaser-Materialien).
Desinfektion
In vielen Fällen werden getränkte Tücher zur Desinfektion eingesetzt. Neben verschiedener Mittel einzelner Hersteller finden sich bei Reinraumbetreibern häufig getränkte Tücher mit Isopropanol 70 / 30 Mischung. Dabei sollte die geforderte Qualität der enthaltenen Substanzen berücksichtigt werden (z. B. DI- oder WFI-Qualität, Reinheit der Desinfektionsmittel, Endotoxinbelastung etc.).
Handling / Einschleusen
Bei getrennter Anwendung müssen trockene Tücher und Desinfektionsmittel (z. B. in der Sprühflasche) separat eingeschleust werden. Für jedes
Produkt ist der Prozess zu definieren, die Packung muss ggf. vorgereinigt oder abgewischt werden. Da mit vorgetränkten Tüchern nur ein Produkt eingeschleust werden muss, ist auch dieser Aspekt vorteilhaft. Auch müssen die geleerten Sprühflaschen nicht entsorgt werden, was sich vor allem bei hohem Verbrauch positiv darstellt.
Auch außerhalb der Einsatzbereiche im Reinraum lassen sich Prozessoptimierungen erzielen. Es muss nur ein Produkt beschafft und qualifiziert werden, gleichzeitig ist die Lagerüberwachung nur für das getränkte Tuch notwendig (statt für trockenes Tuch und Mittel).
Einer der wesentlichen Vorteile von Ready-to-use Tüchern ist die Einsparung von Arbeitszeit und -aufwand. Als Rechtshänder würde man das trockene Tuch falten, in die linke Hand nehmen und mit der rechten Hand das Tuch besprühen. Nachdem die Flasche weggestellt wurde, nimmt man das Tuch in die rechte Hand, wischt die Fläche und faltet das Tuch erneut, um es dann in die linke Hand zu nehmen, die Sprühflasche zu nehmen usw.
Fertig getränkte Tücher werden aus der Packung entnommen, gefaltet und können direkt angewendet werden. Je Tuch bedeutet das bis zu 50 % Zeitersparnis. Beispielhaft wurden in praktischen Anwendungen folgende Zeitbedarfe (von Entnahme aus der Packung bis das Tuch anwendungsbereit war) gemessen:
Vorgetränkte Tücher beinhalten oft deutlich mehr Flüssigkeit, als in kurzer Zeit auf trockene Tücher aufgesprüht werden kann (die meisten Sprühflaschen geben bei einem Stoß etwa 1,0-1,5 ml Flüssigkeit ab; ein getränktes Tuch kann auch mal 20 ml beinhalten – was bis zu 20 Sprühstöße bedeuten würde). Somit können die Reinigungs-/Desinfektionsvorgänge insgesamt schneller und effizienter ausgeführt werden.
Verpackung
Bei vorgetränkten Tüchern bieten sich diverse Möglichkeiten zur Verpackung, die auch so auf dem Markt bei unterschiedlichen Anbietern erhältlich sind:
- Lose im Beutel, wiederverschließbar per Zip- oder Klebeverschluss
- Wiederverschließbare Päcke mit Klebelasche
- Dose mit Tüchern auf einer Rolle (abreißbar)
- Tücher können gefaltet sein (C-Faltung oder Z-Faltung) und bieten damit eine höhere Ergonomie zur Einzelentnahme als Schüttware ohne Faltung
Üblich in der Anwendung im medizinischen Bereich (Nicht-Reinraum: Arztpraxen, Krankenhäuser) sind oft auch Tücher als Rollenware, die fertig getränkt geliefert werden oder manuell vor Ort getränkt werden können, z. B. in einer Dose. Dabei sollte beachtet werden, dass die Materialqualität in diesen Einsatzbereichen nicht der Reinheitstauglichkeit entsprechen muss, die in Reinräumen gefordert ist. Auch durch das Abreißen der Tücher kommt es zu höheren Faser-/Partikelemissionen. Daher sind (wie auch bei trockenen Tüchern) fertig geschnittene Produkte hier die bessere Wahl – idealerweise einzeln entnehmbar und in einem Beutel, der luftdicht verschlossen werden kann.
