Logistik & Supply Chain

Andreas Sahli, Panalpina, im Interview: Temperaturgeführter Transport als Standard

Panalpina setzt auf maximale Transparenz in der Pharma Supply Chain

07.02.2017 -

Sicherer Transport und adäquates Handling von Pharmazeutika sind heute eng verbunden mit strikt vorgegebenen Regularien, wie z.B. dem Einhalten von Temperaturkorridoren. Für die Logistikdienstleister bedeutet dies, ihre Angebote entlang der gesamten Lieferkette konsequent auf diese Anforderungen auszurichten. Das weltweit tätige Logistikunternehmen Panalpina hat die Zeichen der Zeit verstanden und sich frühzeitig auf die wachsende Komplexität der Pharma Supply Chain eingestellt. Dr. Sonja Andres sprach mit Andreas Sahli, Global Head of IV Healthcare bei Panalpina, Schweiz, über die aktuelle Situation in der Pharmalogistik.

CHEManager: Herr Sahli, sehen Sie den sicheren, weltweiten Transport von pharmazeutischen Produkten auf einem guten Weg?

A. Sahli: Dies generell zu beantworten, ist schwierig, denn es gibt sehr viele unterschiedliche Player im Markt. Betrachte ich die Welt der Good Distribution Practice, GDP, so sind die großen Airlines mittlerweile mit speziellen Pharmaprodukten unterwegs. Auch beim Handling am Boden gibt es Fortschritte mit dem Einsatz spezieller Transportcontainer für die aktive Temperaturkontrolle oder mit Decken für die passive Kontrolle. Sie helfen, die Risiken zu minimieren. Dennoch bestehen immer noch Defizite im Bereich der Be- und Entladung der Flugzeuge.

In unseren Luftfrachthubs Luxemburg, Huntsville, und Shanghai haben wir die Tarmac-Wartezeit auf dem Vorfeld auf weniger als 20 Minuten reduziert, denn längere Wartezeiten sind auf dem Rollfeld nach wie vor der häufigste Grund für Temperaturüberschreitungen. An größeren Flughäfen betragen diese Wartezeiten schnell mal zwei Stunden. Die Uhr tickt von dem Moment an, wo eine Sendung auf das Vorfeld kommt bis zur Schließung der Frachttüren des beladenen Flugzeugs. (Anm. d. Red.: Tarmac = (asphaltiertes) Rollfeld/Vorfeld)

Seefracht hat den Vorteil, dass die Kühlcontainer die Waren sehr gut vor äußeren Einflüssen schützen und dies Tür zu Tür. Demgegenüber stehen aber die Wartezeiten in den Häfen. Darauf muss der Logistiker ein besonderes Auge haben.

Wie ist in etwa das Verhältnis von Luftfracht zu Seefracht im Pharmabereich?

A. Sahli: Das Ziel jedes Pharmaunternehmens ist, in etwa 60% der Volumen per See- und 40% per Luftfracht zu transportieren. Temperaturüberschreitungen kommen in der Seefracht etwas weniger häufig vor und natürlich sind die Kosten geringer. Wir sehen einen starken Trend von der Luft- hin zu Seefracht.

Logistikketten sind in den vergangenen Jahren immer komplexer geworden. Speziell in der Pharmadistribution tragen die Regularien – EU-GDP – dazu bei, allgemeingültige Standards zu schaffen. Wie beurteilen Sie die bereits erfolgten Harmonisierungsbestrebungen in diesem Bereich innerhalb der EU? Wo besteht noch Handlungsbedarf?

A. Sahli: Die Einführung der EU-GDP war ein großer Schritt zur Harmonisierung. Die EU-GDP ist meines Erachtens auch gut global abgestimmt. Daneben gibt es natürlich immer noch länderspezifische Regularien. Doch wer die EU-Vorschriften einhält, deckt 90% der weltweiten Regularien ab. Dennoch, bei der Endverteilung sollten die Länder untereinander mehr Einheit anstreben.

Wo steht in diesem Zusammenhang die Schweiz, das Land Ihrer Homebase?

A. Sahli: Die Schweiz, eines von vielen Ländern, in denen wir als global aufgestelltes Unternehmen tätig sind, hat die EU-GDP übernommen.

Der Markt temperaturempfindlicher Pharmazeutika ist stetig am Wachsen. Wird es in Zukunft nur noch temperaturgeführte Transporte geben – was ist Ihre Prognose?

A. Sahli: Der Trend in der Industrie führt zu immer komplexeren Produkten. Die Biopharmaindustrie wächst sehr stark und damit der Transport im Temperaturbereich 2 bis 8°C. Der Bereich 15 bis 25°C nimmt in der Pharmalogistik aber am stärksten zu. Streng genommen reden wir mit den Pharmaunternehmen nur noch über die Temperaturbereiche 15 bis 25°C oder 2 bis 8°C. Ich gehe davon aus, dass es in naher Zukunft nur noch temperaturgeführte Transporte geben wird.

Setzt Panalpina auf maximale Transparenz für den Pharmakunden über die gesamte End-to-End-Supply Chain? Wenn ja, in welcher Form geschieht dies?