Weiterhin sollte die Losgröße im Beutel wirtschaftlich sein. Zu wenige Tücher führen i. d. R. zu deutlich höheren Kosten. Sind zu viele Tücher im Pack enthalten, kann es passieren, dass nach der gewünschten Einsatzdauer (z. B. 1 Tag) noch Tücher übrig sind.
Wirtschaftlichkeit
These: Getränkte Tücher sind zwar komfortabel und bieten eine höhere Sicherheit, aber für die Zeitersparnis bei der Anwendung zahle ich doch einen viel höheren Preis für das Produkt. Nehme ich ein trockenes Reinraumtuch und sprühe mein Desinfektionsmittel darauf, spare ich sicherlich viel Geld ein.
Aber ist das so?
An dieser Stelle ist ein kurzer Kostenvergleich unter marktüblichen Bedingungen hilfreich. Nehmen wir ein handelsübliches, trockenes Reinraumtuch (Polyester/Zellulose), 23x23 cm, ca. 68 g/m², nicht steril. Marktüblicher Preis 0,08 € je Tuch.
Viele vorgetränkte Tücher sind in dieser Qualität (Vliestuch, nicht steril) zu vergleichbaren oder sogar niedrigeren Kosten auf dem Reinraummarkt erhältlich. Diese schließen jedoch gleichzeitig die Risiken und oben genannten Nachteilen aus. Ein entsprechender Kostenvergleich für sterile, getränkte Tücher führt zu einem ähnlichen Ergebnis: Die Einzelkosten für trockene sterile Tücher, steriles Desinfektionsmittel und zusätzlichem Arbeitsaufwand sind mit den Beschaffungskosten für fertig vorgetränkte Tücher (oft in höherer Qualität und Reinheit) vergleichbar.
Dennoch kann es Situationen geben, wo die Verwendung eines getränkten Tuchs im Vergleich zur Sprühflasche im Nachteil ist, nämlich bei extrem schwer erreichbaren Stellen – auch wenn diese im Reinraum nicht existieren sollten. Dort kann ein Sprühen ergänzend eingesetzt werden, um eine Desinfektion (Abtötung von Mikroorganismen) zu erreichen – ein Reinigungserfolg (Aufnehmen und Entfernen der Verunreinigung) ist damit jedoch nicht zu erzielen.
Zusammenfassung
Vor der Umstellung auf bzw. dem Einsatz von vorgetränkten Tüchern in Reinräumen sollten die Anforderungen definiert sein, im Wesentlichen sind das:
- Tuchqualität bzw. Materialreinheit hinsichtlich Restpartikelgehalt und Abriebfestigkeit
- Mittel und Wasserqualität (DI- oder WFI-Wasser?)
- Gewünschte Verpackungsart und -einheit
- Ggf. Sterilität (für A/B-Bereiche gefordert)
Vorgetränkte Tücher bieten eine Reihe von Vorteilen gegenüber dem manuellen Besprühen, insbesondere, wenn sie zur Desinfektion in Reinräumen eingesetzt werden.
- Validiertes Produkt, sichere Prozesse durch gleichmäßige Tränkung, mit vollständiger Dokumentation
- Einfaches Einschleusen, kaum Vorbereitungszeit
- ergonomisches Arbeiten mit Ready-to-use-Produkten
- Einfachste Anwendung, keine Vorpräparation, kein Sprühnebel (keine Aerosolbildung für mehr Anwenderschutz)
- Beutel kann i. d. R. nach Entnahme einfach wieder verschlossen werden
- Gute Wirtschaftlichkeit, Kosten in vergleichbarem Rahmen wie bei manueller Tränkung