A. Sahli: Natürlich, wir wollen maximale Transparenz für unsere Kunden. Dies geschieht mittels Sendungsverfolgung. Wir überwachen die Temperatur für alle unsere temperaturgeführten Transporte, wo immer dies möglich ist, mit Hilfe unseres „SmartView“-Systems. Mit diesem RFID-System, das Panalpina als Pionierunternehmen in diesem Bereich schon seit 2009 einsetzt, werden mittels Funkerkennungstechnologie Umgebungstemperatur und Standort der empfindlichen Fracht fernüberwacht und dokumentiert.

Die Sendungen sind mit kleinen Aufzeichnungsgeräten, mit Loggern, versehen, die auf dem Boden und in der Luft konstant Daten registrieren und diese übermitteln, sobald die Fracht wieder in die Reichweite eines RFID-Netzwerkes kommt. So können wir zumindest auf dem Boden bei Bedarf eingreifen, bevor es überhaupt kritisch wird.

Auf Transatlantikflügen in unserem Charter Netzwerk läuft nun auch ein Pilotprojekt, bei dem wir im Frachtraum unserer geleasten Boeing 747-8F-Maschine die Temperatur in Echtzeit überwachen. Sobald Abweichungen auftreten, alarmieren wir direkt die Crew in der Luft, damit diese eingreifen kann. Diese Transparenz – und noch wichtiger Handlungsfähigkeit in der Luft – ist meines Wissens momentan einzigartig. Wir überwachen zentral auch die Temperaturen aller sich im Netzwerk befindlichen Umschlagslager.

Wie ist generell das Panalpina Netz für den Healthcare-Bereich aufgestellt?

A. Sahli: Aktuell betreibt Panalpina weltweit ein Netz mit 17 Healthcare-Kompetenzzentren. Wir werden dieses Netzwerk in den nächsten Jahren ausbauen. Neben diesen Healthcare Centers of Excellence betreiben wir als Teil des Panalpina Charter Netzwerks unsere Hubs in Luxemburg, Huntsville und Shanghai mit kurzen Wegen und direktem Zugang zum Vorfeld der Flughäfen.

Die dezidierte Infrastruktur ist ein wichtiger Aspekt, der andere ist geschultes Personal. Panalpina kann auf 2.500 GDP-geschulte und -zertifizierte Mitarbeiter zurückgreifen, die nicht nur die Sprache der Kunden sprechen sondern auch deren Anforderungen verstehen. Der für die Einhaltung der GDP global verantwortliche Experte ist unabhängig vom Healthcare-Team. Er gehört zur Qualitätsorganisation, die an die Konzernleitung berichtet. Ferner führen wir bei allen Reedereien und Airlines, die wir einsetzen, GDP-Audits durch.

Welche sehen Sie als die größten Herausforderungen im globalen Pharmazeutika-Transport an und wie muss man ihnen begegnen? Wie wird Panalpina ihnen begegnen?

A. Sahli: Die Pharmaindustrie beginnt, auszulagern. Das ist ein wichtiger Punkt. Wie auch schon in anderen Industrien, findet eine Verlagerung der Produktion hin zum Endkonsumenten statt. Unsere Kunden erschließen neue Märkte. Das sind teilweise Märkte, in denen in der Vergangenheit keine GDP-konforme Pharmaabwicklung möglich war, beispielsweise in Indien.

Südostasien und China sind neue, große Märkte, sowohl in der Produktion von Wirkstoffen als auch von Endprodukten, aber natürlich auch als Konsumentenmärkte. In diesen Regionen verzeichnen die Pharmaunternehmen teilweise Wachstum im zweistelligen Bereich. Hier muss Infrastruktur aufgebaut werden und wir müssen unser Netzwerk anpassen und vergrößern, um den Marktanforderungen gerecht zu werden. Alleine in Indien werden wir 2017 vier Transitlager eröffnen, die GDP-konform sind.

In die Zukunft geblickt: Was wird nach Ihrer Einschätzung künftige internationale Pharma Supply Chains von heutigen unterscheiden?

A. Sahli: Wie bereits erwähnt, werden die Produkte unserer Kunden immer komplexer. Bislang waren ein Großteil der Produkte „chemiebasierte“ Produkte – stabile Pulver in Tablettenform gepresst. Heute herrscht ein großer Trend zu Biopharma-Produkten. Diese Produkte sind oft kurzlebiger und empfindlicher. Der Temperaturbereich 2 bis 8°C wird künftig somit sicher wichtiger.

Neue Märkte und Produktionsstandorte sowie Regularien verlangen auch Investition von den Transport- und Logistikunternehmen. Die zunehmende Digitalisierung spielt ebenfalls hinein. Kunden erwarten von unserer Industrie Information in größerer Menge und höherer Geschwindigkeit. Wir müssen unter anderem vermehrt Technologien anbieten können, mit denen Sendungen möglichst einfach und schnell zurückverfolgt werden können, beispielsweis wenn ein Produktionsbatch oder ein Medikament zurückgerufen werden muss.

Panalpina investiert bereits in diese Zukunft mit der Einführung unserer neuen IT-Plattform SAP TM und mit der Erweiterung des Netzwerkes der Centers of Excellence. Digitalisierung ist kein reines Pharmalogistikthema, bringt aber gerade in diesem speziellen Umfeld viele Vorteile und verschafft Durchblick im Datenmeer.

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